Thema: Hilfe - Weltreise vor dem Berufseinstieg?  (Gelesen 5319 mal)

Max1

« am: 10. April 2020, 13:37 »
Hallo zusammen.

Im Hinblick auf mein Anliegen erwarte ich gar nicht unbedingt konkreten Tipps, sondern erhoffe mir auch, dass jemand vielleicht einmal selber vor dieser Frage stand und mir berichten kann, wie er oder sie sich entschieden hat.

Ich bin 29 Jahre alt und habe nach meinem Abitur die letzten 8 Jahre studiert, was in meinem Fach -Rechtswissenschaften- auf Grund des ohnehin langen Studiums und des Referendariats "leider" fast normal ist. Nun, da ich komplett fertig bin, stehe ich vor der für mich schwierigen Frage, wie es nun weitergehen soll. Ich habe einen konkreten Berufswunsch und denke, dass ich mit diesem auch glücklich werden kann. Das ist also nicht das Problem. Dennoch hadere ich aktuell sehr damit, meine Bewerbung abzuschicken. Mit jedem Tag wird der Gedanke in mir lauter, dass ich vor dem Berufsbeginn noch einmal "richtig frei sein" möchte, denn ich fürchte, dass die momentane Zeit - Corona mal außen vor gelassen - die letzte vor der Rente sein wird, in der ich diese Möglichkeit haben werde. Zumindest für einen längeren, zusammenhängenden Zeitraum.


Meine Freundin und ich haben schon seit einigen Jahren immer wieder den Gedanken, dass wir unbedingt einmal ein paar Monate am Stück, also zB ein gutes halbes Jahr, ununterbrochen durch die Welt reisen würden. Wir haben die große Sorge, dass wir uns im Alter fragen werden, warum wir uns von unseren Sorgen haben bremsen lassen und es nicht einfach versucht haben.
Abgesehen davon, dass das Reisen aktuell für unbestimmte Zeit ja ohnehin nicht möglich ist, kommt hinzu, dass meine Freundin im Gegensatz zu mir mit ihrem Studium noch nicht ganz am Ende ist. Voraussichtlich wird sie Mitte , spätestens Ende nächsten Jahres genau wie ich fertig sein.

Ich stecke nun in einer ziemlichen Zwickmühle, über die ich mir seit vielen Tagen den Kopf zermartere und die mich ein wenig verzweifeln lässt. Einerseits fühle ich auf Grund meines Alters mittlerweile einen ziemlich starken Druck, nun doch endlich mal in das wirkliche Berufsleben in meinem Wunschberuf einzusteigen und Geld zu verdienen. Andererseits ist da dieser ständige Gedanke, dass ich es immer bereuen werde, nicht doch diesem Wunsch nach einem gemeinsamen längeren Auslandsaufenthalt nachgegangen zu sein. Der Beruf im öffentlichen Dienst, den ich mir ausgesucht habe, erlaubt zwar sogar die Möglichkeit eines Sabbatjahres, dies allerdings nur unter bestimmten Bedingungen und außerdem wäre dies extreme Zukunftsmusik. Realistisch gesehen wäre eine solche Auszeit frühestens in etwa 8 Jahren möglich.

Ich habe nun also zwei Möglichkeiten. Ich kann nun in meinen Wunschberuf einsteigen, mich verbeamten lassen, in diesem für die nächsten 35 Jahre arbeiten, etc. Oder ich suche mir einen anderen Job, der zu meinem Abschluss passt, und arbeite in diesem für etwa ein Jahr, bis meine Freundin auch fertig ist. Dann könnten wir unseren Traum verwirklichen und ich würde mich erst in etwa zwei Jahren für meinen Wunschberuf bewerben. Bei der zweiten Option habe ich allerdings die nicht ganz kleine Sorge, dass ich im Bewerbungsgespräch später schief angeschaut werde, wenn ich nach meinem langen Studium erst in einen anderen Beruf einsteige, dort ein Jahr arbeite, und dann für eine längere Zeit "Urlaub mache". Ich habe Sorge, dass man mich - auch wenn mein Lebenslauf bisher "geradlinig" war - gerade im öffentlichen Dienst in meinem Wunschberuf dann nicht mehr haben möchte, weil man an meiner Einstellung zum Arbeiten zweifelt. Zumal der Job, den ich mir jetzt zur Überbrückung für etwa ein Jahr suchen würde, voraussichtlich einfach nur zum Geldverdienen da wäre und mich im Hinblick auf meinen späteren Wunschberuf kaum weiterbringen würde.

