Ostersonntag, 31.03.2024Zum Frühstück gibt's belegte Brote und fürs Auto eine Wäsche. Lange hält es allerdings nicht vor, die nächste Piste kommt bald.
Wir erreichen Daugavpils, die zweitgrößte Stadt Lettlands zeitlich passend zur Messe.
In ihrer Geschichte hatte die Stadt schon viele Herren: Letten, Litauer, Russen, Polen, Schweden, Sachsen, wieder die Russen... Dementsprechend viele Konfessionen haben hier gebaut. Wir sehen unter anderem eine katholische, eine evangelische, eine orthodoxe und eine Kirche der Altgläubigen. Es gibt aber noch deutlich mehr. In einem Umkreis von 500m habe ich nicht weniger als neun Kirchen gezählt. Und alle sind gut besucht. Für einige ist ja Ostersonntag. Fotos von drinnen sind aber kaum möglich. Die Babuschkas am Eingang gucken streng.
(Noch einmal die grüne Synagoge in Rezekne)
Seit Ende des 19. Jh. hat das Zarenreich und nach 1945 die Sowjetunion eine starke Russifizierungspolitik betrieben. Heute ist Daugavpils in der EU die Stadt mit dem größten russischsprachigen Bevölkerungsanteil.
Da Daugavpils im Laufe der Geschichte so stark umkämpft war, liegt es auch nahe, dass es hier eine Festung gibt. Dort fahren wir auch noch einmal durch und stellen fest, dass sich hier das Mark-Rothko-Museum befindet. Der später in die USA emigrierte Maler stammt aus Daugavpils.
Beim Durchklicken der Karte sehen wir, dass es in der Nähe ein fotogenes Dreiländereck gibt. Da sollten wir doch mal vorbeifahren! Auf dem Weg dorthin geht's wieder ein paar Kilometer auf die Piste. Doch irgendwann ist der Weg so holprig und ausgefahren, dass wir uns entscheiden umzukehren. Eine Minute später sehen wir auch schon das Blaulicht hinter uns.
Die Polizei fragt erst sich und dann uns, was wir hier im Nirgendwo wollen. Die rufen dann den Grenzschutz und wir kommen so langsam ins Schwitzen. Aber nicht wegen der Situation, sondern weil es mittlerweile 24°C sind. Die Beamten sind sehr nett. Es dauert eine Weile und wir kommen ins Gespräch. Sie erzählen, dass zahlreiche Elche und Wildschweine in der Nähe unterwegs sind. Leider lässt sich keiner blicken.
Auch der Grenzschutz ist sehr nett und entschuldigt sich noch, dass wir jetzt den Stress mit den Formularen und Anhörungsbögen haben. Es wird wohl eine Verwarnung geben, aber wir dürfen weiterfahren. Wir hatten halt nicht bedacht, dass Belarus immer wieder illegale Migranten über die Grenze schleust. Da ist man hier nun etwas wachsamer.
Ein paar Kilometer weiter nehmen wir dann die offizielle Grenze und sind nun wieder in Litauen und wir fahren und fahren… weite Wälder, holprige Straßen, viele Störche und österlich dekorierte Dörfer…
Wir kommen u.a. am Städtchen Ignalina vorbei. Früher gab es hier ein Atomkraftwerk vom Typ Tschernobyl. Beim Hochfahren waren es die stärksten Reaktoren der Welt. Allerdings auch die gefährlichsten. Die Inbetriebnahme war politisch festgelegt, obwohl der Bau noch nicht wirklich fertig war. U.a. die Raumbeleuchtung hat gefehlt, sodass sie Wartung mit Taschenlampen durchgeführt wurde. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Litauen Dank des Kraftwerks das Land mit dem höchsten Anteil an Atomstrom weltweit (ca. 88%). Eine Voraussetzung für den EU-Beitritt Litauens war, das Kraftwerk Ignalina abzuschalten.
Tja, wer nun glaubt, wir sind die ganze Zeit in Osteuropa unterwegs, der irrt gewaltig. Wir sind gerade einmal erst in der Mitte Europas angekommen. Es gibt es eine ganze Reihe Orte, die sich mit diesem Titel schmückt. Manche sagen bei Dresden, in der Slowakei, der Ukraine, Ungarn, Tschechien oder Belarus. 1989 hat das französische Institut géographique national den Flächenschwerpunkt Europas etwas nördlich von Vilnius berechnet. Dabei begrenzen sie Europa mit Spitzbergen im Norden, den Kanaren im Süden, den Azoren im Westen und dem Uralgebirge im Osten.
Kurz darauf erreichen wir nun auch Vilnius, die litauische Hauptstadt. Unser Appartement liegt mitten in der Altstadt. Dass hier ein eigener, kostenfreier Parkplatz dabei ist, grenzt schon fast an Luxus.
Es ist noch immer angenehm warm, keine Jacken nötig. Was für eine Wohltat nach dem Wetter der letzten Tage. Wir starten unseren Nachmittagsspaziergang im Stadtteil Užupis. Der war früher hauptsächlich jüdisch besiedelt, was sich im II. Weltkrieg ja leider änderte. Bis dahin war Vilnius eine der größten jüdischen Städte überhaupt. Die Sowjets zerstörten später auch den jüdischen Friedhof. Danach verkam das Viertel immer mehr und wurde zum am meisten vernachlässigten Stadtteil von Vilnius. Hausbesetzer, Kriminelle, Obdachlose und Prostituierte übernahmen die Häuser. Nach der Unabhängigkeit Litauens 1990 wandelte Užupis sich zum Künstlerviertel, quasi ein litauisches Montmartre und erklärte seinerseits die Unabhängigkeit von Litauen. Wir lassen den Pass abstempeln, lesen die Verfassung und posieren mit einer fetten Katze, dem Maskottchen der Republik.
Wahrscheinlich ist es nicht nur für uns der erste richtig warme Tag. Auch halb Vilnius scheint auf den Beinen zu sein, um die Wärme im Bernhardiner-Park zu genießen. Gleich um die Ecke besteigen wir den Gediminas-Hügel, auf dem sich die Reste der Oberen Burg von Vilnius befinden. Vom Gediminas-Turm, dem letzten Überbleibsel der Burg, breitet sich ein großartiges Panorama vor uns aus. Der Turm ist benannt nach Gediminas, Großfürst von Litauen (1275-1341). Er selbst sah sich als König der Litauer und Ruthenen. Nach einer Zeit der Wirren war er wieder ein mächtiger Führer, der zahlreiche Gebiete unter seine Kontrolle brachte. U.a. Das Kiewer Rus wurde zum Protektorat Litauens.
Am Fuß des Burgbergs steht der zweite große Herrscher Litauens vor dem Nationalmuseum: erst Fürst, dann Großfürst und schließlich sogar König Mindaugas (1203-1263). Er war es, der die fünf Fürstentümer Litauens zu einem Staat einte. Sein angenommener Krönungstag ist heute offizieller Feiertag in Litauen.
Gleich daneben ist die Kathedrale St. Stanislaus. Sie ist die älteste Kirche auf litauischem Gebiet. Sie wurde wohl schon von Mindaugas errichtet, der sich aus politischen Gründen 1251 hat taufen lassen, die tatsächliche Christianisierung Litauens erfolgte jedoch erst über 100 Jahre später.
Abendessen gibt’s später im Etno Dwaras. Da haben wir schon in Klaipeda gegessen und es war heute genauso gut, wie beim letzten Mal.