Gamarjoba!
Dann starten wir mal so langsam. Die ersten Tage wird es ohnehin etwas gemächlicher los gehen, da es ja ein bisschen dauert, anzukommen und sich auf die neue Kultur einzustellen, auch wenn Georgien trotz der Entfernung eher europäisch als orientalisch ist. Nicht umsonst bezeichnet es sich als Balkon Europas.
Sonntag, 04.07.2021Die Sonne lacht, 25°C. Kein schlechter Start in den Urlaub. Nachdem SXF und TXL nun nicht mehr existieren, habe ich meine ersten Erfahrungen am BER gemacht. Die waren erstaunlich positiv. Check-in und Sicherheitskontrolle konnte ich ohne Wartezeit passieren. Voll war der Flieger von Anadolu Jet, der Billigmarke von Turkish Airlines, dennoch. Unzählige Türken auf Heimaturlaub. Ziel war Istanbul-Sabiha Gökçen, nach Atatürk und Istanbul Airport mein dritter Flughafen in der Stadt am Bosporus. Nach dreieinhalb Stunden Wartezeit ging es weiter nach Tbilissi. Der Anflug auf die georgische Hauptstadt war äußerst unruhig. So durchgeschüttelt wurde ich bis jetzt noch nie. Als wir dann ausgestiegen sind, schlug mir ein Sturm entgegen, an dem sich so manche Ostseesturmflut noch eine Scheibe abschneiden kann. Mich wundert es, dass da überhaupt gelandet wurde.
Die Einreise gestaltete sich unkompliziert. Interesse erregte, dass ich mit Astra-Zeneca und Biontech eine Kreuzimpfung erhalten hatte, aber das wars auch schon. Glücklicherweise fällt so für mich das ganze Testen vor und nach der Einreise weg. Nun noch fix eine SIM-Karte gekauft und schon habe ich meinen Mietwagen in Empfang genommen. Die nächtliche Ausgangssperre war glücklicherweise seit 01.07. abgeschafft worden, so dass eine Sondergenehmigung obsolet wurde und ich gegen 00:30 in mein Bett im Tbilissier Randbezirk fiel.
BERSonnenuntergang über IstanbulMontag, 05.07.2021Georgien ist kein Land der Frühaufsteher. In den meisten Hotels habe ich kein Frühstück vor 08:30 bekommen, manchmal sogar erst ab 09:00. So auch heute. Ich muss mich erst einmal wieder an das Urlaubsfrühstück gewöhnen. Normalerweise esse ich süß – Marmelade, Honig, … Aber das bekommt man hier eher seltener.
In Tbilissi halte ich mich heute aber nicht lange auf. Am Tbilissi-See entlang fahre ich zum Monument der georgischen Geschichte. Seit 1985 wird an diesen 35 Meter hohen Säulen gearbeitet, die georgische Herrscher und Szenen aus dem Leben Christi zeigen. Von vielen Stellen in Tbilissi hat man einen guten Blick auf diesen Tempel. Er liegt aber ziemlich verlassen auf einem Hügel. Das kann aber auch an der Jahreszeit liegen. Die Bewohner der Hauptstadt fliehen im heißen Sommer lieber in die Berge.
Chronicles of Georgia am Tbilissi-See. Die Stadt selbst liegt links hinter der niedrigen Hügelkuppe im TalUnd so verlasse auch ich Tbilissi und begebe mich nach Mzcheta, in die alte Hauptstadt des Iberischen Reiches. Dieses Iberien hat aber nichts mit den spanischen Iberern zu tun, sondern ist möglicherweise armenischen oder kolchischen Ursprungs (Über Kolchis erzähle ich später noch etwas).
Bei Mzcheta habe ich mir das Jwari-Kloster angeschaut, sowie die Swetizchoweli-Kathedrale, die Kathedrale der lebensspendenden Säule. Ein Engel soll beim Aufrichten einer Zedernholzsäule geholfen haben, wonach aus ihr eine Flüssigkeit geronnen sein soll, die Krankheiten heilte. Zumindest stand hier die erste Kirche Georgiens, dem nach Armenien zweiten christlichen Land überhaupt (Staatsreligion seit 337 n.Chr.).
