Montag, 19.07.2021Wofür ist Georgien bekannt? Hohe Kaukasusgipfel… das goldene Vlies… Wein… alte Klöster… achja: und für Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili, besser bekannt als Stalin. Der wurde 1878 in Gori geboren, einer Kleinstadt auf halbem Weg von Tbilissi nach Kutaissi. Auch wenn Marshrutkas eine ganz praktische Sache sind, wollte ich für den Weg dorthin doch lieber die Transkaukasische Eisenbahn nutzen. Zugegebenermaßen: die Zeiten dieser großspurigen Bezeichnung sind vorbei und gerade jetzt zu Coronazeiten ist der grenzüberschreitende Verkehr unterbrochen. Aber auf den bin ich ja auch nicht angewiesen. Das Wagenmaterial ist durchwachsen. Es gibt moderne Doppelstockwagen mit 1., 2. und Businessclass für den Intercityverkehr nach Batumi, aber auch recht abgewirtschaftete Großraumwagen. Letzteren hatte ich erwischt, leider mit fensterlosem Platz. Der Zug war auch so ziemlich ausgebucht, sodass ein Wechsel nicht möglich war. Dafür war der Zug immerhin auf die Minute pünktlich.
TbilissiIn Gori war ich der Einzige, der ausstieg und wurde gleich vom einzigen Taxifahrer weit und breit ins Visier genommen. Das kam mir gar nicht ungelegen, wollte ich doch zu allererst noch nach Uplisziche, ähnlich wie Vardzia eine Felsenstadt, jedoch wesentlich älter. Hier siedelte man schon in der Bronzezeit und die Stadt erblühte als uneinnehmbare Handelsstadt an der Seidenstraße. Erst nach den Mongoleneinfällen im 13. Jh. verfiel Uplisziche. Ein Unterschied zu Vardzia ist die architektonisch exquisite Gestaltung vieler Höhlen. Hier wurde nicht einfach nur in den Felsen gehauen, sondern mit Pilastern und Kassettendecken römisches Leben imitiert. Abgesehen davon fand ich allerdings Vardzia durch die Lage reizvoller.
UpliszicheMit dem Taxi ging es wieder zurück nach Gori, direkt ins Zentrum zum Stalin-Park. Als Kind des Landes wird er von vielen hier immer noch in Ehren gehalten. Inmitten eines Parks steht sein Geburtshaus unter einem sozialistisch-klassizistischen Pavillon und wird durch ein Museum zu seinen Ehren ergänzt. Auch wenn ich kaum etwas der russischen Texte lesen konnte, merkt man doch, dass es arg verherrlichend ist. Vor ein paar Jahren gab es Versuche, das Museum in ein Museum der russischen Aggression umzuwandeln. Daraus ist bis heute allerdings nichts geworden.
Stalins GeburtshausStalins Totenmaske im MuseumStalins erstes Arbeitszimmer im KremlStalins gepanzerter Eisenbahnwaggon, mit dem er u. a. zu den Konferenzen von Teheran und Jalta fuhr.Bei angenehm kühlen 38°C habe ich noch den Burgberg bestiegen. Viel zu sehen gab es nicht. Ein paar wenig gepflegte Mauern. Spannender war dafür der Abstieg. Kurz bevor ich wieder den Stalin Platz erreichte kam ich in einer Gasse an einer Straßenbaustelle vorbei und wurde prompt von einem Arbeiter angesprochen. „Tourist?!“ Er ließ alles stehen und liegen, bat mich kurz zu warten, ging in ein Haus und holte mich zwei Minuten später nach. Mit minimalem Englisch und viel Google-Übersetzer unterhielten wir uns eine Weile, während er Obst servierte, Brot, Salat, Chinkali (gefüllte Teigtaschen) und natürlich eine Flasche selbstgemachten Wein. Wenn dann nur nicht immer nachgeschenkt werden würde… Da habe ich dann die kleine Mittagsrast auf dem Stalinplatz genossen.
Goris zicheVäterchen Stalin begrüßt, bzw. verabschiedet die Reisenden im Bahnhof von GoriNach der Rückfahrt nach Tbilissi machte ich noch einen kleinen Abstecher zum Mtatsminda, dem heiligen Berg. Hoch kommt man seit 1905 mit einer Standseilbahn. Oben geht es aber ganz und gar nicht heilig zu. Hier befindet sich ein Vergnügungspark in einer ausgedehnten Parkanlage. Alles war etwas weniger traurig als in Kutaissi und wesentlich besser besucht. Ich begnügte mich aber mit einer Riesenradfahrt mit Blick in die Viertel Saburtalo und Vake mit ihrer modernen Bebauung.
Fernsehturm TbilissiNun hatte ich aber wirklich keine Lust mehr zu laufen und habe mir kurzerhand ein Taxi zurück ins Hotel genommen, um meine morgige Abreise zu organisieren. Danach ging es noch Abendessen, die letzten Souvenirs besorgen, Koffer packen und ab ins Bett.
Dienstag, 20.07.2021Der Wecker klingelt halb vier und das bestellte Taxi steht 10 vor vier am Hotel. Das klappt zum Glück gut. Ebenso unkompliziert war dann der Check-in am Flughafen. Noch ist Georgien nur einfaches Risikogebiet gewesen, sodass für mich als geimpften keine weiteren Beschränkungen herrschten.
Pünktlich zum verspäteten Start ging schließlich auch die Sonne auf. Es war ein schöner Anblick, wie dann während des Fluges die Kaukasusgipfel die Wolkendecke durchbrachen. Über den Rest des Fluges gibt es wenig zu berichten. Es ging wieder über Sabiha Gökçen, aber der Blick auf den Bosporus wurde mir durch das trübe Wetter verwehrt. Ein paar Gedanken machte ich mir allerdings schon, als dann der Pilot beim Statusbericht davon sprach, dass wir gerade über Slovenia fliegen statt Slovakia… Gut, der slowenische Regierungschef ist mehr als gewöhnungsbedürftig, aber auch, wenn ich im Urlaub versuche Medienabstinenz zu üben, habe ich nichts von der Errichtung eines Großslowenischen Reiches von Triest bis Uschgorod gehört.
Der Große KaukasusIstanbulZum Glück hat der Pilot immerhin das Ziel Berlin nicht verfehlt. Die Organisation der Einreise ist allerdings eine Katastrophe. Von 8 Schaltern zur Passkontrolle sind 2 geöffnet. Von 6 Automaten zur automatischen Einreisekontrolle funktioniert nur einer. Ist ja nicht so, dass hier ab und zu Mal ein vollbesetztes Flugzeug landet... Aber vielleicht bin ich ungerecht. Ich kann ja nicht erwarten, dass nach so kurzer Bauzeit alles gleich auf Anhieb funktioniert.
FazitAlles in allem war es eine mehr als spannende Reise. Den Kaukasus hatte ich eigentlich schon für Ostern 2020 im Blick gehabt, da allerdings noch umfassender bis hin zum Kaspischen Meer. So habe ich jetzt zumindest einen ersten intensiven Einblick bekommen und sage: es lohnt sich wirklich. Sicher hätte ich auf das ein oder andere Erlebnis verzichten können, aber durch die großartige Gastfreundschaft in Georgien waren auch die kleinen Missgeschicke keine wirklichen Stressfaktoren.
Vor allem der Abwechslungsreichtum: Berge, Ebene, Küste, Kirchen, Moscheen, Sozialismus und zaristischer Prunk, Kirchen und Höhlenstädte - die Gesamtheit der Gegensätze machen den Reiz Georgiens aus.