Ich weiß nun einfach nicht, ob ich dieses "Risiko" eingehen soll, um mir später nicht vorwerfen zu müssen, in jungen Jahren nicht meinen Träumen nachgegangen zu sein. Hoffentlich versteht ihr, was ich meine.

Vielleicht kann mir der eine oder andere ja helfen, das würde mich wirklich freuen. Frohe Ostern!
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gismarett

« Antwort #1 am: 10. April 2020, 14:30 »
Hallo Max1,

ich glaube das sich sehr viele Personen auch die Frage nach einer möglichen Karriereeinschränkung stellen. Mir ging es damals auch so! Trotzdem war meine Situation insofern anders, als dass ich kein Job Angebot  vorliegen hatte (falls ich dich richtig verstanden habe).

Die Reise wird sicherlich kein Problem darstellen. Alles hat Vor- und Nachteile! Für die Reise sprechen aus beruflicher Perspektive: verbesserte Sprachkenntnisse, Lebenserfahrung, interkulturelle Kompetenz, Organisationsfähigkeiten, etc.
Dagegen das man ein Jahr später in den Beruf einsteigt und damit im Vergleich zu einem solchen Kollegen über 1 Jahr weniger Berufserfahrung verfügt.

Ich arbeite sehr viel mit Juristen und empfehle dir die Reise. Auf der einen Seite sind die Skills, welche man auf einer Reise lernt auch beruflich sehr viel wert. Meinen Legal Kollegen fehlt es hier oft an Weitsicht, Interkulturalität, Organisationstalent (sowie Projektmanagement) und vor allem an Sprachkenntnissen. Auf der anderen Seite ist eine Weltreise eine unglaublich schöne Erfahrung, etwas an das man sein ganzes Leben zurück denken kann, allerdings auch etwas das süchtig machen kann ;)


Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann könnt ihr erst in ca. einem Jahr starten. Du stehst hier allerdings vor der Herausforderung diese Zeit zu überbücken. Du kannst beispielsweise 1 Jahr als Anwalt in einer Big 4 oder eine Kanzlei einsteigen. Das wäre dann eine anderer Erfahrungshintergrund, welcher dir durchaus auch Vorteile verschaffen könnte. Insbesondere in einer Big 4 wirst du mehr als nur Legal lernen. Vermutlich weniger Litigation und mehr drum herum.

Diesen Weg haben viele meiner Kollegen eingeschlagen. Sie sind für ca. 1 Jahr in eine Big 4. Dort haben sie dann zum einen gelernt welche Vorgehensweisen Unternehmen anwenden bzw. welche Perspektive vertreten wird. Zudem auch viele weitere Skills wie IT-Kompetenz, Digitalisierung, unternehmerisches Denken, usw. Letztendlich wechselten die meisten dann allerdings direkt ins Gericht. Auch weil ihnen eine 50-60 Stundenwochen nicht gefallen hat.
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Max1

« Antwort #2 am: 10. April 2020, 14:45 »
Hallo gismarett, danke für deine Antwort! Ich könnte jetzt in die Justiz einsteigen, oder müsste eben die Zeit von etwa einem Jahr überbrücken, wie du schon richtig aus meinem Text herausgelesen hast. An die von dir genannte Option habe ich auch schon gedacht. Eine nicht so leichte Entscheidung. Es würde mir leichter fallen, wenn es jetzt direkt losgehen könnte, aber das funktioniert ja auf Grund mehrerer Gründe aktuell leider nicht. Aber ich werde es mir nochmal durch den Kopf gehen lassen. Danke!
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method

« Antwort #3 am: 16. April 2020, 12:04 »
Hi Max!
Meine kurze Antwort: Mach die Reise!
Warum?
Selbst wenn es später schwerer werden sollte, bin ich mir sicher, dass Du die Entscheidung etwas gemacht zu haben weniger bereuen wirst als die Entscheidung etwas nicht gemacht zu haben.
Der Beruf und das Berufsleben werden Dich ohnehin viele Jahre vereinnehmen. Was sind da schon ein paar Monate oder ein Jahr?

