Thema: Georgien 2021  (Gelesen 7208 mal)

Kaamos

« am: 22. Juli 2021, 17:37 »
Als Einstimmung zu diesem Reisebericht gibt es erst einmal ein bisschen Foodporn  ;D
Das Essen in Georgien ist aber auch zu gut!

Wenig spektakulär ist das, was Anadolu Jet liefert. Aber hey, es ist eben bloß die Budget-Variante von Turkish Airlines.


Alternativ gibt es auch Chakapuli, einen Rindfleischeintopf mit Estragon. Dazu reichen wir einen Gurken- und Tomatensalat mit Walnusssauce. Wenn es Salat gibt, dann ist es in Georgien grundsätzlich Gurken- und Tomatensalat.



Was natürlich auch immer geht, ist Käse. Der ist in der Regel ziemlich salzig und wird auch gern mal unter den Kartoffelbrei gerührt, wie etwa beim swanetischen Tashmijabi.



Und wo wir gerade in Swanetien sind, werfen wir doch gleich einmal einen Blick auf das Frühstück. Grundsätzlich sind Georgier nicht gerade Frühaufsteher. Vor halb, teils sogar erst um 9, gab es selten Frühstück. Was dann auf dem Tisch stand, erinnert aber auch nicht unbedingt an das westeuropäische Marmeladenbrötchen. Herzhaft, Wurst, Käse, Bohnensuppe, Pommes vom Vorabend - alles dabei.
Der Reiseführer warnte davor, dass gelegentlich auch schon ein Chacha (Schnaps) auf dem Tisch steht. Ich hatte nicht das Vergnügen^^



Aber nicht nur Swanetien, auch der Rest des Landes pflegt diese Frühstückstradition.



Zwischendurch gibts noch einen Salat... Gurken und Tomaten, wie sollte es auch anders sein?!



Es gibt aber auch noch andere tolle Vorspeisen, wie zum Beispiel die mit einer Wallnusscreme gefüllten Auberginen. Göttlich!



... oder wie wäre es mit Phkali? Die Bällchen werden aus gehacktem Gemüse, wie Spinat, Auberginen, Rüben, Wallnüssen u.ä. hergestellt.



Dazu machen sich dann auch die mit Sulguni-Käse gefüllten Pilze ganz gut.



Der Käse passt aber auch ganz gut unters Lammkebab gemischt und bringt eine angenehme Würze zum Fleisch.



Aber wer denkt, Georgien und der Kaukasus sind eine sehr fleischlastige Region, der sei beruhigt. Auch als Vegetarier lässt es sich gut leben.
Da kann man zum Beispiel eine Matsoni-Suppe bestellen, eine Suppe mit Reis, Kartoffeln, Kräutern und Joghurt. Und wem Suppen zu wenig sind, der nimmt das typisch georgische Käsebrot: Khachapuri. Das gibts in verschiedenen regionalen Varianten, hier die Adscharische Version mit Ei und Butter.



Na gut, ein bisschen Fleisch gibts doch noch: Kharcho. Ein Rindfleischeintopf mit Kirschpflaumen, der mich ein bisschen an Gulasch erinnert hat. 



Man kann natürlich auch ans schwarze Meer fahren. Und Meer ist immer gut für Fisch. Dummerweise habe ich nicht ganz mitbekommen, was für eine Sorte das ist. Ich hab ihn mir direkt an der Theke ausgesucht. Es wäre wohl ein typisch georgischer Fisch gewesen.



Ach ja, etwas ganz wichtiges fehlt noch: Chkmeruli! Hühnchen in Knoblauchsauce. Ein Gedicht, sage ich euch!!!



So, genug der Vor- und Hauptspeisen. Da fehlen eigentlich nur noch die Desserts...



Sehr zu empfehlen: Pelamushi, eine Art Pudding aus Mehl und Traubensaft.



Und zu guter Letzt schließen wir alles mit ein bisschen Obst ab. Dass die normalen Wassermelonen umgerechnet ca. 5 Cent/kg gekostet haben, erwähne ich erstmal nur am Rande, Marktbilder kommen später im Bericht.
Grundsätzlich gibt es eine Überfülle an Obst und Gemüse.

Nektarine ist klar, das gestreifte ist eine Zwergmelone. Die hat einen herrlichen Duft. Man kann sie essen, aber die Damen packen sie wohl auch ganz gern in die Handtasche, eben weil es so gut riecht.
Und was die Miniäpfel sind, weiß ich nicht. Sie waren von der Konsistenz her Birnenähnlich, das Fruchtfleisch sah aber trotz des relativ festen Bisses farblich wie eine bräunliche Druckstelle aus. War es aber nicht, die ganze Frucht war so. Und Durchmesser höchstens 4 cm.



Soviel erstmal als Appetithäppchen. Der Rest folgt dann nach und nach...

Kaamos

« Antwort #1 am: 22. Juli 2021, 17:40 »
Gamarjoba!  :D

Dann starten wir mal so langsam. Die ersten Tage wird es ohnehin etwas gemächlicher los gehen, da es ja ein bisschen dauert, anzukommen und sich auf die neue Kultur einzustellen, auch wenn Georgien trotz der Entfernung eher europäisch als orientalisch ist. Nicht umsonst bezeichnet es sich als Balkon Europas.





