Thema: Weltreise mit 58  (Gelesen 5792 mal)

biggi

« am: 01. Oktober 2016, 14:12 »
Hallo Alle, ich lese schon fleißig alle Infos und im Forum herum und finde das alles sehr informativ. Trotzdem habe ich noch einige Fragen: Ich bin deutlich älter als der Durchschnitt der Backpacker (58), die ich auf meinen bisherigen Reisen kennengelernt habe und die sich in diesem Forum herumtreiben. Ich bin selbstständig und habe schon länger eine allgemeine Lebenskrise, will heißen, meine Kinder sind groß und mein Job nervt zunehmend. Ein alter Traum von mir ist eine Weltreise. Dazu müsste ich aber meine Firma auflösen, alles verkaufen und mein Personal kündigen und hätte keine Ahnung, was ich nach der Rückkehr machen soll. Also totaler Neustart nach Rebooting. Ich bezweifle, dass ich einfach so weitermachen möchte wie bisher. Dazu kommt, dass ich auch noch dauernd Berichte von Leuten lese, die nach 3-4 Monaten reisen die Krise kriegen und am liebsten wieder heimfahren würden. Das kann ich mir angesichts meiner familiären Situation (3 Kinder, alle über 25, aber doch sehr wichtig für mich) auch vorstellen und dann habe ich meine Existenz aufgegeben für einen verlängerten Urlaub. Hat irgendwer Erfahrungen, wie es einem in diesem Alter geht unterwegs? Ist hier irgendwer über 50, der auch Erfahrungen gemacht hat? Geld ist nicht das Problem, eher die Befürchtung, dass einem die Reiserei nach einiger Zeit inhaltsleer vorkommt und man dann mühsam wieder von vorne anfangen muss daheim, ohne wirklich lang und erfüllend weg gewesen zu sein. Ich könnte erst mal open end wegfahren, finde aber, der ganze Aufwand lohnt sich nicht, wenn ich dann nach 2-3 Monaten keine Lust mehr habe. Dann suche ich mir lieber einen Vertreter für die Zeit. Das geht aber auf das Gefühl der Freiheit und Ungebundenheit, was aber der Hauptgrund für die Reise ist (nach 30 Jahren Verpflichtungen einmal keine Verantwortung tragen außer für mich selbst...). Freue mich über Rückmeldungen!
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Radlerin

« Antwort #1 am: 01. Oktober 2016, 16:24 »
Hallo Biggi,

ich bin in einer etwas anderen Situation, aber vielleicht helfen dir einfach die Erfahrungen von anderen Reisenden.

Ich war mit 48 für 4 Monate weg, bin angestellt und hatte unbezahlten Urlaub, war aber mit meinem Mann unterwegs.
Nach 3 Monaten hatten wir auch das Gefühl, es würde jetzt reichen und wir könnten eigentlich wieder heim. Dann haben wir auch in Anbetracht dass der Rückflug schon feststand, mehr oder weniger Urlaub gemacht...und dann kam wieder die Reiselust. Ach wenn wir jetzt noch mehr Zeit hätten, könnten wir doch noch weiter....

Zurück zuhause habe ich mich damit abgefunden, wieder arbeiten zu gehen, und mich auch auf den Alltag wieder eingelassen. Jetzt, gute zwei Jahre später, sehe ich den Sinn im arbeiten nicht mehr so recht und die Tage häufen sich, an denen ich lieber frei hätte. Naja die Brötchen müssen verdient werden, aber ich könnte gerne wieder losziehen oder auch einfach zuhause Urlaub machen. Wie lange das anhalten würde, weiss ich nicht, ist auch erstmal hypothetisch.
Mein Job hatte mir auch nicht mehr gefallen, jetzt habe ich einen anderen, aber selbe Branche. Meine Erfahrung ist, direkt ein anderer Job hätte auch nicht geholfen, die Auszeit und das Reisen waren genau richtig (nur zu kurz  8) )

