Bist Du der Meinung, eine Weltreise sei wie ein Urlaub, nur viel länger? Dann wirst Du unterwegs die eine oder andere Überraschung erleben. Es gibt nämlich eine Reihe von wichtigen Unterschieden, die Du vorher kennen solltest.
Hattest Du in Deinem Leben jemals eine längere Phase, in der Du tun und lassen konntest, was Du wolltest? Wo nicht schon der nächste Termin, die nächste Verpflichtung das Denken dominierte? Wo Du keine Anweisungen durch Erziehungsberechtigte, Lehrpersonal, Vorgesetzte oder Behörden bekommen hast? In der Du nicht durch Schulpflicht, Wehrpflicht, Studienordnungen oder Ausbildungs- und Arbeitsverträge das Gefühl hattest, einfach nur zu funktionieren?
Eine Weltreise ist so eine Phase. Stell Dir vor, Du wachst jeden Morgen auf und entscheidest dann selbst, was Du tust. Nur Du. Das ist eine faszinierende Vorstellung, aber auch eine, die Angst machen kann. Wir alle haben mit der Zeit verlernt –oder es vielleicht sogar nie gelernt–, einfach dem Lauf der Dinge zu folgen. Wir neigen dazu, unsere Zeit möglichst effizient zu verplanen, und diesem Plan auch dann zu folgen, wenn wir eigentlich etwas ganz anderes machen möchten.
Eine Weltreise ist dann am besten, wenn Du lernst, in Dich hinein zu horchen und das zu tun, was in diesem Moment das Richtige ist, und nicht um jeden Preis das, was Du Dir einmal vorgenommen hattest. Die Fähigkeit, die absolute Freiheit auch zu nutzen, müssen sich aber die meisten auf ihrer Reise erst mühsam erarbeiten. Die ersten Wochen fühlen sich noch nicht 'frei' an, aber nach und nach kommt es — und zwar zu einem Zeitpunkt, wo "normale" Urlauber längst wieder im Alltag feststecken.
Dann bist Du im Fluss.
Leider hat der schöne Zustand auch einmal ein Ende, und zwar dann, wenn ein unverrückbarer Termin naht. Einige Wochen vor dem Ende der Reise verändert sich das Denken wieder, und Du kehrst zum alten Verhalten zurück. Übrigens gilt das auch für nicht umbuchbare Flüge zwischendurch und lange im Voraus geplante Treffen mit Freunden und Familie.
Auf einer Langzeitreise –und eine Weltreise sollte eine Langzeitreise sein– ist eine andere Schlagzahl erforderlich als auf einer kurzen Reise.
Wenn Du jeden Tag mit den tollsten Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten verplanst und ständig von Ort zu Ort unterwegs bist, bekommst Du nach spätestens 3-4 Monaten einen so genannten Travel Burnout. Du kannst einfach keine neuen Eindrücke mehr aufnehmen und verlierst die Lust zum Reisen. Das lässt sich vermeiden, wenn Du Dir darüber im Klaren bist, dass es sich hier –im übertragenen Sinne– um einen Langstreckenlauf handelt und nicht um einen Sprint. Du musst also langsam reisen und immer wieder Pausen einlegen. Übrigens siehst Du dadurch nicht weniger, sondern mehr — wenn auch nicht unbedingt nur Postkartenmotive.
Durch das langsame Reisetempo hast Du die Möglichkeit, die bereisten Länder nicht nur zu sehen, sondern auch etwas besser kennen zu lernen. Es ergeben sich viel mehr Kontakte zu Einheimischen, und zwar nicht nur zu Mitarbeitern der Tourismusindustrie.
Auch wichtig: Du kannst immer mal wieder Dinge machen, die nicht zum Standard-Reiseprogramm gehören, z.B. Kurse oder Mitarbeit in Hilfs- und Tierschutzprojekten.