Sonntag, 04.07.2021

Die Sonne lacht, 25°C. Kein schlechter Start in den Urlaub. Nachdem SXF und TXL nun nicht mehr existieren, habe ich meine ersten Erfahrungen am BER gemacht. Die waren erstaunlich positiv. Check-in und Sicherheitskontrolle konnte ich ohne Wartezeit passieren. Voll war der Flieger von Anadolu Jet, der Billigmarke von Turkish Airlines, dennoch. Unzählige Türken auf Heimaturlaub. Ziel war Istanbul-Sabiha Gökçen, nach Atatürk und Istanbul Airport mein dritter Flughafen in der Stadt am Bosporus. Nach dreieinhalb Stunden Wartezeit ging es weiter nach Tbilissi. Der Anflug auf die georgische Hauptstadt war äußerst unruhig. So durchgeschüttelt wurde ich bis jetzt noch nie. Als wir dann ausgestiegen sind, schlug mir ein Sturm entgegen, an dem sich so manche Ostseesturmflut noch eine Scheibe abschneiden kann. Mich wundert es, dass da überhaupt gelandet wurde.

Die Einreise gestaltete sich unkompliziert. Interesse erregte, dass ich mit Astra-Zeneca und Biontech eine Kreuzimpfung erhalten hatte, aber das wars auch schon. Glücklicherweise fällt so für mich das ganze Testen vor und nach der Einreise weg. Nun noch fix eine SIM-Karte gekauft und schon habe ich meinen Mietwagen in Empfang genommen. Die nächtliche Ausgangssperre war glücklicherweise seit 01.07. abgeschafft worden, so dass eine Sondergenehmigung obsolet wurde und ich gegen 00:30 in mein Bett im Tbilissier Randbezirk fiel.



BER



Sonnenuntergang über Istanbul


Montag, 05.07.2021

Georgien ist kein Land der Frühaufsteher. In den meisten Hotels habe ich kein Frühstück vor 08:30 bekommen, manchmal sogar erst ab 09:00. So auch heute. Ich muss mich erst einmal wieder an das Urlaubsfrühstück gewöhnen. Normalerweise esse ich süß – Marmelade, Honig, … Aber das bekommt man hier eher seltener.

In Tbilissi halte ich mich heute aber nicht lange auf. Am Tbilissi-See entlang fahre ich zum Monument der georgischen Geschichte. Seit 1985 wird an diesen 35 Meter hohen Säulen gearbeitet, die georgische Herrscher und Szenen aus dem Leben Christi zeigen. Von vielen Stellen in Tbilissi hat man einen guten Blick auf diesen Tempel. Er liegt aber ziemlich verlassen auf einem Hügel. Das kann aber auch an der Jahreszeit liegen. Die Bewohner der Hauptstadt fliehen im heißen Sommer lieber in die Berge.



Chronicles of Georgia am Tbilissi-See. Die Stadt selbst liegt links hinter der niedrigen Hügelkuppe im Tal



Und so verlasse auch ich Tbilissi und begebe mich nach Mzcheta, in die alte Hauptstadt des Iberischen Reiches. Dieses Iberien hat aber nichts mit den spanischen Iberern zu tun, sondern ist möglicherweise armenischen oder kolchischen Ursprungs (Über Kolchis erzähle ich später noch etwas).
Bei Mzcheta habe ich mir das Jwari-Kloster angeschaut, sowie die Swetizchoweli-Kathedrale, die Kathedrale der lebensspendenden Säule. Ein Engel soll beim Aufrichten einer Zedernholzsäule geholfen haben, wonach aus ihr eine Flüssigkeit geronnen sein soll, die Krankheiten heilte. Zumindest stand hier die erste Kirche Georgiens, dem nach Armenien zweiten christlichen Land überhaupt (Staatsreligion seit 337 n.Chr.).
Und religiös sind die Georgier noch heute zutiefst! Der Mönch gehört hier zum alltäglichen Straßenbild und die Kirchen sind gut besucht. Die Gläubigen pilgern alle Ikonen in den Gotteshäusern ab, zünden Kerzen an, küssen die Ikonen… mich hat die Inbrunst ein wenig an meine Erfahrungen im Irak erinnert.



Jvari-Kloster, an dieser Stelle soll die heilige Nino, die das Christentum nach Georgien brachte, ein Kreuz errichtet haben





Kathedrale von Mzcheta



Was hier natürlich fehlt, ist der Weihrauchgeruch, der den Kirchen eine ganz besondere Atmosphäre verleiht

Am Nachmittag erreichte ich schließlich Chiatura, die Stadt der schwebenden Särge. Chiatura ist eine Minenstadt, die einstmals knapp 50% des weltweiten Manganerzes lieferte. Die glorreichen Zeiten sind jedoch schon lange vorbei. 1992 war gar das Gas-, Strom- und Wassernetz komplett zusammengebrochen. Zumindest Strom fließt seit 2004 wieder. Die restlichen Netze sind total verrottet. Das macht sich natürlich für das Leben im sowjetischen Plattenbau nicht besonders gut. Eine Besonderheit der Stadt ist, bzw. war ihr ÖPNV. Die Stadt windet sich durch ein tiefes Tal, hat aber auch zahlreiche Wohnviertel hoch oben an den Hängen. Um die Höhenunterschiede zu überwinden gab es einst 26 Seilbahnen, die teils bis 2019 noch fuhren. Mittlerweile sind die Bahnen aus den 50er Jahren stillgelegt. Eine Fahrt war mir leider nicht vergönnt.









