Vielleicht sind 10 Jahre als Vergleichs-Zeitraum etwas kurz. Vor 10 Jahren gab es schon ein iPhone 4/4S, Daten-Abos, die gängigen Buchungs- und Bewertungsplattformen, maps.me wurde lanciert und google maps war seit ein paar Jahren verfügbar (auf Android). Natürlich waren diese Dinge noch weniger ausgereift und verbreitet.
Meine erste Solo-"Probereise" mit Rucksack habe ich 2012 gemacht (nur 2 Wochen). Wenn ich mich recht erinnere, habe ich die schon sehr ähnlich organisiert, wie ich es heute auch tue. Ein physischer Reiseführer war immer im Gepäck, das erachte ich heute für mich bei vielen Zielen als optional. Auf meiner ersten WR 2013/14 habe ich schon sehr viele digitale Tools genutzt und hatte meistens eine lokale SIM, sprich fast immer Internet. Auf dieser Reise habe ich schon viele Unterkünfte online gebucht, ausser in gewissen Destinationen.
Ich denke, 15-20 Jahre zurück wird es schon deutlich "analoger". Hier fehlen mir die persönlichen Erfahrungen, damals habe ich eher Städtereisen oder Badeferien mit Freunden und Familie gemacht.
Wie schon von Stecki angesprochen: Man verändert und entwickelt sich auch selbst (oft überwiegt das), z.B. die Reisepräferenzen, Wahl der Destination, wie viel Party und Socializing man möchte, das Budget, die Art der Unterkunft ... Das überlagert sich und ist nicht so einfach zu trennen.
Ich sehe den technischen Fortschritt und die damit einhergehenden Möglichkeiten weitgehend positiv. Ich glaube, die höhere Transparenz im Markt (z.B. durch Vergleichsportale, Online-Bewertungen) führt vielerorts zu einer höheren Qualität bei Restaurants, Unterkünften, Touranbietern (wahrscheinlich auch zu mehr "Einheitsbrei"). Aus meiner Kindheit und Jugend habe ich zumindest die Erinnerung, dass die Tatsache, ob man ein gutes Hotel oder Restaurant erwischte, noch zu einem gewissen Teil "random" war oder man sonst halt einfach den Einzelempfehlungen anderer folgte. Heute ist bei mir gefühlt bei 95% aller Hotels wirklich nichts zu beanstanden. Ausser vielleicht, dass es ab und zu ziemlich leer oder steril ist, dass die Atmosphäre fehlt, die man sich erhofft hatte.
Ich beobachte bei meinen Reisen, dass meistens alles "wie am Schnürchen" funktioniert und es zu sehr wenigen Überraschungen kommt (in den meisten Ländern). Ein paar Bilder zur Sehenswürdigkeit hat man bereits in der google Bildsuche gesehen, das Hotel kennt man von der Buchungsplattform, usw. Immer vorausgesetzt, man will das. Insofern ist es schon so, dass eine exakt gleiche Route weniger abenteuerreich ausfällt als vor 10, 20, 30 Jahren. Andererseits ermöglichen die digitalen Tools, dass man sich Dinge vornehmen kann, die man sich sonst nicht zutrauen würde (z.B. dank GPS, besseren Infos zu einem abgelegenen Gebiet, zahlreichen Reiseberichten, auch sehr aktuellen). Ich denke, man kann immer noch ähnlich viel Abenteuer haben (wenn man will), muss dazu aber die Destinationen anders auswählen. Vielleicht muss man sich heute etwas mehr selbst "pushen", um die eigene Komfortzone zu verlassen, wozu man früher oft ganz automatisch gezwungen war, wenn man am Ziel ankommen wollte.
Heute kann man theoretisch an viele Orte Reisen, ohne ein einziges Wort zu sprechen (Flug, Hotel, Uber, Zug und Fernbus alles online gebucht, nur noch Pass oder QR-Code hinhalten
). Natürlich läuft das, gerade beim Transport, noch längst nicht in jedem Land so. Andererseits werden die Länder weniger, in denen man praktisch überall hinkommt und alles machen kann, ohne "lesen und schreiben" zu können. In Südamerika oder Asien kannst du praktisch einer beliebigen Person den Namen deiner Zieldestination nennen und wirst vo da an mehr oder weniger zuverlässig "weitergereicht", was oft erstaunlich gut funktioniert und enorm simpel ist. Nix buchen, kannst immer noch im Bus bezahlen und laufend nachfragen. Als mühsam empfand ich oft das "Zwischending": Es gibt zwar mittlerweile einen festen Fahrplan für den Bus, aber man findet ihn nicht online. Man kann zwar online buchen (und es wird auch rege genutzt von Einheimischen), aber nur mit einer inländischen Bankkarte oder Ausweisnummer. Eine schlecht umgesetzte Digitalisierung kann nervraubend sein. Aus meiner Sicht ist das in den letzten Jahren vielerorts ausgereifter geworden.
Ich finde nicht, dass man zwingend weniger mit anderen ins Gespräch kommt (wenn man möchte). Ich frage vor Ort (z.B. im Hotel, Taxifahrer, auf der Strasse) manchmal einfach "zum Spass" ein paar Dinge, obwohl ich die Antwort vielleicht schon kenne oder googeln könnte. In Südamerika habe ich z.B. recht oft die Touri-Info vor Ort "getestet", um etwas mein Spanisch auszuprobieren. Wenn Organisatorisches schnell und einfach geregelt ist, bleibt mehr Zeit für spannendere Gesprächsthemen. Für mich die wichtigsten "Stellschrauben", wieviel Kontakt ich habe mit anderen (Locals und andere Reisenden): Hostel und kleine Gästehäuser vs. grosses Hotel oder privates AirBnB, lokaler ÖV vs. Taxi und Flug, Natur/Wandern und kleinere Ortschaften vs. anonyme Metropole. Daran hat sich wohl gar nicht so viel geändert über die Jahre bzw. es gibt vlt. ein "digitales Pendant", z.B. Couchsurfing gegenüber eher spontanen Einladungen durch Locals.