Thema: Prozess Arbeitslosengeld und Weltreise  (Gelesen 5489 mal)

IssoIvo

« am: 30. Mai 2020, 17:10 »
Moin,

ich bin Ivo und ich lebe derzeit in Saarbrücken. Die letzten 4 Jahre habe ich Vollzeit in der IT gearbeitet und möchte demnächst eine weitere Reise unternehmen. Bei meinen bisherigen Backpacking-Reisen war ich noch Student und musste mich um wenig Behördenkram kümmern.  Da ich meine Arbeitsstelle zum Jahresende sowieso kündigen möchte, wäre das der perfekte Zeitraum für eine Reise, falls Corona nicht doch alles ruiniert. Allerdings bleibe ich zuversichtlich! Zumal ich flexibel bin und meine "Reiseplanung" nahezu jedes Land als mögliches Reiseziel vorsieht.

Probleme habe ich allerdings mit dem Thema Arbeitslosengeld und hoffe, dass ihr mir da helfen könnt und meine Annahmen bestätigen könnt.

1. Anspruch: Da ich 4 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet habe und dementsprechend meine Beiträge gezahlt habe, habe ich prinzipiell Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zu Beachten ist die Sperrfrist von 3 Monaten (bzw. 1/4 der Anspruchsdauer aufgrund der Eigenkündigung) und das ich nur Geld erhalte, wenn ich in Deutschland wirklich auf Arbeitssuche bin, ergo also nach meiner Reise. Da ich innerhalb der letzten 5 Jahre mehr als 24 Monate gearbeitet habe, habe ich einen Anspruch von maximal 12 Monaten abzüglich der Sperrfrist von 3 Monaten = 9 Monate. Allerdings hoffe ich, dass ich bereits nach 1-2 Monaten eine neue Stelle habe und das nicht in Anspruch nehmen muss.

2. Ablauf:

30.09.2020 Kündigung (3 Monate Kündigungsfrist)
30.09.2020 Meldung bei der Agentur für Arbeit mit Beendigungsdatum des Arbeitsverhätnisses zum 31.12.2020 (Meldung erfolgt demnach fristgerecht 3 Monate vor der Arbeitslosgikeit)
01.12.2020 Reisestart (Aufgrund von Resturlaub kann ich bereits zum 01.12.2020 mit meiner Reise starten, falls Corona mir keine Probleme macht)
31.12.2020 Letzter offizieller Arbeitstag und damit Ende des Arbeitsverhältnis + Start der Arbeitslosigkeit am Folgetag
01.01.2020 Abmeldung bei der Agentur für Arbeit (Da ich im Ausland bin entfallen die Vorraussetzungen zum Bezug von Arbeitslosengeld. Die Sperrfrist läuft allerdings weiter.
31.03.2020 Ende meiner Reise
01.04.2020 Meldung bei der Agentur für Arbeit. Ab hier bin ich dann sozusagen offiziell arbeitslos und bekommen Arbeitslosengeld. Zudem läuft der typische Prozess wie Gespräche mit dem Arveitsvermittler, Bewerbungen usw.

Stimmen meine Annahmen und die Vorgehensweise?
Ist es außerdem richtig, dass wärend der Sperrfrist meine Krankenkassenbeiträge gezahlt werden, obwohl ich im Ausland bin?
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Radlerin

« Antwort #1 am: 30. Mai 2020, 18:14 »
Hallo Ivo,
deine Reise geht also drei Monate?
Alle Fragen kann ich dir nicht beantworten, aber ich kann dir empfehlen, dich nach der Kündigung telefonisch vom Arbeitsamt beraten zu lassen, man kann sich erst allgemein beraten lassen und dann einen persönlichen Telefontermin ausmachen.
Wie es jetzt mit der Sperrfrist ist, weiß ich nicht genau, ob die dann am 1.1 oder nach deiner Rückkehr beginnt. Das sagt dir das Amt.
Du kannst dich grundsätzlich drei Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit arbeitslos melden, anschließend kannst du dich telefonisch wieder abmelden. Du musst aber einmal persönlich hin. Und du musst dich innerhalb eines Jahres nach Ende der Beschäftigung arbeitslos melden. Diese Fristen sind dann kein Problem bei dir.
Zu 1 würde ich sagen, das ist richtig.
Zu 2 kann ich dir empfehlen, dich nicht allzu früh als arbeitssuchend registrieren zu lassen, sonst kriegst du schon im Oktober Stellenangebote. Das sagen die dir aber auch bei der telefonischen Beratung.