Dafür habe ich nun das erste Mal Bekanntschaft mit den „besonderen“ Straßenverhältnissen Georgiens gemacht. Als ich zur Kazchi-Säule abbog, ging es eher über einen schlechteren Waldweg als über eine Straße. Dass das aber tatsächlich noch einer der besseren Wege war, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
Die Kazchi-Säule selbst ist auch ziemlich interessant. Es handelt sich um eine ca. 40 m hohe Felsklippe, auf deren Spitze sich eine kleine Einsiedelei befindet. Besteigen kann man sie nicht, das bleibt dem Mönch vorbehalten, aber auch der Blick von unten ist schon beeindruckend.



Über Nebenstraßen geht es dann schließlich weiter nach Kutaissi. Und an dieser Stelle möchte ich noch kurz erwähnen, dass man als Autofahrer nicht der einzige Verkehrsteilnehmer in Georgien ist. Da gibt es noch Fußgänger, LKW, Busse, Marschrutkas, Kühe, Schweine, Hühner, Hunde, Gänse und Truthähne. Da ist viel Aufmerksamkeit und Können im Slalomfahren gefragt.



Na, so schlecht ist die Straße doch gar nicht...



Kutaissi kann mit der Bagrati-Kathedrale aufwarten. Die Bagratiden sind eine georgische Fürstenfamilie, die vom 9.-19. Jh. in teilen Georgiens regierte. Die Kirche stammt eigentlich aus dem 11. Jh., wurde aber 1692 von den einfallenden Osmanen gesprengt. In den frühen 2000ern hat man sie wieder aufgebaut, was der UNESCO so gar nicht gefiel, woraufhin die Kathedrale von der Welterbeliste gestrichen wurde. Einen Besuch ist sie trotzdem wert, ebenso wie der Markt von Kutaissi, der als einer der orientalischsten Georgiens gilt.
Zum Abendessen im „Palaty“ gab es Chakapuli, ein Rindereintopf mit Estragon. Und natürlich Wein! Ein nach Georgien ausgewanderter Canadier hat versucht mich in die Welt der Degustation einzuführen. Aber ich muss gestehen, was das angeht, bin ich ein Cretin. Entweder er schmeckt, oder er schmeckt nicht. Aber ich muss sagen, georgischer Wein schmeckt! Vor allem schmeckt er anders als europäischer Wein (lustigerweise aber genauso, wie der, den ich letztes Jahr selbst hergestellt habe). Dies liegt an den unterschiedlichen Herstellungsmethoden. So werden die Trauben teils mit Schale verarbeitet, teils reifen die Weine auch eine Zeitlang in Quevris, Tongefäßen ähnlich einer antiken Amphore.



Bagrati Kathedrale, Kutaissi




Kaamos

« Antwort #2 am: 22. Juli 2021, 21:01 »
Dienstag, 06.07.2021

Von Kutaissi aus geht es erst einmal ein kleines Stück nach Norden – zum Kloster Gelati. Dort gibt es nicht etwa Eis. Der Name kommt von Genati (Geburt). Als Neues Athen war das Kloster mit seiner Akademie einst ein Hort von Wissenschaft und Philosophie Zudem finden sich hier die Gräber einiger bedeutender georgischer Könige.



Kloster Gelati



Und wo wir gerade bei Königen sind, machen wir doch gleich noch einen Abstecher zum Geguti-Palast, ein paar Kilometer südlich von Kutaissi. Heute stehen nur noch Ruinen, aber hier ist der Ort, an dem Tamar zur Königin gekrönt wurde. Tamar ist eine herausragende Persönlichkeit der georgischen Geschichte und wird ehrfurchtsvoll teilweise König statt Königin genannt. Unter ihrer Regentschaft (1184-1213), erblühten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Wissenschaft und Kultur. So gab es beispielsweise ein Adelsparlament und einen obersten Gerichtshof, vor dem man Berufung einlegen konnte.



Viel steht nicht mehr von Geguti. Im 19. Jh. wurde der Palast stark beschädigt und diente danach als Steinbruch

Aber genug der Kultur. Jetzt gibt es Natur! Der Martvili Canyon ist ein Kleinod, dass sich in der Provinz Mingrelien im Westen Georgiens befindet. Ein Fluss hat sich hier herrlich in den Fels gegraben und man kann wunderbar einen kleinen Rundweg spazieren gehen. Bootstouren werden auch angeboten, aber dafür fehlte mir die Zeit. Allerdings war es hier ziemlich überlaufen. Etliche Russen waren unterwegs.



Martvili Canyon. Anmerkung: Es gibt wahnsinnig viele Straßenhunde in Georgien!





Über kleine Straßen ging es dann langsam in die Berge, vorbei am Enguri-Stausee. Er wird von der größten Bogenstaumauer der Welt gehalten. Ich wollte zwar später noch einen Blick darauf werfen, aber das sollte mir nicht vergönnt sein. Unvorhergesehene Umstände, auf die ich später noch eingehen werde. Was ich aber gesehen habe, waren unzählige Bienenstöcke und Imker in voller Montur, die am Straßenrand arbeiteten. Da habe ich mir auch gleich ein Glas Honig mitgenommen.

