Hallo Forum,
sicher kennt ihr das: ihr kommt von eurer ersten langen Reise zurück und besucht erstmal eure Freunde und Familie und da hat sich gefühlt nichts verändert während man selbst reizüberflutet nach Hause kommt und soviel gesehen und erlebt habt wie in 10 Jahren Alltagstrott nicht. Ich kenne auch die Kehrseite, weil mein Bruder auch ab und an mal weg war für ein paar Monate während ich gerade in Deutschland war. So weit so gut, ich denke das ist auch völlig normal. Nun ist es aber so, dass das Reisen von Beginn an (erste Weltreise 2013 nach Südamerika) in mir was geweckt hat, wo ich wusste dass ich mein Leben mehr oder weniger danach ausrichten werde. Also keine Weltreise zwischen Abi->Studium, Studium->Job oder Job->Job und das war dann mal ein geiles Jahr und danach wieder ab zurück ins Hamsterrad. Es war bei mir dann eher so, dass ich seitdem emotional nie wieder so richtig Fuß gefasst habe, hier in der Heimat. Die erste Reise war quasi ein richtiger mindblow weil ich einfach zum ersten mal gefühlt habe, wie kurz das Leben eigentlich ist in Bezug auf das, was es in der Welt und im Leben im Allgemeinen zu entdecken gibt. Sobald sich mir eine Gelegenheit bot, sei es und auch nur für 1-2 Monate, war ich weg, zusammen mit meiner Freundin. Das war alles so mit Mitte/Ende Zwanzig und auch alle anderen waren in Aufbruchstimmung und gingen auf ihre ganz persönliche Reise. Diese beinhalteten dann halt das erste Kind, Hochzeit, Eigenheim, wieder ein Sprosse höher auf der Karriereleiter. Hinzu dachte mein Umfeld über mich zu dieser Zeit nach Motto:"Der Hosep, ja der lebt sich jetzt nochmal aus, bevor der Ernst des Lebens auch bei ihm losgeht."
Naja, jetzt sind 10 Jahre ins Land gegangen. Im Oktober startet unsere mittlerweile fünfte Weltreise, welche auch wieder mindestens anderthalb Jahre gehen wird. Die meisten in meinem sozialen Dunstkreis, sind voll eingespannt durch Kinder und die Kredite für´s Haus sind auch noch nicht abbezahlt, da muss die nächsten Jahre noch ordentlich gearbeitet werden bzw. vielleicht geht´s ja noch eine Stufe höher im Job usw. Parallel dazu bleibt bei nicht wenigen die Partnerschaft/Zweisamkeit auf der Strecke, sodass sich da auch ein gewisser Frust einstellt. Wenn es zu meiner Person kommt merke ich, dass viele vom Reisen auch völlig falsche Vorstellungen haben so nach dem Motto: "Ihr liegt ja den ganzen Tag nur am Strand."
Ich bin immer wieder froh meine Freunde, Familie zu sehen, wenn ich in Deutschland bin, merke aber auch wie ich immer weniger connecte bzw denke: so ein Leben könnte ich einfach nicht mehr führen. Darüber denke ich in den letzten Wochen und Monaten öfter nach und ich frage mich dann, ob sich die Dinge mit dem Älterwerden sowieso in diese Richtung entwickelt hätten (ich wusste zB schon mit 20 dass ich niemals einen Kredit nehmen werde den ich 10 Jahre+ abbezahlen muss; Kinder waren auch schon immer eher optional als ein festes Muss) oder ob das so eine Art psychosoziale Langzeitnebenwirkung von der ganzen Reiserei ist.
Vor ein paar Wochen gipfelte das ganze Thema noch zusätzlich darin, dass ich für nächstes Jahr als Trauzeuge im Oktober da sein soll. Ich habe dann von vornherein klargestellt, dass ich da noch gar nicht weiß, wo wir sein werden. Wir planen unsere Reisen nicht akribisch, nur den Anfang natürlich. Alles weitere ergibt sich unterwegs und GENAU DAS ist auch das was ich am meisten genieße am Reisen. In den Flow kommen, mich vom Leben überraschen lassen, nicht zu wissen wo man in einem halben Jahr sein wird. Ich weiß unterwegs oft gar nicht welcher Wochentag gerade ist, habe aber auch Phasen in denen wir uns irgendwo niederlassen und ich 200h+ im Monat arbeite, weil irgendwo muss das Geld ja auch herkommen. Aber im großen und ganzen liebe ich die Flexibilität und das Spontane. Auf der letzten Reise haben wir mehr oder weniger in Mexiko gelebt und gereist. Aber wir hatten auch jeweils 3 Monate Kolumbien und Costa Rica eingebaut. Als wir im Flieger nach Costa Rica saßen, wussten wir das 2 Wochen vorher noch gar nicht und genau dieses Gefühl ist mein Lebenselexier.
Mir war klar, dass meine direkten Worte bezüglich der Hochzeit/Trauzeuge nicht auf Begeisterung stoßen. Aber ich will unter keinen Umständen rumeiern und falsche Versprechen abgeben und mich dann hinterher mit Ausreden rauswinden. Einmal mehr merke ich die Diskrepanz zwischen den verschiedenen Lebensmodellen. Weil eine Weltreise mittendrin zu unterbechen um einen Junggesellenabschied zu organisieren, an Hochzeitsvorbereitungen mitzuhelfen usw kommt für mich nicht wirklich in Frage. Wenn es passt komme ich gern zur Hochzeit, aber selbst das würde ich mir gern offenhalten..
Wie auch immer, das soll auch gar kein mimimi-Post werden, aber jetzt würde ich gern einen Austausch mit euch starten wie ihr in solchen Situationen umgeht. Hier gibt es ja sicher einige die auch immer wieder mal weg sind, kommen und wieder gehen. Wie verändert sich eure Wahrnehmung zum Alltagsleben in Deutschland oder wo auch immer ihr herkommt? Könnt ihr euch und eure Erfahrungen integrieren? Oder habt ihr manchmal das Gefühl nicht mehr zu wissen wo eure Heimat/zu Hause ist? Bzw. ihr wisst es zwar intellektuell, aber fühlt es nicht mehr? Wie verändern sich die Beziehungen zu euren Freunden und zur Familie? Was wären für euch externe Gründe eine Reise abzu-/unterbrechen? Beerdigung von der Oma? Hochzeiten? 60ter Geburtstag von Mutter/Vater? Gar Weihnachten?
Werdet ihr mitunter als egoistisch wahrgenommen, wenn ihr euer Ding durchzieht? Bzw. erlebt ihr euch selbst so?