Nun etwas ausführlicher:
Kurz zu mir. Ich bin erst mit 36 Jahren losgezogen, weil zum einem mein Job mich nicht wirklich gepackt hat und zum anderen mich etwas rausgezogen hat in die Welt. Der Plan war 1-2 Jahre. Das war Juni 2016. Jetzt sitze ich daheim in Wien fest wegen Corona. Immer noch nicht fertig mit dem Reisen. Doch mittlerweile zum dritten Mal heimgekehrt. Eigentlich wollte ich die Reise mit meiner Frau bei dieser letzten Runde (gestartet Dez.2019) beenden. Pustekuchen!

Viel hab ich gehört von "mutig" oder "was kommt danach"?
Eigentlich uninteressant!
Keiner von uns hat in seiner Planung Coronavirus oder Covid-19 stehen.  ;)

Ich habe gelernt, dass zu weit in die Zukunft schauen und planen nicht viel bringt. Natürlich ist es sehr gut, dass Du Dir Gedanken machst. Aber stell Dir nur diese eine Frage: "Was kann schlimmstens passieren, wenn Du die Reise machst bzw. wenn Du die Reise nicht machst?"

Meine Antwort damals auf diese Frage war:
Wenn ich die Reise mache, komm ich zurück und bin eine Zeit lang arbeitslos. So what? Was das betrifft, sind wir in Österreich und Deutschland ganz gut abgefedert.
Wenn ich die Reise nicht mache, werde ich mich ein Leben lang fragen, was wäre wenn.

Deine Situation ist eine andere. Du hast noch nicht gearbeitet. Und doch geht es nur um die Frage, was das Schlimmste wäre, was passieren könnte. Wenn Du Dir das bewusst machst, wird Dir die Antwort viel leichter fallen.

Ich zum Beispiel denke mir sehr oft: "Wie geil wäre es gewesen, wenn ich zehn Jahre vorher gestartet wäre." Aber auf der anderen Seite bin ich einfach losgezogen und habs NIE bereut. Ich kenne auch keine/n im Forum, der/die es bereut hätte.

Abschließend würde ich sagen, dass es zur Zeit ohnehin besser wäre einen Job zu ergattern, um Kohle für die Reise zu horten. Noch BEVOR Du Auto, Wohnung, Fixkosten und ein "geregeltes Leben" hast. Wenn das alles mal am Start ist, dann wird es nur umso schwerer. So wie bei mir, aber ich hab es dennoch gemacht.  ;D ...und würde es wieder tun!  ;D ;D

Mit Corona kann man eh nicht reisen. Somit kannst du eh nicht abhauen. Aber Geld sparen.  ;)
Das würde ich tun, ohne Deine Situation voll zu kennen:
Sparen auf eine Reise. Reisen, so bald und so lange es geht.
Zurückkommen und Job suchen, Haus, Wohnung, Famile, Auto, etc...

Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja unterwegs eine Arbeit. Dann bleibst in Singapur oder Sydney hängen, und plötzlich hat sich deine Lebensplanung komplett geändert.  :)

Ach ja, und wenn Du dann beim Bewerbungsgespräch schief angesehen wirst (glaub ich jetzt eher weniger, da die meisten total fasziniert sind und dich beneiden werden), dann ist die Reise schon immer ein Teil Deiner Lebensplanung gewesen, um Deine eigenen Skills vor allem im Umgang mit Menschen und ungeplanten Situationen zu perfektionieren.