Immer weiter wand sich die Straße nun in den Großen Kaukasus, immer entlang des Enguri. Das war aber beileibe kein kristallklar plätschernder Gebirgsbach. Ich war überrascht, über das trübe Wasser, die extrem hohe Fließgeschwindigkeit der Wassermassen und die vielen Stromschnellen. Hier überquerte ich dann auch die Grenze zu Swanetien. Ganz markant für die Region sind ihre Wehrtürme aus dem 8.-18. Jh., die ein bisschen an die italienischen Geschlechtertürme erinnern. Ich hatte ja erst gedacht, dass es nicht mehr viele gibt, noch ein paar als Kuriosum in der Provinzhauptstadt Mestia… aber nein, in vielen Dörfern entlang des Weges stehen sie noch zu Hauf und verleihen der Gebirgslandschaft noch das gewisse Etwas.







Bis kurz nach Mestia war die Straße auch noch ziemlich gut, glatt und ordentlich asphaltiert. Allerdings kam dann auch schon, als ich nach Uschguli abgebogen bin, ein Hinweisschild, dass die Straße zwischen 7-12 und 14-17 Uhr wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Es war zwar schon nach 17:00, aber ich war gespannt, was mich erwartet. Auf Nachfragen später im Guesthouse in Uschguli meinten die Gastgeber, um die Zeiten schere sich aber niemand wirklich.

Nun denn… jetzt geht das Abenteuer richtig los! Die Natur war herrlich und das Fahren auf dem Weg, der den Namen Straße nicht verdient hat, hat richtig Spaß gemacht. Ich war aber auch über mein Allrad mit viel Bodenfreiheit froh!

https://imgur.com/GrwkLpc

https://imgur.com/cPc2aPJ







Gegen 19:00 bin ich schließlich in Uschguli angekommen, dem höchstgelegenen ganzjährig bewohnten Dorf Europas. Hier wimmelt es geradezu von Wehrtürmen und traditionellen Swanenhäusern. Man sieht aber auch die Armut des Landstrichs. Tourismus findet etwa von Ende Mai bis Anfang Oktober statt. Einen Winter möchte ich hier oben nicht unbedingt verbringen.
Erst habe ich den Weg zum Gesthouse nicht gefunden, aber mit ein bisschen Hilfe wurde ich hingeführt. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit dem großen Auto durch die engen Gassen passe.

Tja, und nun ist es passiert! Ein paar Meter vor der Einfahrt habe ich doch noch einen Stein übersehen und muss wohl ein wenig aufgesessen sein. Das hat sich im ersten Moment nicht so schlimm angefühlt, aber als ich auf den Hof gefahren bin, hat mich der Gastwirt darauf aufmerksam gemacht, dass ich eine Tropfspur hinterlasse… na mal schauen, was das wird.
Aber erstmal geht es Abendessen und einen Spaziergang durch den Ort machen. Aber aufpassen, bei den ganzen freilaufenden Kühen sollte man schauen, wohin man tritt.






Kaamos

« Antwort #3 am: 23. Juli 2021, 11:57 »
Mittwoch 07.07.2021

Georgisches Frühstück ist oftmals Resteessen. Dementsprechend gab es heute früh auch Bohnensuppe, Pommes, Kartoffelpuffer und viel Käse. Zumindest war ich damit gut gestärkt für eine kleine Wanderung. Hinter Uschguli erhebt sich ein „kleiner Hügel“, von dem aus man einen schönen Rundumblick haben soll. Von unten sieht er auch gar nicht so schlimm aus, aber nach 2 Stunden ziemlich steilen Anstieg habe ich ein bisschen anders darüber gedacht. Ich habe ja auch nicht wirklich Wanderkondition. Aber gelohnt hat es sich trotzdem.



Ich hab mir extra eine Tollwutimpfung geholt, wegen vermeintlich aggressiver Hirtenhunde im Gebirge. Die aggressiven habe ich aber nicht getroffen.





Da gehts hoch

Die Bergwiesen waren voller Blumen und der Blick ins Tal war grandios. Es ging von ca. 2.100 m auf knapp 3.000 m Höhe. Leider war der Himmel nicht ganz so klar, wie erhofft. Der Schchara, mit 5.201m der höchste Gipfel Georgiens war wolkenverhangen. Ungünstigerweise zog nun auch noch ein Gewitter von Osten auf, so dass ich mich gar nicht allzu lang in den Bergen aufhalten wollte. Den halben Weg nach unten schaffte ich noch im Trockenen, aber dann kam der Niesel.









Blick auf Uschguli







Da braut sich was zusammen...

https://www.youtube.com/watch?v=uiZEsQVdr_U

Man verzeih mir die wackelige Kamera, ich war etwas außer Atem

Nun denn, ich habe meinen Ausblick gehabt, da will ich mich nicht beklagen, packe meine Sachen und will wieder aufbrechen. Doch oh weh, da war ja was! Die Ölwarnleuchte blinkt auf, also kontrolliere ich den Ölstand. Komplett leer. Da bin ich froh, dass das Missgeschick direkt an der Unterkunft passiert ist und nicht irgendwo in der Einöde.



Da liegt der Übeltäter



Autsch...