Beim Lesen hab ich erst gedacht, warum probierst du es nicht aus mit der Vertretung und machst tatsächlich einen längeren Urlaub? Aber ich glaube im Grunde willst du das nicht.
Inwiefern ist Geld kein Problem bei dir? Könntest du dich grundsätzlich zur Ruhe setzen oder müsstest du nach 1-2-3 Jahren Reisen wieder Geld verdienen?
Man kann ja auch Reisen und auf der Reise mal zuhause vorbeischauen und dann wieder woanders hin. Kommt halt drauf an, ob du dann auch dein Haus / Wohnung verkaufst (falls vorhanden).
Ich glaube du musst es einfach probieren. Und eins ist klar, vorher macht man sich viiiele Gedanken. Unterwegs ist es dann doch anders und meistens viel problemloser als gedacht.
Du könntest ja auch einen Vertreter für ein Jahr suchen, zur Not danach immer noch alles verkaufen.

Wie stellst du dir die Reise denn vor? Hast du bestimmte Ziele, die du sehen möchtest? Oder willst du einfach mal unterwegs sein und dich treiben lassen? Suchst du einen neuen Ort für dich oder weisst du, dass du wieder zurückkommst?

Liebe Grüsse
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Vombatus

« Antwort #2 am: 01. Oktober 2016, 17:59 »
Bin nicht in deiner Situation … dennoch meine Meinung, bzw. 10 wirre Gedanken dazu.

1. Es gibt kein "zu alt" fürs Reisen, solange du im Kopf und einigermaßen körperlich gesund bist. Du wirst auch nicht die älteste sein.

2. Eine Langzeitreise ist keine Therapie. Heißt, Probleme, Sinn- und Lebenskrisen lösen sich nicht einfach durch eine Reise auf. Sicher, vieles wird einem klarer, man hat viel mehr Zeit sich mit sich selbst zu beschäftigen, gleichzeitig gewinnt man vielleicht Abstand. Wenn du mit der Erwartung rein gehst, dass sich dein komplettes Leben ändert (zum besseren) und alle deine Probleme gelöst sind wirst du enttäuscht.

3. Der dritte Punkt schließt oben an. Nicht zu viele Erwartungen haben. Aber Mut und Neugierde, Geduld und keine Angst.

4. Viele bekommen nach 3-4 Monate einen kleinen Dämpfer, schon weil Reisen eine Herausforderung ist, die verarbeitet werden will. Stichwort Reisemüdigkeit und Heimweh. Einige zieht es nach hause, andere könnten ewig weitermachen. Das kann nach 2 Wochen soweit sein oder nach 18 Monaten. Sich davor verrückt machen nützt nichts. Es gibt immer einen Grund irgendwas nicht zu tun. Das schwerste ist der erste Schritt.

5. Entfernungen sind heute relativ. Innerhalb von 48 Stunden kannst du nahezu von überall wieder nach Hause. Über elektronische Medien kannst du (fast überall) mit deiner Familie in Kontakt bleiben. Schriftlich, Wörtlich, Bildlich. Habe auch schon gelesen, dass einige auf der Reise mehr Kontakt hatten mit den eigenen Eltern hatten, als zuhause in der selben Stadt.

6. Ja. ich glaube auch es ist unglaublich mühsam sich nach der Reise wieder "alles" aufzubauen. Sollte man das müssen. (Siehe Punkt 7). Es kommt aber auch darauf an, wie du während der Reise deine Einstellung geändert hast. Irgendwie lernt man (lernte ich), dass es immer weiter geht, dass es andere Prioritäten gibt. Wer mal ein Jahr um die Welt gereist ist, ohne zu wissen, wo er morgen schläft und die Erfahrung macht, dass es immer weiter geht … der hat auch mehr Zuversicht, dass alles gut wird. Aber ja, natürlich ist das mit vielleicht 60 eine ganz andere Herausforderung. Und wenn man nach 3 Monaten aufgibt ist es auch eine andere Situation. Aber du hast es versucht. Und du kannst es nochmal versuchen.