Und religiös sind die Georgier noch heute zutiefst! Der Mönch gehört hier zum alltäglichen Straßenbild und die Kirchen sind gut besucht. Die Gläubigen pilgern alle Ikonen in den Gotteshäusern ab, zünden Kerzen an, küssen die Ikonen… mich hat die Inbrunst ein wenig an meine Erfahrungen im Irak erinnert.
Jvari-Kloster, an dieser Stelle soll die heilige Nino, die das Christentum nach Georgien brachte, ein Kreuz errichtet habenKathedrale von MzchetaWas hier natürlich fehlt, ist der Weihrauchgeruch, der den Kirchen eine ganz besondere Atmosphäre verleihtAm Nachmittag erreichte ich schließlich Chiatura, die Stadt der schwebenden Särge. Chiatura ist eine Minenstadt, die einstmals knapp 50% des weltweiten Manganerzes lieferte. Die glorreichen Zeiten sind jedoch schon lange vorbei. 1992 war gar das Gas-, Strom- und Wassernetz komplett zusammengebrochen. Zumindest Strom fließt seit 2004 wieder. Die restlichen Netze sind total verrottet. Das macht sich natürlich für das Leben im sowjetischen Plattenbau nicht besonders gut. Eine Besonderheit der Stadt ist, bzw. war ihr ÖPNV. Die Stadt windet sich durch ein tiefes Tal, hat aber auch zahlreiche Wohnviertel hoch oben an den Hängen. Um die Höhenunterschiede zu überwinden gab es einst 26 Seilbahnen, die teils bis 2019 noch fuhren. Mittlerweile sind die Bahnen aus den 50er Jahren stillgelegt. Eine Fahrt war mir leider nicht vergönnt.
Dafür habe ich nun das erste Mal Bekanntschaft mit den „besonderen“ Straßenverhältnissen Georgiens gemacht. Als ich zur Kazchi-Säule abbog, ging es eher über einen schlechteren Waldweg als über eine Straße. Dass das aber tatsächlich noch einer der besseren Wege war, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
Die Kazchi-Säule selbst ist auch ziemlich interessant. Es handelt sich um eine ca. 40 m hohe Felsklippe, auf deren Spitze sich eine kleine Einsiedelei befindet. Besteigen kann man sie nicht, das bleibt dem Mönch vorbehalten, aber auch der Blick von unten ist schon beeindruckend.
Über Nebenstraßen geht es dann schließlich weiter nach Kutaissi. Und an dieser Stelle möchte ich noch kurz erwähnen, dass man als Autofahrer nicht der einzige Verkehrsteilnehmer in Georgien ist. Da gibt es noch Fußgänger, LKW, Busse, Marschrutkas, Kühe, Schweine, Hühner, Hunde, Gänse und Truthähne. Da ist viel Aufmerksamkeit und Können im Slalomfahren gefragt.
Na, so schlecht ist die Straße doch gar nicht...Kutaissi kann mit der Bagrati-Kathedrale aufwarten. Die Bagratiden sind eine georgische Fürstenfamilie, die vom 9.-19. Jh. in teilen Georgiens regierte. Die Kirche stammt eigentlich aus dem 11. Jh., wurde aber 1692 von den einfallenden Osmanen gesprengt. In den frühen 2000ern hat man sie wieder aufgebaut, was der UNESCO so gar nicht gefiel, woraufhin die Kathedrale von der Welterbeliste gestrichen wurde. Einen Besuch ist sie trotzdem wert, ebenso wie der Markt von Kutaissi, der als einer der orientalischsten Georgiens gilt.
Zum Abendessen im „Palaty“ gab es Chakapuli, ein Rindereintopf mit Estragon. Und natürlich Wein! Ein nach Georgien ausgewanderter Canadier hat versucht mich in die Welt der Degustation einzuführen. Aber ich muss gestehen, was das angeht, bin ich ein Cretin. Entweder er schmeckt, oder er schmeckt nicht. Aber ich muss sagen, georgischer Wein schmeckt! Vor allem schmeckt er anders als europäischer Wein (lustigerweise aber genauso, wie der, den ich letztes Jahr selbst hergestellt habe). Dies liegt an den unterschiedlichen Herstellungsmethoden. So werden die Trauben teils mit Schale verarbeitet, teils reifen die Weine auch eine Zeitlang in Quevris, Tongefäßen ähnlich einer antiken Amphore.
Bagrati Kathedrale, Kutaissi