PS: Wenn Du jedoch unbedingt beamtet sein möchtest und von Anfang an ein geregeltes Leben führen willst, dann wähle den Job. Wähle die Reise und stürtze Dich ins Abenteuer Deines Lebens.  8)

PPS: No Risk no fun! #blöderspruch
Ich weiß nun einfach nicht, ob ich dieses "Risiko" eingehen soll, um mir später nicht vorwerfen zu müssen, in jungen Jahren nicht meinen Träumen nachgegangen zu sein. Hoffentlich versteht ihr, was ich meine.
Ich versteh Dich total! Wie gesagt, ich bin mit 36 los. Hatte dafür einen supersicheren Job bei Siemens gekündigt. Was kommt, wenn ich fertig bin? Keine Ahnung! Interessiert es mich? Ja, eigentlich schon, aber ich gebe diesem Gedanken sehr wenig Raum.
Wofür lebst Du? Für die Arbeit? Hoffentlich nicht. ;)
Lebe Deinen Traum! Das klingt kitschig, aber ist einfach so. Wenn Du mal am Sterbebett liegst, wirst Du darüber lächeln, dass Du es gewagt hast. Ganz sicher wirst Du Dir nicht denken, dass Du zu wenig Zeit im Büro verbracht hast.
Nutze das eine Leben, das Du hast! ;)

PPPS: Sorry, ich könnte ewig so weiterschreiben...  :o ::) :P
Greetz aus der Zwangspause!
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Beate

« Antwort #4 am: 16. April 2020, 12:41 »
Ich würde gerne hier mal eine andere Sichtweise beitragen. Das ist wahrscheinlich die Sichtweise einer "alten Frau", denn für die meistens hier könnte ich die Mutter sein, für einige auch die Grossmutter.

Ich stelle immer wieder fest, dass für die heutige "Jugend" immer alles gleich und sofort sein muss, vor allem das Reisen scheint keinen Aufschub zu dulden. Nur: weshalb? Ihr könnt doch alle auch in späteren Jahren Eure Träume noch verwirklichen. Was spricht dagegen?

Als wir in Eurem Altern waren (jaja, da spricht die Oma!!) wollten wir ja auch alle so schnell und weit weg wie irgendwie möglich. Nur war das Reisen damals noch nicht so einfach und billig wie jetzt und wir alle hatten wesentlich weniger Geld zur Verfügung (und auch keine Eltern, die uns unterstützen konnten). Also blieb uns allen nichts anderes übrig, als erst mal zu arbeiten und zu sparen. Das beinhaltete natürlich auch, dass man erst mal "sesshaft" wurde, sich einen guten Job suchte, Familie gründete. Und dann, als das Geld reichte, begann das reisen.
Auf diese Art konnte ich bisher schon 40 Jahre reisen, habe fast die ganze Welt gesehen, und habe wahrscheinlich in Summe mehr Reisetage insgesamt als die meisten hier im Forum.

Und habe trotzdem alle Sicherheiten fürs Alter!!!

Denn das ist der Punkt, der mir an einigen Kommentaren hier gar nicht gefällt: da bleibt die Zukunfts-Vorsorge total auf der Strecke. Rente ansparen??? Bah, wer wird denn an sowas denken!!! Und das sind dann genau DIE Fälle von Altersarmut, die ja, wie erwähnt, in Deutschland trotzdem sehr gut abgefedert werden. Ja, von wem denn? Vom Staat?? Klar, von all den "Blöden", die einer geregelten Arbeit nachgegangen sind und dann immer noch nachgehen. Die Anderen haben Ihr Leben gelebt, ohne Gedanken an später, und legen sich dann faul in die soziale Hängematte. Tut mir leid, wenn das jetzt etwas böse rüberkommt.

Und da Max anscheinend zu den vernünftigeren Zeitgenossen zählt, denn er macht sich wirklich Gedanken, würde ich ihm raten, erst einmal auf seine Karriere zu schauen. Er kann dann später immer noch ein Sabbatical nehmen (oder auch zwei oder drei!) ohne grosse Einbussen zu haben. Und wird dann wahrscheinlich die Reisen noch mehr geniessen können, da er ja auch mehr Geld zur Verfügung hat.
Die einzige Bedingungen: mit dem Reisen nicht zu lange warten. Wenn man erst mit 50 Jahren die erste Langzeitreise antreten will, hat man wahrscheinlich viel zu viele Bedenken, bzw, ist schon zu träge geworden.