Die Gastgeberin Salome war aber unglaublich nett und hilfsbereit. So gastfreundlich wie in Georgien bin ich bisher selten irgendwo aufgenommen worden. Und da werden bei dieser Reise noch einige Episoden kommen. Da zurzeit das Funknetz in Uschguli ausgefallen war, musste ich in die nächstgrößere Stadt, nach Mestia, um die Mietwagenfirma zu informieren. Salomes Onkel fuhr mich. Glücklicherweise gab es schon nach der halben Strecke Netz, so dass mir die 1,5-Stunden-Fahrt (nur eine Strecke) erspart blieb. Mietwagenfirma wurde informiert, ich fuhr zurück nach Uschguli, holte meine Sachen und ließ mich jetzt endgültig nach Mestia bringen. Der Mietwagen blieb in Uschguli und Salome übernahm dankenswerterweise die restliche Organisation. In Mestia wurde noch alles bei der Polizei zu Protokoll gegeben und ich bezog ein Hotel für die Nacht.



Mitfahrgelegenheit nach Mestia. Hier fährt viel, was bei uns schon lange keine Zulassung mehr hätte. Da muss ich zum Schluss auch noch mal eine Bildersammlung machen. (Und ja, das ist ein Rechtssteuer. Hier in Georgien trifft man links und rechts gleichermaßen an)

Kaamos

« Antwort #4 am: 23. Juli 2021, 15:19 »
Donnerstag, 07.07.2021

Heute hieß es zeitig aufstehen. Mit der Mietwagenfirma hatte ich vereinbart, mit der Marschrutka nach Kutaissi zu fahren und dort auf Ersatz zu warten. Marschrutkas sind Kleinbussammeltaxis, die in nahezu allen Post-Sowjetländern anzutreffen sind. Sie sind eng bestuhlt und die Fahrt ist rasant. Interessant ist zu beobachten, wie die Fahrer und viele Passagiere sich jedes Mal bekreuzigen, wenn man an einem Kreuz am Wegesrand vorbeikommt. 08:00 war Abfahrt und 13:30 habe ich den Bahnhof von Kutaissi erreicht. Noch schnell ein Hotel recherchiert und dann ging es mit dem Taxi ins Zentrum.



Mestia



30 Lari (8€) für ca. 250 km





Ich bin ja jemand, der gerne alles durchplant und genau weiß, wann er auf der Reise wo ist. Da bringt mich die Situation jetzt natürlich arg durcheinander. Aber auch damit muss ich klarkommen. Da wird die Reise für zwei Tage tatsächlich mal zum Urlaub, in dem es eher gemächlich zugeht.

Was heute noch folgt, ist ein kleiner Stadtspaziergang. So viel hat Kutaissi nicht zu bieten. Das Zentrum strahlt einen gewissen Charme aus, aber die Straßen sind auch schnell abgelaufen. Dann eben noch mit der Seilbahn zum traurig leeren Vergnügungspark gefahren und eine Runde mit dem Riesenrad aus den 80er Jahren gedreht.



Dies spielt auf einen alten Film an, bei dem der Junge unschlüssig ist, ob er springen soll oder nicht. Als dann zwei andere des Weges kommen, feuern sie ihn an, woraufhin er sich die Hüte schnappt und springt.









Typisch: Kwas, ein Getränk aus gegorenem Brot, wird direkt aus dem Tankwagen heraus verkauft.



Kolchis-Brunnen. Auf dem Brunnen sind vergrößerte Kopien von Gold- und Bronzearbeiten aus der georgischen Antike dargestellt. Kolchis war ein antikes Reich an der Ostküste des schwarzen Meeres, Kutaissi zeitweise dessen Hauptstadt. Kolchis ist vor allem auch aus der Argonautensage bekannt. Mit Hilfe der kolchischen Königstochter Medea raubte der Grieche Jason das goldene Vlies.





Eingang zur Markthalle







Viele alte Frauen versuchen ihre Rente aufzubessern. Es gibt auch zahlreiche Bettler.




Freitag, 08.07.2021

Noch immer keine Neuigkeiten vom Mietwagen. Nach spätestens zwei Tagen sollte ich eigentlich Ersatz bekommen. Also nutze ich die Zeit für ein ausgiebiges Frühstück und fürs Postkartenschreiben. Mittags mache ich einen Ausflug mit dem Taxi zum Motsameta-Kloster, dem „Kloster der Märtyrer“. Es erinnert an zwei Brüder, die eine gescheiterte Rebellion gegen die Araber im 8. Jh. angeführt haben und sich weigerten zum Islam zu konvertieren. Es ist schön auf einem Felssporn gelegen und auf dem Friedhof bimmeln die Glocken der Kühe.



Motsameta-Kloster



Als ich dann schließlich nachmittags zurück in Kutaissi schon ein Taxi für den nächsten kleinen Ausflug bestellen wollte, kam endlich Nachricht vom Auto! Es ist repariert und wird noch heute geliefert. Nur leider wurde keine genaue Zeit mitgeteilt, so dass ich die Zeit wieder im Zentrum totschlage. Gegen 23:00 endlich steht der Fahrer vor der Tür. Das Auto hat einen neuen Motor. Ich hatte ja eigentlich eher mit einem Ersatzwagen als mit einer Reparatur gerechnet. Umso mehr hat mich die Geschwindigkeit jetzt doch überrascht. Glücklicherweise deckt alles die Versicherung. „Manager says no problem! You are a good man!“. Ich habe den Eindruck, hier versucht man auch vieles für den Touristen hinzubiegen.



Kutaissi



Synagoge von Kutaissi. In Georgien gab es ein recht reges jüdisches Leben, aber mittlerweile ist die Gemeinde extrem geschrumpft. Viele sind nach Israel ausgewandert. Der Grund war aber eher wirtschaftlicher Natur. Die meisten Juden aus Georgien beschreiben Georgien als ein Land mit faktisch nicht existierendem Antisemitismus in der Bevölkerung.