7. Wenn du (nach der Reise noch) finanziell unabhängig bist ist das ein großes Plus. Was musst du dir dann nochmal groß mühsam aufbauen? "MUSST" du das wirklich? Möchtest du das müssen?

8. Die Zeit bleibt nicht stehen. Verdammt. Tu es, versuch es. Fahr los. In welcher Form auch immer. Jeder Aufwand lohnt sich, der einen weiterbringt, auch das Scheitern, bestimmt hast du in deinem Job und Leben viele Fehler gemacht, die dich am Ende irgendwie klüger gemacht haben? Immer noch besser als im Hamsterrad fest zu sitzen zu träumen und zu lamentieren. Sprich nicht über das Problem (Angst/Unsicherheit), sondern wie du es lösen, ändern kannst. Irgendwo hier im Forum gab es auch schon mal Beiträge zum "Sinnvollen Reisen". Situationen sind nicht unveränderbar.

9. Hier ein alter Beitrag mit einem Anhang (PDF) in dem es um das Verlassen der Komfortzone geht. Den sollte ich mir unbedingt auch nochmal durchlesen. Vielleicht motiviert dich der Text auch ein wenig?
http://weltreise-info.de/forum/index.php?topic=6645.msg70637#msg70637

10. Gute Reise. Wie lange auch immer.
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Reisender215

« Antwort #3 am: 02. Oktober 2016, 11:30 »
Das mit dem Alter , ist Kopf Sache und spielt sich zu 90 (+?)% eh nur in -deinem- Kopf ab.

Ich war auch selbstständig und habe alles verkauft. Wirklich alle, bis auf meine Oma sagten ich wäre nicht ganz dicht.
Naja es waren 4 super Jahre.

Ich bin seit 4 Monaten in Deutschland.  Bin angestellt und nebenbei immer noch selbstständig  (Nebengewerbe) mein Flug ist bezahlt und ich habe in 4 Monaten bereits genug Geld verdient um im Dezember 3 Monate die nächste Reise zu machen . Für dannach wird was überbleiben und 2017 geht's dann gleich wieder los. Also wer will , kann auch .

Es kommt fast alles nur auf deine Sichtweise an, auf deine kleine Welt im Kopf. Klar die äußeren Umstände ect pp. usw usf...  Aber unterm Strich, sind es deine Gedanken die dich lenken . Und dir die Richtung vor geben .

Was hast du zu verlieren? Du kannst nur gewinnen. Ja und , wenn es dir nicht taugt, geht es halt wieder heim. Wo ist das Problem? Man lebt nur ein mal. Das vergessen viele .

Das leben dannach ??? Du solltest  erstmal los oder ? (Also wenn du dich entscheidest , dies zu machen )

Sicher ist es jetzt nach 4 Jahren on the road hier nicht einfach . Das liegt zu einem an meinen Gedanken und zum anderen am dummen (viele! Nicht alle, wohl weit weniger) Deutschen . Hier geht es nur ums buckeln um Neid um negatives denken und seit Monaten um Flüchtlinge...  hoch interessant ... fliegst du nicht wirst du es evtl. bereuen , fliegst du ist es evtl  nicht das was du willst. Usw  . Bist doch selbstständig und kennst den Spruch: wer nicht wagt der nicht gewinnt. Reicher wirst du sicher nicht aber im Kopf ganz sicher. Also auf und hop hop :) .
Ich war gern mit älteren unterwegs , die können wenigstens Geschichten erzählen.