Beate




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method

« Antwort #5 am: 16. April 2020, 13:15 »
Ohne jetzt gemein rüberkommen zu wollen, denke ich nicht, dass eine Auszeit von einem Jahr (oder auch zwei) jemanden direkt in die Altersarmut treibt. Wir reden von einem Jahr Reise gegenübergestellt zu 30-35 Jahren Arbeit.

Wenn jemand sparen kann, wird er/sie das auch tun. Egal wofür - ob nun die Rente für später oder die Reise für jetzt... oder beides! :)
Das Eine schließt doch das Andere nicht aus.

Und eine Langzeitreise ist etwas ganz Anderes als 3-4 Wochen unteregs sein. Hat man mal einen guten Job, will man den auch logischerweise nicht hergeben. Und je älter man wird, umso schwerer wird eine Langzeitreise (aus bekannten Gründen).  ;)
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Beate

« Antwort #6 am: 16. April 2020, 14:00 »
Und je älter man wird, umso schwerer wird eine Langzeitreise (aus bekannten Gründen).  ;)

Das habe ich ja auch erwähnt.

Und eine Auszeit von 1 Jahr wird niemand in die Altersarmut treiben, da hast Du ja Recht. Aber muss diese AUS-Zeit gleich am Anfang einer Berufstätigkeit sein? Mit dem Risiko, dann bei der Rückkehr keinen angemessenen Job zu finden? Das Risiko ist ja gerade in der heutigen Zeit nicht unbedingt klein. Und dadurch ist dann die Altersarmut vorbestimmt. (Es sei denn, Euch erwartet ein grosses Erbe).

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dirtsA

« Antwort #7 am: 16. April 2020, 14:44 »
Naja, er ist ja nicht alleine, Beate. Und in 99,9% der Firmen kann man nicht so einfach ein Sabbatical nehmen, wie er als Beamter vielleicht später noch kann. Schöner ist es ja, zusammen mit der Freundin unterwegs zu sein. Und dass es später bei beiden gleichzeitig nochmal ideal passt für ein Sabbatical, ist eben relativ unwahrscheinlich. Da muss meistens einer gerade den Traumjob aufgeben oder aber einer alleine losziehen oder es kommt sogar zur Trennung! Da ist es um ein Vielfaches einfacher, wenn man noch keine grossen Verpflichtungen angefangen hat.

Ob man nach der Rückkehr lange arbeitslos wäre, kann man wirklich nicht pauschal sagen. Das hängt vom Job und der eigenen Person ab. Ich hab's 2mal gemacht und es hat bei mir beide Male nicht länger als 1 Monat gedauert, bis ich wieder einen Job hatte. Auch kenne ich in meinem Freunden- und Bekanntenkreis nur eine Frau, die je länger als 3 Monate am Stück arbeitslos war. Und da ist berufstechnisch alles recht bunt gemischt dabei - ABER alle mit Studium. Keine Ahnung, ob es vielleicht das ist, was einen Unterschied macht und meine Wahrnehmung anders als deine macht.

Naja, Pension... ich glaube ja nicht daran, dass unsere Generation noch sehr viel davon sehen wird - und so geht es wohl den meisten. Wir werden sowieso v.a. privat vorsorgen müssen (ob das per Anlage oder Immobilien oder sonst was ist). Ob man das nach oder vor 1 Jahr reise beginnt, macht das Kraut nicht fett.

Von daher schätze ich das Risiko minimal ein und würde mir für 1 Jahr einen Job suchen, der sich halbwegs gut in meinem Lebenslauf macht und dann mit der Freundin los. Vielleicht dauert es danach ein paar Monate länger zum Traumjob, oder er muss erst mal in den alten Job zurück, während er sich weiterhin um den Traumjob bewirbt. Aber mit etwas Geduld sollte das doch klappen. (Und aus meinen Erfahrungen braucht man nicht mal so viel Geduld denke ich...)
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karoshi

« Antwort #8 am: 16. April 2020, 14:51 »
Was die Chancen auf einen angemessenen Job nach der Reise angeht, sehe ich nicht den großen Unterschied zwischen einer Auszeit vor dem Berufseinstieg oder nach ein paar Jahren. Wer als Berufsanfänger wegen der Auszeit keine Arbeit bekommt, hätte wahrscheinlich später auch Probleme.