Kaamos

« Antwort #5 am: 24. Juli 2021, 11:48 »
Samstag, 09.07.2021

Nun hänge ich zwei Tage im Plan hinterher… na mal schauen, wie ich mich da anpasse. So richtig Lust darauf, auf etwas von meiner Planung zu verzichten, habe ich eigentlich nicht. So geht es heute auch erst einmal nach Tskaltubo, einem der bedeutendsten Thermalbäder der Sowjetunion. Liebhaber von Lost Places kommen hier auf ihre Kosten. Der Glanz der stalinistischen Sanatorien ist längst verblasst. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kamen keine Gäste mehr. Stattdessen wurden um die zehntausend Flüchtlinge aus dem umkämpften Abchasien an der Schwarzmeerküste hier einquartiert.



Kutaissi - Parlamentsgebäude. In den 2000ern war Micheil Saakaschwili als Präsident Georgiens große Hoffnung auf Fortschritt. Und er hat durchaus einige Erfolge erzielt, wie etwa die Erneuerung des durch und durch korrupten Polizeiapparates. Mittlerweile ist er aber in Ungnade gefallen. Eines seiner Projekte war auch das neue georgische Parlament, welches er 2012 nach Kutaissi verlegte. Seit 2019 residiert es aber wieder im alten Gebäude in Tbilissi.



Tskaltubo. Die Reste der Sowjetsanatorien. Nur ein Badehaus ist noch in Betrieb.








Etwas weiter zurück in die Geschichte geht es nun in Zugdidi, kurz vor der abchasischen Grenze. Dabei schweife ich nun nach Frankreich zum kleinen großen Kaiser. Napoleon war ja dafür bekannt, seine Familie mit diversen Königreichen auszustatten. Zwar nicht von ihm veranlasst, so fand sich doch einer seiner Verwandten im Fürstentum Mingrelien wieder. Charles Louise Napoléon Achille Murat, der Enkel seiner Schwester, heiratete eine mingrelische Prinzessin und sammelte zahlreiche Devotionalien des Franzosenkaisers. Unter anderem kann man hier dessen Totenmaske bewundern.



Zugdidi - Palast der Fürsten Dadiani



Im Anschluss fuhr ich noch ein paar Kilometer nach Norden, um einen Blick auf die abchasische Grenze zu werfen. Georgien sieht Abchasien noch als Teil seines Staatsgebietes an. Die Abchasen und Russland sind anderer Meinung. An der kaukasischen Riviera brach in den 90er Jahren ein ziemlich heftiger Sezessionskrieg aus, der zum derzeitigen Status geführt hat. Mit etwas mehr Zeit hätte ich auch noch einen Abstecher nach Sochumi, der Hauptstadt Abchasiens gemacht. Eine Einreise von georgischer Seite aus ist möglich (wobei ich nicht weiß, wie es unter Corona-Bedingungen aussieht). Man darf dann nur nicht weiter nach Russland ausreisen, weil das von Georgien als illegale Ausreise gewertet werden würde. Zurück nach Georgien ist aber kein Problem.



Da hinten liegt Abchasien. Näher bin ich leider nicht an die Grenze ran gekommen, da mir die Zeit im Nacken saß.
Georgien hat einige separatistische Probleme. Nahe Tbilissi liegt Südossetien, welches auch schon mit Russlands Hilfe von sich reden gemacht hat. Die Grenze habe ich von der Autobahn aus auch gesehen.



So bleibt mir aber nur der Weg nach Süden, vorbei am schwarzen Strand von Ureki mit seinem magnetischen Sand bis hin zum botanischen Garten von Batumi. Die Fahrt dorthin hat mir gezeigt, was ich eigentlich nicht als Urlaub möchte. Links der Straße Hotelklötze und Kneipen, Läden voller aufblasbarer Strandutensilien, und rechts der Straße ein paar Bäume und ein von Touristen übervoller Strand. Aber ich kanns ihnen nicht verdenken, dass sie Abkühlung im Meer suchen. Mittlerweile brennt die Sonne heiß bei 34°C.



Das Wetter ist eigentlich nicht so schlecht, wie es hier aussieht. Die Berge Adschariens sind häufig wolkenverhangen. An der Küste scheint dann die Sonne. Dieses Klima sorgt auch für die herrlich grüne Landschaft. Es gibt hier auch große Teeplantagen.



Batumi



Beeindruckende Bambuswälder im Botanischen Garten Batumis







Am Grünen Kap



Ich habe da doch lieber den Schatten des botanischen Gartens von Batumi gesucht. Es sind eher Bäume als Blumen zu sehen, aber der Spaziergang durch die Wälder war entspannend. Noch dazu gab es einige tolle Blicke vom „Grünen Kap“ auf das Schwarze Meer und Batumi.
Batumi selbst ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt ein paar nette Altstadtstraßen – dort mit meinem großen Auto durch zu fahren ist nervenaufreibend – aber ansonsten ist es mittlerweile eine moderne Touristenstadt. Es wird auch als Las Vegas am Schwarzen Meer bezeichnet. Es gibt einige Casinos, die mit Vorliebe von den nahen Türken und Arabern besucht werden, die in ihren Ländern kein Glücksspiel finden. Dementsprechend viele Vollschwarzverschleierte Frauen habe ich hier gesehen.