Klar geht es dir auf Reisen auch nicht immer gut. Und gehört doch dazu . Sehr es als Bestandteil deiner Reise. Ich hatte das auch teils mehr oder weniger.  In den Jahren auch 3 oder 4 mal richtig doll.  Aber versuche es als Bestandteil zu sehen . Es gehört eben dazu . Ja mein gott Film an Buch raus. Oder oder. Man muss nicht ständig irgendwas machen, nur weil man auf Reisen ist. Blödsinn. Da kommt und geht und das merkst du schon. :)

Ich kann dir nur empfehlen, das gleich richtig zu machen. Mach nen kleinen Schlussstrich , du verkaufst eh alles und läßt deine Firma und das alte leben erstmal zurück. Da kannst gleich ne weile auf Achse bleiben .
Ganz wichtig ( für mich !) Pläne nicht so viel , das gibt Freiheit.
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biggi

« Antwort #4 am: 02. Oktober 2016, 12:52 »
Hallo, vielen Dank für eure tollen Rückmeldungen.
@Radlerin: Einen längeren Urlaub hatte ich schon 2015, da war ich 2 Monate in Australien. Dort habe ich mich so lebendig gefühlt wie nie und das hat letztendlich dazu geführt, dass mir mein Wohnort, mein Job etc. alles so eng vorkommt. Geld ist insofern kein Problem, als ich Ersparnisse habe und auch Mieteinnahmen, also recht komfortabel. Ich bin aber nicht der Typ, der sich gern daheim hinsetzt und Rentner spielt. Also werde ich wohl irgendwas wieder anfangen, wenn ich zurückkomme. Im Ausland dauerhaft leben ist eigentlich keine Option. Ich weiß schon, dass ich das organisatorisch auf die Reihe kriegen kann, mein Problem ist eher, dass ich nicht sicher bin, ob ich das überhaupt will oder ob ich mir das nur einbilde, weil mir grade langweilig ist. Oder ist das die Komfortzone, die da massiv an  mir zieht? Ein bisschen Angst habe ich auch vor dem allein Reisen auf so lange Zeit, klar lernt man überall Leute kennen, aber die Gespräche wiederholen sich ja schon auch und ich bin nicht sicher, dass ich das über Monate toll finde.Andererseits reizt  mich die Vorstellung des total Ungebundenseins und der Freiheit, zu tun, wonach mir ist, sehr.
@vombatus: Der Artikel ist sehr gut, er beantwortet viele Fragen. Neu aufbauen: Ich bin Anwältin und habe eine eigene Kanzlei, die recht gut läuft. Wenn ich also dicht mache, verliere ich die Mandanten, die Büroräume, das Einkommen. Sowas wie Sabbatical gibts halt als Selbständiger nicht. Wenn ich dann wieder komme, fange ich wieder von vorne an, falls ich das dann will (was ich bezweifle). Aber sonst fällt mir auch nichts ein, und mit 60 findest du ja auch nicht gleich einen Arbeitgeber, der auf dich gewartet hat und sich freut, endlich eine Frau zu finden, die zwar keine Kinder mehr will, aber immer selbstständig war und sich noch nie untergeordnet hat und an ein recht gutes Einkommen gewöhnt ist.
@reisender215: was für eine Firma hattest du denn? Und was machst du heute? Ist das irgendwie verwandt und wie geht es dir damit?
Vielen Dank für eure Rückmeldungen!
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Yoss

« Antwort #5 am: 02. Oktober 2016, 14:48 »
Zwei kleine Einwürfe, die mir so aus dem Bauch in den Sinn kommen (ohne selbst in einer vergleichbaren Situation zu sein):

Die Frage "Was mache ich nach meiner Rückkehr?"/"Lohnt sich das alles?" scheint dich ja besonders stark umzutreiben. Auf der anderen Seite schreibst du selbst, dass dich dein Job zunehmend nervt. Es ist also offensichtlich nichts, woran du stark hängst. Zudem bist du finanziell weitgehend abgesichert. Das sind doch super Bedingungen!! Ich denke, dass die aktuelle Unzufriedenheit/Lebenskrise nicht einfach verschwinden wird, wenn du die Zähne zusammenbeißt und einfach weitermachst. Dazu scheint dich der Job zu wenig zu erfüllen (und du bist ja schon lang genug darin tätig, um zu wissen, dass das wohl keine vorübergehende Laune ist). Wahrscheinlich wird dir das "Ach, hätte ich doch nur..." ewig nachhängen.