Aber natürlich sehe ich Deinen Punkt, Beate. Du bist ja ein gutes Beispiel, dass es auch anders geht. Wobei ich jetzt nicht weiß, ob Du in Deinen 40 Reisejahren auch mal richtig lange Reisen (so ab 6 Monate) dabei hattest. Denn wie Max schreibt, geht es ihm ja darum, ein Zeit lang "frei" zu sein. Und das geht meiner bescheidenen Meinung nach auf einer kurzen Reise tendenziell nicht so gut wie auf einer langen. (Ausnahmen bestätigen die Regel: wer eine Langzeitreise komplett durchtaktet, wird sich weniger frei fühlen als jemand, der alleine mit dem Motorrad 3 Wochen durch Kanada fährt.)

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin auch bei der Machs-lieber-jetzt-Fraktion, allerdings ist das nicht ganz so schwarz-weiß, wie man vielleicht denken könnte. Dazu kann ich die üblichen Gepflogenheiten in Max's Wunschberuf zu wenig einschätzen. Wenn die Behörde sehr konservativ ist, könnte die Sabbatical-Variante schon wieder sehr attraktiv erscheinen. Vorausgesetzt natürlich, dass dann in den mindestens 8 Jahren bis dahin nicht z.B. Kinder ins Spiel kommen. Das wäre dann wieder eine ganz andere Art des Reisens.
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Max1

« Antwort #9 am: 16. April 2020, 14:53 »
Vielen Dank für alle eure Antworten. Es hilft mir sehr, hier verschiedene Sichtweisen kennezulernen.

Der Gedanke, dass ich dann in etwa, 1,5 bis 2 Jahren Probleme bei der Bewerbung für meinen Wunschberuf "Probleme" bekommen bzw. schief angeschaut werden könnte, ist genau der Grund, der mich zweifeln lässt. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Personaler eine lange Reise als Bereicherung für den Charakter erachten und somit keinerlei negative Schlüsse für den Bewerber ziehen. Andererseits gibt es sicher auch Menschen, die das anders sehen. Es bliebe für mich eben ein gewisses Risiko, das ich eingehen müsste. Andererseits ist die Arbeitsmarktsituation in meinem Bereich aktuell zum Glück äußerst gut (und wird es auch trotz Corona auch noch in 2 Jahren sein), sodass ich aller Voraussicht nach keine Probleme haben dürfte, generell einen Job zu finden. Es bleibt eben das kleine Fragezeichen hinter der Frage, ob es genau der Beruf in der Justiz werden könnte, den ich mir auf lange Sicht wünsche.

Die Frage, warum ich nicht einfach erst einmal 5-10 Jahre warte und dann ein Sabbatjahr nehme, ist eine gute Frage, die ich mir auch gestellt habe bzw. stelle. Sollten sowohl meine Freundin als auch ich in den öffentlichen Dienst gelangen, dann stünde uns ein solches Sabbatjahr tatsächlich zu und bei normalem Laufe der Dinge könnten wir uns unseren Traum dann in etwa 7-8 Jahren verwirklichen. Es bleibt da nur der Gedanke, dass ich gar nicht wissen kann, was in den ganzen Jahren passiert. An den schlimmsten Fall, dass jemand von uns ernsthaft krank wird, möchte ich nicht denken, aber ausgeschlossen ist so etwas natürlich auch nie. Und ich möchte tatsächlich nicht in dem Moment dann denken, dass wir es vor 10 Jahren hätten versuchen sollen, als wir es noch konnten.