Die Sache mit den Krankenkassen Beiträgen hat sich wohl geändert, frag da lieber direkt nach.
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Vombatus

« Antwort #2 am: 30. Mai 2020, 18:27 »
Falls du es nicht schon gelesen hast, hier wird das Vorgehen und verschiedene Fälle ganz gut erklärt. https://weltreise-info.de/organisation/arbeitslosenversicherung.html Denke aber, dass du es schon richtig beschrieben hast.

Egal ob deine Krankenversicherung zahlt oder nicht, du solltest eine Auslandsreisekrankenversicherung abschließen, da deine normale KV in der Regel nicht die Kosten außerhalb der EU übernimmt. Wie von der Radlerin schon erwähnt, solltest du auf jeden Fall direkt bei der KV nachfragen.

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karoshi

« Antwort #3 am: 30. Mai 2020, 21:22 »
Ist es außerdem richtig, dass wärend der Sperrfrist meine Krankenkassenbeiträge gezahlt werden, obwohl ich im Ausland bin?

Wenn Du im Ausland bist, bist Du ja per Definition nicht arbeitslos. Da zahlt also auch niemand für Dich die Krankenkassenbeiträge. Du musst die Versicherung selbst zahlen, hast aber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Auslandskrankenversicherung als "anderweitige Absicherung im Krankheitsfall" anerkennen zu lassen und Dich für die Zeit der Reise von der KV zu Hause abzumelden. Siehe auch hier.
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reisefieber2019

« Antwort #4 am: 31. Mai 2020, 10:34 »
Du weist nicht was passiert wenn du wieder kommst. Kommt corona 2 oder corona die dritte. Bricht der Arbeitsmarkt Total zusammen. Vielleicht findest du nicht schnell genug den richtigen Job. Oder jemand bietet dir an ab als Beispiel im Oktober anzufangen und überlegt es sich dann anders. (Mein Kumpel grade passiert in der Art 2 Tage vor Arbeitsbeginn gekündigt )
Es gibt zu viel Ungereimtheiten die du nicht beeinflussen kannst deshalb empfehle ich dir ein ärztliches Attest zu holen und dadurch die Sperrzeit zu vermeiden.
Alles andere ware grade in der Situation aus meiner Sicht leichtsinnig.
Ich bin im Moment in Australien aber ich habe das Gefühl das die meisten gar nicht kapieren was noch auf uns zukommt bzw. nicht die Intelligenz haben es
Zu verstehen. Da zähle  ich mich auch zu.
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karoshi

« Antwort #5 am: 31. Mai 2020, 12:31 »
Alles andere ware grade in der Situation aus meiner Sicht leichtsinnig.
Aber es wäre immerhin legal. Ein falsches Attest, um die Sperrfrist zu umgehen, fällt dagegen in die Kategorie Sozialbetrug. Das scheint Ivo nicht vorzuhaben. Natürlich sollte er vernünftigerweise auch den Fall durchdenken, dass er nach der Reise nicht so schnell wieder was findet. Besser als so eine Trickserei ist es aber, für den Worst Case ein gewisses finanzielles Polster vorzuhalten.

Das soll jetzt nicht heißen, dass ich ein glühender Verfechter der deutschen Sozialgesetze und insbesondere der Sanktionen im ALG-Bereich bin. Aber es gibt sie nun mal, und ich wollte es nicht unkommentiert lassen, wenn Ivo hier etwas illegales empfohlen wird.

Um noch was konstruktives beizutragen: Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass tatsächlich Mobbing oder ein drohender Burnout (oder etwas vergleichbares) im Spiel sind. So etwas kann man sich ärztlich attestieren lassen, und das wird von den Arbeitsagenturen im Regelfall auch als "wichtiger Grund" für eine Eigenkündigung im Sinne des SGB anerkannt. In diesem Fall würde die Sperrfrist entfallen.

LG Karoshi
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Knud65

« Antwort #6 am: 31. Mai 2020, 15:33 »
Ich mag den Beitrag von Karoshi.

Wenn ich gerade durch die Welt reise, sehe ich welch ein gutes soziales Netzwerk wir in Deutschland haben und wie schlecht es doch in vielen Ländern ist. Aber unser System kann nur existieren, wenn es auch (nur) die Leute bekommen, die es wirklich benötigen und verdient haben. Also, es soll keiner durch unser soziales Rost fallen, wenn er unverschuldet in eine Notsituation kommt. Und hier gibt es bestimmt noch Verbesserungspotential.