Ich würde mir an deiner Stelle auch keine Sorgen machen, dass dir nach der Rückkehr nichts mehr einfallen wird, womit du deine Zeit füllen kannst. Vielleicht kommen dir unterwegs neue Ideen, deine Vorstellungen/Erwartungen/Ansprüche verändern sich... Es kann viel passieren. Für mich wäre wohl die relevante Frage: Kann ich mir das leisten? Wenn ich wüsste, dass ich nach der Rückkehr weich falle und es vielleicht sogar ausreichen würde, nur ehrenamtlich zu arbeiten oder einen schlechter bezahlten Job anzunehmen, würde ich es sofort machen. Wenn ich Zweifel hätte und Angst hätte, in diesem eher höheren Arbeitsalter keinen Job mehr zu finden, der mich über die Runden bringt, würde ich die Reise vielleicht um zwei Jahre oder so verschieben, um das Polster noch weiter anzufüllen und hinterher unabhängig zu sein. Machen aber würde ich sie auf jeden Fall.

Zum Thema "alleine reisen": Du scheinst ja einen guten Draht zu deinen drei Kindern zu haben. Vielleicht wollen sie dich abwechselnd unterwegs an einem spannenden Ort besuchen kommen? Dann würdest du deine Lieben zwischendrin sehen und hättest vertraute Gesellschaft mit Gesprächen jenseits des standardmäßigen und sicherlich irgendwann nervenden "Wo kommst du her?"/"Wo gehst du hin?".
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farmerjohn1

« Antwort #6 am: 04. Oktober 2016, 19:33 »
Meine Grossmutter hat mit ueber 65 das Reisen ueberhaupt erst angefangen, weil es vor Renteneintritt in vieler Hinsicht gar nicht moeglich gewesen waere.  War ihr Jugendtraum, die Welt zu sehen und sie hat auch extreme Bedingungen in Afrika und Asien nicht gescheut. Ihre letzte laengere Reise (ihre erste gefuehrte Gruppenreise, aber nur wegen der Sicherheit - das Herz war nicht mehr so kraeftig) ging mit weit ueber 90 Jahren nach Osteuropa.
Allerdings wurden dabei zu Hause keinesfalls die Zelte abgebrochen, sondern ganz im Gegenteil bereitete sie von zu Hause aus jede Reise ca. 1/2 Jahr vor, las sich ein und wusste genau alles ueber jedes historische Gebaeude und jede besondere Pflanze /Tierart ihres Zielgebiets, plante je nach Ziel 3-4 Monate Durchfuehrungszeit inkl. Eingewoehungsphasen ein und ein Jahr danach hatte sie ihr Album mit handgeschriebenen Referaten ueber Sehenswuerdigkeiten, Fotos und Reisetagebuch fertig. Wir Enkel konnten dann beim Besuch in den Sommerferien etwas  Architektur und Kunstgeschichte sowie Botanik und Zoologie bei ihr lernen, sie machte auch tolle eigene Fotos.  War noch die Zeit vor Internet und billigen Langstreckenfluegen in den 1970er, 80er und 90er Jahren. Der Grossvater, der gern wanderte aber ansonsten jede nicht notwendige Fortbewegung ueberfluessig fand,  huetete allein das Haus und freute sich, dass er endlich mal in Ruhe Zeitung lesen konnte.
Das war alles fuer alle wunderbar - jedoch sagte sie eines, was zu bedenken zu geben ist. Und zwar: 'Es ist fuer mich sehr schoen, nach zwei Weltkriegen, vielen schwierigen Zeiten, vielen anderen Prioritaeten und der Erziehung mehrerer Kinder meinen persoenlichen  Interessen und meiner Neugierde wenigstens noch ein bisschen nachgehen zu koennen - dafuer bin ich dankbar und will es nicht verschreien. Aber eigentlich ist es unnuetz: man muss sowas machen wenn man jung ist; denn alles was ich auf den Reisen gelernt und an Anregungen gefunden habe, kann nun nicht mehr in die Gestaltung meines eigenen Lebens und meiner Familie mit einfliessen, denn der aktivste, wichtigste und entscheidendste Teil dieses Lebens ist ja nun vorbei.' 
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biggi