Während ich schreibe, klingt es so, als hätte ich mich schon entschieden. Dem ist nicht so. Mir fällt diese Entscheidung unheimlich schwer und sie bereitet mir Kopfzerbrechen.  Ich werde noch ein paar Tage abwägen und mich dann entscheiden müssen.
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GschamsterDiener

« Antwort #10 am: 16. April 2020, 14:54 »
Der Zusammenhang zwischen einem um 1 Jahr späteren Jobeintritt und Altersarmut erschließt sich mir nicht. Ganz im Gegenteil. Man ist 1 Jahr älter, aber auch um eine Weltreiseerfahrung reicher. Weltreise bedeutet auch Projekterfahrung und Fremdsprachen. In Summe der bessere Kandidat.

Ich weiß nicht, ob es schon eine Untersuchung zu den Ursachen von Altersarmut gibt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass "Reisen" ein Grund sein könnte.
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dirtsA

« Antwort #11 am: 16. April 2020, 14:54 »
@Beate - Ich finde es total toll, dass ihr in eurem Alter (soll jetzt nicht blöd klingen!!) noch solche Reisen machen könnt, Beate! Aber bei vielen geht das eben leider nicht und viele sterben auch schon vor der Pension. Was ist einem wichtiger? Ein paar Euro mehr in der Pension zu haben und dann (hoffentlich) eine längere Reise machen zu können oder sich einen Traum zu erfüllen, danach vielleicht schlimmstenfalls ein paar Jahre verschiedene Jobs zu haben bis man im Traumjob ankommt, und 1 Jahr weniger für die Pension angerechnet bekommen?

Ich würde ja nichts sagen, wenn Max sagen würde, dass die Reise ihm zu 100% die Chance auf den Traumjob nimmt. Oder wenn er sagen würde, dass er in seinem Arbeitsfeld nur schwer Jobs finden kann. Aber das scheint ja beides kein so ein Problem zu sein. Von daher...??

Wenn man erst mal ein paar Jahre gearbeitet hat, ist alles viel schwieriger: Man will vielleicht die Karriere nicht aufgeben (nicht immer ist ein Einstieg genauso einfach wieder möglich), hat vielleicht ein Haus gekauft und einen monatlich hohen Fixbetrag an Kredit zu bezahlen oder aber verschiedene Kündigungsfristen etc. etc. Ein Start einer Langzeitreise geht einfach nie mehr so einfach, wie direkt nach der Schule, dem Studium, oder eben einem erst mal vorübergehenden Einstieg in die Arbeitswelt in einem Job, den man eh nicht behalten will.

Und eine Langzeitreise ist einfach was Einmaliges und kann niemals mit einem 2-3 wöchigen Urlaub mithalten (ja, bei den allermeisten Firmen bekommt man leider nicht mehr als 2-3 Wochen am Stück frei und selbst wenn Max 5 Wochen nehmen kann, kann seine Freundin ja evtl. immer nur 2 nehmen in ihrem zukünftigen Job). Klar kann man über sein Leben hinweg auch viiiiiele tolle Reisen in 2-3 Wochen unternehmen! Aber das Gefühl einer Langzeitreise, die Zeit, richtig in ein Land einzutauchen,... das ist halt einfach was ganz anderes.
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dusduck

« Antwort #12 am: 16. April 2020, 14:57 »
Vielleicht hast du auch nur die normale Angst vor dem nächsten Lebensabschnitt?  ;) Sorry to say
Du kannst auch noch Sabbiticals während deines Berufsleben machen, das geht in laufenden Jobs (kenne inzwischen viele, die gemacht haben) oder zwischen zwei Jobs. Es ist also nicht so, dass du danach nie wieder wegkannst.
Allerdings sind die 30er die Rushhour des Lebens, Jobeinstieg, Karriereschritte, Heirat, Kinder und Hausbau etc machen die meisten Akademiker in genau dieser Zeit.
Wenn es zu deiner festen Lebensplanung gehört, 3 Kinder mit fettem Haus im Vorort zu haben, dann vielleicht besser jetzt. Zwischen Kind 2 und 3 und dem Ausbau eines Hauses machst du eher nicht.
Lange Rede: Es ist weniger vom Job abhängig, Sabbiticals kann man immer machen.
Und nun zu Corona, schwierig:
Weite Reisen dieses Jahr, glaube ich nicht. Nächstes Jahr wohl besser, aber ob das dann schon genauso easy sein wird, wie die letzten Jahre hmm, besonders falls es dann noch keinen breiten Zugriff zu einer Impfung gibt.
Ich fürchte es könnte erstmal länger eine saure Gurkenzeit sein vor allem für Berufsanfänger.  Das gab es ja jahrelang nicht, und kann einem die Lebensplanung auch erstmal verhageln, wenn man erst mal nicht durchstarten kann (sei es für Reisen oder Job), obwohl man es will. Also unterschätze nicht, wenn du jetzt einen konkreten guten Jobeinstieg hast, das auch zu nutzen und Geld zu sparen.
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dirtsA