Last not least ist Zeit die wichtigste Voraussetzung, um sich von den ausgetretenen Pfaden zu entfernen. Der Tourismus ist nach wie vor eine Wachstumsbranche, und auf der Suche nach den letzten Paradiesen dringen die Reisekonzerne immer weiter in früher unberührte Gebiete vor. Wenn etwas schön und leicht zu erreichen ist, dann ist es in kürzester Zeit für den Massentourismus erschlossen. Mit der Folge, dass die tatsächlichen Paradiese immer abgelegener sind und nur durch Einsatz von mehr Zeit oder Geld erreicht werden können.
Ein erstaunlich großer Teil der Reise geht für Routinetätigkeiten drauf. Die meisten Leute brauchen mindstens einen Tag pro Woche, um solche Dinge zu tun wie:
Dazu kommt natürlich noch die Zeit für das Herumreisen, also lange Bus- oder Zugfahrten, Zimmersuche, Gepäck ein- und auspacken...
Da wirkt es wie ein Urlaub von der Reise, einfach mal für ein paar Tage nicht in Bewegung zu sein. Keine Besichtigungen, kein Rucksackpacken, keine Busterminals. Statt dessen vielleicht einfach mal in der Hängematte liegen, eine lokale Tageszeitung lesen, ins Kino gehen, durchs Dorf flanieren oder mit dem Restaurantkellner plaudern.
Während es auf einer kürzeren Urlaubsreise kaum etwas ausmacht, wenn Du mal über die Stränge schlägst und es so richtig krachen lässt, ist auf einer Weltreise die Einhaltung eines –normalerweise knappen– Budgets extrem wichtig. Deshalb denken Langzeitreisende sehr viel an Geld.
Negativ daran ist, dass das Wort 'cheap' mit der Zeit das wichtigste in Deinem Wortschatz werden kann. Eigentlich schade. Ganz frei machen kann sich von dieser Entwicklung niemand, aber wenn Dir die Gefahr bewusst ist, kannst Du wenigstens versuchen, gegenzusteuern. Wenn Du es allerdings nicht tust...
Auf der anderen Seite gibt es auch den positiven Effekt, dass Du Dich in vielen Fällen verhalten musst wie die Einheimischen, um Geld zu sparen. Du musst mit denselben Verkehrsmitteln fahren, in denselben Restaurants (oder Marktständen) essen, in landestypischen Unterkünften wohnen und einheimische Produkte kaufen. Dadurch ist die Versuchung gering, die in vielen Ländern existierende parallele Infrastruktur für Touristen zu nutzen, die einen zuverlässig von Land und Leuten abschirmt.
Der Aufwand für die Vorbereitung einer Weltreise ist um Größenordnungen höher als für eine normale Urlaubsreise. Die einen planen etwas mehr, die anderen etwas weniger; aber netto wirst Du mit mindestens 30-50 ganzen Tagen rechnen müssen. Die meisten Leute steigen etwa 6 Monate vor der geplanten Abreise in die konkrete Vorbereitung ein, damit nicht alles am Ende auf einmal kommt. Um eine Vorstellung zu bekommen, solltest Du mal einen Blick auf die Vorbereitungs-Checkliste werfen. Kleiner Trost: Die Planung einer Weltreise macht sehr viel Spaß.
Das Aufstellen eines ungefähren Reiseplans ist kompliziert, denn Du hast einerseits sehr viele Freiheitsgrade und andererseits sehr viele –teilweise nicht offensichtliche– Einschränkungen, die sich in erster Linie aus den unterschiedlichen Routingmöglichkeiten für Round-the-World-Tickets, den Klimazonen, dem benötigten Zeitaufwand für einzelne Aktivitäten, stark unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in verschiedenen Ländern oder restriktiven Visumvorschriften ergeben. Stell Dich darauf ein, dass Du Deinen Plan mehrmals ändern musst, bevor er tragfähig ist.
Zusätzlicher Aufwand ergibt sich aus der Tatsache, dass Du für einen längeren Zeitraum nicht zu Hause sein wirst. Es reicht also nicht, dem Nachbarn die Wohnungsschlüssel zum Blumengießen und zum Leeren des Briefkastens zu geben, sondern Du musst vieles organisieren.