Der Hafen von Batumi



Man beachte das Riesenrad, welches dort oben am Hochhaus hängt.





Medea mit dem goldenen Vlies



Eigentlich hatte ich hier zwei Übernachtungen eingeplant, um dann ein bisschen die Adscharische Küste zu erkunden (Adscharien ist eine autonome Republik innerhalb Georgiens. Die Beziehungen sind hier auch eher fragil). Jetzt bin ich eher froh, dass ich meinen Aufenthalt auf eine Nacht verkürze.



Mit der Argo-Seilbahn hat man einen tollen Blick über die Stadt.



Abends habe ich meine ersten Erfahrungen mit einem E-Scooter gemacht, um einen Blick auf die nächtliche Skyline zu bekommen.

Kaamos

« Antwort #6 am: 24. Juli 2021, 22:44 »
Sonntag, 11.07.2021

Tja, nun geht es also schon nach einer Nacht in Batumi weiter. Dadurch musste ich leider auch den geplanten Strandtag aus dem Programm streichen. Dabei hat sich das Wasser angenehm angefühlt und hätte bei erneuten 34°C sicher eine gute Abkühlung gebracht. Zumindest den Abstecher zur türkischen Grenze habe ich mir nicht nehmen lassen. Hier hätte man direkt im Schatten der Grenzgebäude baden können.



Georgisch-Türkische Grenze in Sarpi



So geht es aber weiter nach Osten, wieder hoch in die Berge – diesmal jedoch in den kleinen Kaukasus, also entlang der üppig grünen Südgrenze Georgiens. Hier gibt es einige mittelalterliche Bogenbrücken, die noch von Königin Tamar erbaut worden sein sollen. Eine davon steht in Makhuntseti und ist Touristenmagnet. Die Brücken sind schon schön anzusehen, wie sie sich elegant schmal und brüstungslos über das Wasser spannen. Wenn man dann am anderen Ende von Georgiern in Tscherkesska und Papacha (Leibrock und Kosakenmütze) erwartet wird, hat das natürlich seinen besonderen Reiz. Das ist mir dann die 15 Lari wert.





Dieser Landstrich ist noch stark muslimisch geprägt. Man sieht immer wieder Minarette zwischen den Bäumen aufragen. Grundsätzlich ist es aber eher ärmlich, kleine Dörfer und Siedlungen. Das macht sich später auch wieder an der Straße bemerkbar. Je weiter ich mich in die Berge hochwinde, umso schlechter wird sie, bis ich schließlich kurz vorm Goderdzi-Pass (2025m) auf ein recht umfangreiches Skiresort stoße: große Hotelanlagen und einige Lifte. Die Straße hierhin ist allerdings schon jetzt bei gutem Wetter grottig. Ich frage mich echt, wie hier die Gäste im Winter hinkommen sollen.







Wintersport am Goderdzi-Pass









https://www.youtube.com/watch?v=0zmL-nrGNrY

https://www.youtube.com/watch?v=dIuSwq4SWZE



Auf der anderen Seite des Passes ändert sich die Landschaft deutlich. Die üppig grünen Wälder sind passé, es wirkt jetzt karger, trockener und erinnert mich eher an Ostanatolien. Die Straße wird immer noch nicht besser und schneller als 15-20 km/h ist nicht drin.
Gegen 17:00 erreiche ich schließlich Achalziche, früher ein zentraler Markt für Sklavenhandel. Heute lebt man eher von Landwirtschaft und Tourismus. Ein besonderes Schmuckstück ist die Burg von Achalziche. Ich habe ja ohnehin ein Faible für die orientalische Kultur, aber das Gemäuer hatte eine wirklich angenehme Ausstrahlung in der goldenen Abendsonne und war für mich einer der schönsten Orte der Reise.



Festung von Achalziche








Kaamos

« Antwort #7 am: 25. Juli 2021, 12:56 »
Montag, 12.07.2021

Heute wird es interessant. Das ganze Gebiet ist ja ein Schmelztiegel der Kulturen, einige Handels- und Karawanenwege führten durch Georgien. Gleichzeitig ist es aber auch ein heiß umkämpftes Pflaster, treffen sich doch hier Türken, Perser und Russen, um sich mit den stolzen kleineren Kaukasusvölkern anzulegen. Das war schon immer so und wird wahrscheinlich noch lange so sein, wenn man auf die letzten Entwicklungen z.B. zwischen Armenien und Aserbaidschan schaut.

Vor 800 Jahren errichtete König Giorgi III. (Vater von Tamar), eine bemerkenswerte Grenzfestung gegen Türken und Perser. Vardzia ist eine Felsenstadt, die für knapp 50.000 Menschen angelegt wurde. Von über 3.000 Wohnungen sind heute noch ca. 750 Räume erhalten, darunter eine mit Fresken ausgestaltete Kirche. Es ist eine beeindruckende Anlage, die in die Felswand gehauen ist!



Von Achalziche nach Vardzia













Nun sollte es zurück nach Tbilissi gehen. Ich habe zwei Möglichkeiten: Nach Norden, zurück nach Achalziche und über Borjomi, einen beliebten Urlaubsort der zaristischen und Sowjetprominenz mit Mineralwasserquellen, oder nahe der armenischen Grenze durch das Trialetische Gebirge. Ich habe mich für die Südroute entschieden und nicht bereut. Die Landschaft war relativ karg, ein großes Hochplateau mit ausgedehnter Graslandschaft. Also im Grunde gab es nicht so viel zu sehen, aber diese Weite vermittelt ein ganz besonderes Gefühl der Einsamkeit und Freiheit.