« Antwort #13 am: 16. April 2020, 15:04 »
Das Thema scheint ja zu polarisieren ;) Und ich finde es auch spannend, andere Gedankenansätze zu lesen. Worüber ich mir selbst nie Gedanken gemacht habe. Bei mir ist es aber auch so, dass ich bestimmt nie einen "Traum"job haben werde, sondern dass ich halt arbeite, um zu leben. Vielleicht kann ich es deshalb nicht nachvollziehen, dass einem die kleine Chance, exakt einen bestimmten Beruf doch nicht (sofort) zu bekommen, die Idee einer Langzeitreise nehmen könnte.

Die Haus/Kinder-Frage spielt für mich tatsächlich eine grosse Rolle (die du uns natürlich hier im Forum nicht beantworten musst). 8 Jahre lang arbeiten und in einer Mietwohnung sitzen wäre für mich Geld aus dem Fenster... in dem Fall würde ich lieber etwas kaufen und somit schon mit der Abbezahlung beginnen. Aber vielleicht seid ihr ja auch der Typ, der lieber kein Eigenheim und keine Kinder möchte, kenne ich auch von Freunden! Hängt auch davon ab, wie alt deine Freundin ist wenn/falls ihr Kinder wollt. Jeder denkt da anders darüber und hat individuelle Zukunftspläne.
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Beate

« Antwort #14 am: 16. April 2020, 16:05 »
""viele sterben auch schon vor der Pension."""

Deshalb habe ich ja auch geschrieben, dass man nicht zu lange mit der ersten grossen Reise warten soll. Wir kennen auch solche Leute, die jahrzehntelang immer sagten, diese oder jede Reise würden sie machen, wenn sie in Rente sind. Als es dann soweit war, waren sie viel zu müde und zu ängstlich dazu.

Wir haben mit Mitte Dreissig zum Reisen angefangen. Erst mal die üblichen 4 Wochen. Dann später hat mein Mann mit seinem Arbeitgeber eine Teilzeit-Variante vereinbart, die es bis dahin in dieser Weltfirma noch nie gab: 11 Monate arbeiten, 1 Monat bezahltes Sabbatical, dafür jeden Monat 1/12 weniger Gehalt. Das hat uns dann, zusammen mit dem Jahresurlaub, jedes Jahr 9 - 10 Wochen Reisezeit geschenkt, die wir auch voll genutzt haben. Und ganz ehrlich: länger am Stück hätte ich auch nicht unterwegs sein wollen.


""Der Zusammenhang zwischen einem um 1 Jahr späteren Jobeintritt und Altersarmut erschließt sich mir nicht"""
Dieser Zusammenhang besteht ja auch nicht. Sondern eher dieser: wenn man von einer solchen Reise zurückkommt wird es sehr schwierig, wieder einen gut bezahlten Job zu bekommen. Wir können ja nicht davon ausgehen, dass die gute Arbeitsmarktlage so weitergeht wie bisher. Und mit einem schlecht bezahlten Job ist logischerweise auch die spätere Rente wesentlich niedriger.
Wir haben leider in der Familie einige Mitglieder, die sich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser gehalten haben und jetzt im Alter wirklich jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Und das wünsche ich niemanden.

Da bin ich doch eher bei Dusduck:
"Also unterschätze nicht, wenn du jetzt einen konkreten guten Jobeinstieg hast, das auch zu nutzen und Geld zu sparen."


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