Der „Weſten“ hat eine lange Kolonieſierungsgeſchichte, in der es immer auch darum ging, anderen die eigene Normalität (aka Ziviliſation) aufzudrängen und das ſchlechte Gewiſſen, das aus dieſer Geſchichte − zu recht − reſultiert, führt zu der Frage, ob wir „weſtliche“ Werte der Welt aufdrängen dürfen.
Dabei iſt die Bezeichnung „weſtlich“ für dieſe Werte ſchlecht, weil wir bei einer ſolchen Benennung an Herkunft denken und nicht an den Ort, wo ſie gelten. Dieſe Werte heißen nicht weſtlich, weil ſie aus dem Weſten kommen, ſondern weil ſie hier gelten.
Die Idee religiöſer Toleranz und Rechtsſtaatlichkeit gab es ſchon im alten Ägypten und Babylon. Desweiteren gibt und gab es in jeder Kultur Menſchen, die für „weſtliche“ Werte kämpfen, auch hier im Weſten. Es hat in Deutſchland zum Beiſpiel bis 2002 gedauert, bis die „weſtlichen Werte“ ſich gegen die „Tradition“ durchgeſetzt hatten und ein Mann ſeine Frau nicht mehr einfach verprügeln konnte (bzw. dies durch ein Geſetz endlich sanktioniert werden konnte).
Um im indiſchen Beiſpiel zu bleiben, eines der Hauptanliegen des Buddhismus, des Sikhismus und einer der Gründe, warum der Iſlam einen ſo großen Zulauf hat(te), iſt die Abſchaffung des Kaſtenweſens, woraus ſich ergibt, daß der Bedienſtete auf dem Boden eſſen muß.
Der Buddha hat alſo die Gleichheit der Menſchen ſchon im 5. Jahrhundert vor Chriſtus gefordert, während die Griechen, auf deren Demokratie wir uns ſo ſtolz berufen, ſich Sklaven hielten und eben nicht jeden wählen ließen. Iſt Gleichheit damit ein „weſtlicher“ oder ein „öſtlicher“ Wert?
Ich denke weder noch. Es ſind Werte für die der Menſch kämpfen muß. Sie mußten auch hier im Weſten gegen die Tradition ſehr blutig erkämpft werden.
Zur Aufklärung:
Farmerjohn1, Du ſchreibſt
st es DOCH fundamentalistisch, indem man alles, was dem Verstand nicht zugaenglich ist, unbeachtet laesst?
Da ſtellt ſich zunächſt die Frage, was denn dem Verſtand nicht zugänglich ſein könnte?
Die Aufklärung geht davon aus, daß der Menſch verſtehen kann, und daß er allein dadurch verſtehen kann, daß er ſich ſeines Verſtandes bedient. Er erlangt Wiſſen, denkt über dieſes Wiſſen nach und kommt ſo zu Erkenntnis. Er hinterfragt, glaubt nicht einfach, was man ihm ſagt und er erlangt Erkenntnis unter dem Vorbehalt, daß es weiteres Wiſſen gibt, daß ihn zu einem anderen Schluß kommen läßt.
Und das iſt der Unterſchied zum Fundamentaliſmus. Der Fundamentaliſt weiß, wie die Welt iſt, der Aufgeklärte denkt, er weiß, wie die Welt iſt.
@tinibini:
Eigentlich heißt tolerieren dulden. Ich ſehe da keinen Unterſchied. Wenn ich toleriere, daß andere an Gott glauben, dann heißt das nicht, daß ich es annehme oder gut finde, ſondern nur, daß ich ſie nicht einſperre, verprügle oder umbringe, weil ſie an etwas glauben, daß es meiner Meinung nach nicht gibt.