« Antwort #7 am: 05. Oktober 2016, 13:36 »
Wow, deine Großmutter muss eine tolle Frau sein! Herzlichen Glückwunsch zu so einer Familie! Nur in einem hat sie vielleicht nicht ganz recht: Wenn man jung ist, hat man ja auch so viel anderes zu tun. Man studiert, bekommt Kinder, baut sein Leben auf, seinen Beruf etc. Bei mir kam noch eine schwere Krankheit dazwischen, so dass ich das niemals hätte umsetzen können. Ich denke auch nicht, dass man Erfahrungen in späteren Jahren nicht mehr umsetzen kann. Vielleicht nicht mehr so wie als junger Mensch, aber die Ausrichtung, die Gelassenheit und die Prioritäten verschieben sich sicher auch dann noch, so dass man im höheren Alter sich und seine Grenzen auch besser kennt und sich darauf einstellen kann. Insbesondere darauf, dass die Grenzen viel weiter sind als die meisten Leute so meinen. Danke für diesen Beitrag!
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farmerjohn1

« Antwort #8 am: 05. Oktober 2016, 17:28 »
'Wow, deine Großmutter muss eine tolle Frau sein!'...  Danke fuer das Lob. 'Gewesen sein' - sie weilt schon mehrere Jahre nicht mehr unter uns.  Aber wie man sieht, sie verbreitet als Erinnerung immer noch Positives wie Mut zu Unternehmungen etc. Man muss auch annehmen, dass, wer im ersten Jahrezehnt des 20 Jhd. geboren ist, vielleicht noch gerade eine schoene Kindheit/ Jugend hatte, dann aber, wenn ueberhaupt noch, vor dem Lebensalter von 50 Jahren nur in wenigen Faellen besonders gute Zeiten erlebte. 
Das war auch sinngemaess ihr Gesamt-Rueckschluss, fast woertlich: 'nicht mehr so umsetzen wie ein junger Mensch' - aber in anderer Weise, die Vorzuege anderer Altersstufen und Lebensphasen einbeziehend, selbstverstaendlich sehr wohl, ganz klar.
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grenzenlos