Allerdings, die Leute, die hier unterwegs sind und sich über (längere) Reisen Gedanken machen und diese dann auch hoffentlich durchführen, gehören nach meiner Ansicht nicht dazu. Hier handelt es sich um eine bewusste Entscheidung eines jeden Einzelnen und jede Entscheidung hat auch Konsequenzen, die in die Betrachtung mit berücksichtigt werden sollte. Aber es kann nicht sein sich das deutsche Sozialsystem durch falsche Angaben zu seinem (ungerechtfertigten) Vorteil zurecht zu schummeln.
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IssoIvo

« Antwort #7 am: 31. Mai 2020, 17:59 »
Danke für eure Antworten!

Einen kleineren Fehler habe ich in meiner zeitlichen Planung noch identifiziert: Man sollte mind. 1 Tag (besser ein paar Tage länger) wirklich Arbeitslos - sein wegen des Anspruchs. Wenn ich also im Dezember bereits weg bin, dann kann ich den Anspruch so nicht adäquat durchsetzen. Dementsprechend müsste ich entweder das Startdatum anpassen oder gegen Ende Dezember kurz zurückkommen.

Hinsichtlich eines Attests sehe ich das ähnlich wie Karoshi. Die Sperrfrist und damit verbundenen Reduktion des Anspruchzeitraums sind ok, da ich mich selbst dafür entscheide. Der Gesetzgeber hat diese "Strafe" dafür vorgesehen. Ich gehe davon aus, dass ich nach meiner Reise innerhalb von 2-3 Monaten eine neue Stelle finden werden. Klar wenn die Welt in irgendeine Schieflage gert, dann kann sich das ändern aber dieses Risiko hätte ich dann eben auch zu tragen.

Vergessen darf man aber nicht, dass ich bereits seit einigen Jahren (auch schon vor meiner aktuellen Tätigkeit) eingezahlt habe. Die Entscheidung ob man einzahlen möchte (wie bei einer Versicherung, welche man abschließen kann aber nicht muss) gibt es bezüglich Arbeitslosengeld nicht. Dementsprechend würde ich auch prinzipiell nicht auf meinen Anspruch verzichten, egal ob dieser nun in einer eigenen Entscheidung begründet ist oder aufgrund von wirtschaftlichen Problemen entsteht.
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karoshi

« Antwort #8 am: 31. Mai 2020, 21:49 »
Einen kleineren Fehler habe ich in meiner zeitlichen Planung noch identifiziert: Man sollte mind. 1 Tag (besser ein paar Tage länger) wirklich Arbeitslos - sein wegen des Anspruchs. Wenn ich also im Dezember bereits weg bin, dann kann ich den Anspruch so nicht adäquat durchsetzen. Dementsprechend müsste ich entweder das Startdatum anpassen oder gegen Ende Dezember kurz zurückkommen.
Nein, da ist kein Fehler. Es macht zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen Unterschied, ob Du am Anfang mindestens einen Tag arbeitslos warst oder nicht, aber nur, wenn Du länger als ein Jahr reisen willst. Du planst im Moment mit 4 Monaten Reisezeit, da erfüllst Du bei der Rückkehr noch bequem die Anwartschaftszeit.

Vergessen darf man aber nicht, dass ich bereits seit einigen Jahren (auch schon vor meiner aktuellen Tätigkeit) eingezahlt habe. Die Entscheidung ob man einzahlen möchte (wie bei einer Versicherung, welche man abschließen kann aber nicht muss) gibt es bezüglich Arbeitslosengeld nicht. Dementsprechend würde ich auch prinzipiell nicht auf meinen Anspruch verzichten, egal ob dieser nun in einer eigenen Entscheidung begründet ist oder aufgrund von wirtschaftlichen Problemen entsteht.
Es hat hier glaube ich auch noch keiner gesagt, dass Du auf Deinen Anspruch verzichten solltest. Das Geld steht Dir zu. ALG1 ist ja im Gegensatz zu ALG2 keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung, da geht es nicht um Bedürftigkeit.
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Styles78

« Antwort #9 am: 02. Juli 2020, 16:12 »
Ja das passt so, hab ich bei meiner Weltreise 2019-20 ebenso gemacht, ein Tag solltest du wie du selbst erkannt hast, arbeitslos sein und dich dann abmelden.
Ich gebe Dir den Rat mit dem Mitarbeiter vom Arbeitsamt nochmal penibel durchzusprechen ob du alles notwendigen Papiere eingereicht hast, mir während meiner Reise passiert das noch 2 Bescheinigungen gefehlt haben, recht nervig wenn man sich von unterwegs darum kümmern muss.

Leg dich am besten ein E-Service Konto an bei der Arbeitsagentur, dann kannst du die Korrespondenz auch in dem Portal einsehen.



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