« Antwort #9 am: 12. Oktober 2016, 06:59 »
Hallo giggi  :),

wichtig ist, dass du es absolut willst, dass du vage Vorstellungen hast, was du alles sehen möchtest. Wenn dich der Reisevirus wirklich gepackt hat, dann solltest du es auch tun.
Ich/Wir wollten auch immer bis zur Rentenzeit warten. Mein Vater und mein Schwiegervater sind mit 61 leider verstorben. Da wurde uns bewusst, was passieren kann, wenn man bis zur Rente wartet. Diese Traurigkeit war für uns einer der Gründe, mit da schon zusammen über 100 Jahre alt, den großen Sprung in die Reisefreiheit zu wagen.
Ich war 52 + meine bessere Hälfte 49, als wir 2007 mit unserer Weltradeltour begannen. 4 Jahre waren wir unterwegs. Danach erneut für 3 Jahre in Deutschland um wieder Geld zu verdienen. Meine Frau arbeitet im öffentlichen Dienst. Vorher war schon klar, sie wird erneut nach Rückkehr als Sekretärin arbeiten wird. Ich hatte damals meinen eigentlich unkündbaren Job gekündigt. Nach den 4 Jahren wagte ich mich in die Selbstständigkeit. Ich hielt drei Jahre lang Vorträge zu unseren Touren und habe ein Buch geschrieben. Als wieder Geld in der Kasse war, haben wir erneut eine weitere Tour/Touren unternommen.
Mit 58/56 Jahren sind wir zu Fuß von D. bis Muskat über 5740 gelaufen, haben eine Enfieldtour über 10 Tausend km in Indien unternommen und einige weitere Dinge.
Das Alter, sofern man gesund ist, spielt keine Rolle. Wir haben auch gelernt, dass es für alle theoretischen Probleme immer eine Lösung gibt.
Momentan sind wir nach den 2 Jahren erneut in D. Ich schreibe an weiteren Büchern, halte erneut Vorträge. In 2 Jhren wollen wir die nächste längere Tour unternehmen.
Einige unserer Touren, mit bereits schon höheren Alter  ;), sind bei Interesse auf unserer HP : http://www.grenzenlosabenteuer.de/ einsehbar.
LG, Wi grenzenlos  :)

PS: Für uns gab es unterwegs nie eine Phase der Leere. Die Rückkehr war für uns immer das größte Problem
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biggi

« Antwort #10 am: 12. Oktober 2016, 18:23 »
Das klingt interessant, alternatives Lebenskonzept. Ich glaube aber, dass es so extrem für mich nicht funktionieren würde, ich bin ja Single und habe meine Familie daheim. Also werde ich sicher nicht jahrelang rumreisen können und wollen, dazu ist es mir zu wichtig, meine Kinder regelmäßig zu sehen. Ich denke eher an ein Jahr Auszeit oder so. Mein Hauptproblem ist, meine Kanzlei für die Abwesenheit zu organisieren, so dass ich nach der Rückkehr wieder problemlos weitermachen kann. Aber dazu sammle ich jetzt erst mal Ideen, vielleicht ergibt sich ja was. Das Ganze muss noch reifen.
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jam55

« Antwort #11 am: 14. Oktober 2016, 03:51 »
Hallo giggi,
hier ist mal einer, der Dir keine klugen Ratschläge geben kann,
dem es aber im Grunde genauso geht. Ich (61, fit und neugierig genug)
müsste auch beruflich ein "one way ticket" lösen, heißt alles aufgeben
und danach ??
Deine Gedanken klingen auch irgendwie unentschlossen, geht mir genau so.
Vielleicht ist es ja doch die eher diffuse Vorstellung, damit eine
Lebenskrise zu lösen, wovor ja wahrscheinlich zu Recht gewarnt wird.
Ich habe durch mehrere individuelle Reisen durch Thailand, Laos und Kambodscha
zwar einerseits das Lebensgefühl sehr angenehm empfunden, komme aber andererseits
mit meinem "deutschen" Denken mental an meine Grenzen.
Würde mich interessieren, wozu das weiter Nachdenken bei Dir führt,
vielleicht können wir das ja vertiefen.
Viel Erfolg!
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fischkopp

« Antwort #12 am: 15. November 2016, 20:25 »
Hallo giggi,

die Lebenskrise, wie Du sie beschreibst, hatte mein Mann auch nach 14 Jahren Selbständigkeit. Er wollte einfach alles schließen und nach Australien. Als es in der Schule unseres damals 10-Jährigen großen Sohnes problematisch wurde, haben wir einfach eine Familientour über 5 Monate daraus gemacht. Glücklicherweise konnte ich ihn überreden, einen Stellvertreter zu suchen und alles umzuorganisieren. Es war schwierig, aber nicht unmöglich. Nach 3-4 Monaten Reisen war bei uns die Luft raus, wir und die Kinder hatten das ziellose Rumgereise irgendwie satt, wollten neue Ideen zu Hause umsetzen und hatten wieder ohne Ende Elan. Am schönsten war es, daß wir unser Haus noch hatten, so ein tolles Gefühl in so ein schönes Zuhause zurückkehren zu können, und daß wir unser mühsam aufgebautes Geschäft noch hatten. Die Sicht auf die Dinge, mit denen wir uns üblicherweise beschäftigen, hatte sich durch die Reise komplett gewandelt. Alles machte wieder Sinn, wir hatten es nur vor lauter Arbeit nicht mehr sehen können. Das war vor 6 Jahren. Inzwischen bauen wir längere Urlaube öfter mal in den Alltag ein.
Ich denke schon, dass Deine Bedenken bzgl. eines Angestelltenverhältnisses berechtigt sind.
Hoffentlich findest Du die richtige Entscheidung.
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biggi

« Antwort #13 am: 04. Dezember 2016, 11:55 »
Hallo fischkopp,
vielen Dank für deine Antwort, die ich sehr hilfreich finde. Anscheinend gibt es also doch Leute, die nicht nur begeistert sind und die nach einiger Zeit keine Lust mehr haben. Genau das ist meine Befürchtung: Dass ich erst voll motiviert losfahre und alles toll finde, dann aber nach einiger Zeit feststelle, dass ich immer die gleichen Gespräche mit anderen Reisenden führe, genug Tempel gesehen habe und meine Familie und mein Zuhause und meinen Job vermisse. Ideal wäre natürlich, einen Vertreter zu finden, ich habe auch schon rumgefragt, das ist aber mehr als schwierig, schon wegen der Haftung. Dein Post zeigt mir, dass die Befürchtung nicht ganz unberechtigt ist. Jetzt warten wir mal die Feiertage ab und schauen, was 2017 bringt und dann sehen wir weiter.
Viele Grüße
Biggi
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Vombatus

« Antwort #14 am: 05. Dezember 2016, 10:17 »
Wie ich schon oben in Punkt 4 geschrieben habe, deine Bedenken sind natürlich begründet. Wobei mit das Wort „Befürchtung“ nicht gefällt. Furcht braucht es wirklich nicht, egal, aus welchem Grund du die Reise vielleicht früher beendest als vorgestellt. In dem Augenblick ist es die richtige Entscheidung.

Mir geht es eher um das „verrückt machen“ bevor die Reise überhaupt schon beonnen hat. Irgendwie hat es auch etwas von Selbsterfüllende Prophezeiung (self-fulfilling prophecy), wenn man sich davor einredet, was alles schlimmes/negatives passieren könnte. Stell dir doch das Gegenteil vor, was alles super laufen könnte.

Bei dem Beitrag von „fischkopp„ finde ich die Aussage: „… Nach 3-4 Monaten Reisen war bei uns die Luft raus, wir und die Kinder hatten das ziellose Rumgereise irgendwie satt, …“ schade.

Sicher ist man mehr als einmal irgendwie planlos und zieht mal ein paar Umwege, aber ein „zielloses Rumgereise“ sollte es nicht sein. Vielleicht war es nur die falsche Wortwahl? Oder man konnte sich als Familie nicht einigen und man sucht ziellos den kleinsten gemeinsamen Nenner? Als Alleinreisener, sollte man sein Tempo und seine Ziele frei und ohne Zwänge/Kompromisse wählen/anpassen können.

Hab keine Angst, lass es auf dich zukommen und entscheide dann wenn es soweit ist. Wie die Entscheidung dann ausfällt ist jetzt unwichtig, es wird die richtige sein. Ein Reiseabbruch ist doch nichts schlimmes. Du musst doch nichts und niemanden etwas beweisen.

Und nochmal. „Lebenskrisen“ lassen sich nicht durch Reisen ändern. Mit dieser Erwartung läuft man ins Leere.
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