Bis auf Russland hat Georgien eigentlich für die Region erstaunlich gute Beziehungen zu seinen Nachbarländern.







Und nun noch ein kurzer technischer Exkurs: Ich habe zwar auch immer eine klassische Papierkarte im Gepäck, aber Google Maps leistet durchaus treue Dienste. Auch die angegebenen Reisezeiten waren stets korrekt und haben die Straßenbedingungen gut berücksichtigt. Nur vereinzelt bin ich mal auf OsmAnd ausgewichen, weil hier auch gute Wege für Fußgänger und Offroad eingezeichnet sind. Nun muss ich aber doch die google’sche Urteilskraft arg in Frage stellen. Zwischen Tetrizqaro und Bolnissi hat es mich über die einsamsten Feldwege geführt, die ich nun wirklich nicht als Durchgangsstraße erkannt hätte. Zugegeben – auch hier überzeugt die Landschaft!





Der nächste Stopp war die Sioni-Kirche von Bolnissi. Von außen äußerst unscheinbar, birgt aber eine Besonderheit. An ihrer Mauer findet sich der älteste Beleg der georgischen Schrift in Georgien (nur in Palästina gibt ältere Beispiele). Gleichzeitig ist die Kirche auch der älteste datierte Kirchenbau in Georgien (errichtet 478-93). Bolnissi hat aber noch mit anderen Besonderheiten aufzuwarten. Ursprünglich hieß der Ort Katharinenfeld und wurde 1818 von kaukasiendeutschen Siedlern gegründet. Radikale Pietisten in Endzeitstimmung zogen von Württemberg aus in den Kaukasus, nur um dann schließlich von Stalin nach Sibirien deportiert zu werden.
Von Tbilissi gibt es vorerst nicht so viel zu berichten, da es wie schon bei der Ankunft nur kurze Zwischenstation ist.





Bolnissi-Inschrift. Leider nur Wikipedia, mein Bild ist nicht geworden :(







Der Baustil hebt sich deutlich vom normalen georgischen Haus ab.



Sameba-Kathedrale Tbilissi

Jef Costello

« Antwort #8 am: 25. Juli 2021, 16:35 »
Also nur mal so, bei mir braucht es trotz schneller Internetverbindung einige Zeit, bis die Seite geladen hat. Ich weiß nicht, ob das am Forum liegt. Da vergeht dann schnell das Leseinteresse. Vielleicht wäre es besser, wenn du die Fotos nur als anklickbaren Link anlegst, aber nicht einbettest (bzw. nicht so viele Fotos).

Kaamos

« Antwort #9 am: 25. Juli 2021, 17:41 »
Die vorhergehenden Beiträge kann ich nicht mehr ändern, aber bei den folgenden achte ich auf kleinere Bilder.

Kaamos

« Antwort #10 am: 25. Juli 2021, 22:37 »
Dienstag, 13.07.2021

Heute Vormittag mache ich einen Exkurs in die georgische Religionsgeschichte. Im Jahr 337 wurde das Christentum von der heiligen Nino in Georgien eingeführt, doch ganz wesentlich für die Verbreitung wurden die sogenannten 13 Syrischen Väter, Wandermönche, die aus dem Georgischen Kloster in Jerusalem stammten. Im 6. Jh. zogen sie missionierend nach Georgien und gründeten mehrere Klöster, hauptsächlich in Zentral- und Ostgeorgien. Einer dieser Mönche war Dawit Garedscha, nachdem mein heutiges Ziel benannt ist. Der Weg dorthin führt von Tbilissi aus nach Süden über anfangs große Straßen, die immer kleiner wurden und Schlaglöcher bekamen. Die Schlaglöcher wurden zu Kratern, der Belag verwandelte sich in Geröll und zum Schluss landete ich auf einem Feldweg. Der ist bei trockenen 40°C immerhin angenehm glatt, aber bei Regen bestimmt nahezu unpassierbar. Hier herrscht eine tolle Stimmung. Mitten im Nirgendwo fährt man knapp an der Aserbaidschanischen Grenze entlang. Allein ist man dennoch nicht. Ein lautes zirpen liegt in der Luft. Die Geschichten von biblischen Heuschreckenschwärmen werden umso einleuchtender, wenn man sich die riesigen Tiere anguckt, die hier durch die Gegend schwirren. Einige haben sich ins Auto verirrt. Seitdem bin ich lieber mit geschlossenem Fenster gefahren. Das Kloster Dawit Garedscha liegt einsam, direkt auf der Grenze zu Aserbaidschan.



"Schöner wohnen" in Tbilissi. Ich bin ja schon ein bisschen neugierig, wie die Wohnungen hinter solchen Fassaden aussehen...



Auf dem Weg nach Dawit Garedscha



6-8 cm groß





Faszinierende Felsformationen nahe des Klosters. Leider kommen die Farben hier nicht ganz so schön rüber.



Kloster Dawit Garedscha. Mit ausgeklügelten Techniken sammeln die Mönche über Rinnen im Fels Wasser. Das ist in dieser trockenen Gegend auch bitter nötig.

Google und ein etwas ungünstig platzierter Wegweiser haben mich nun ich die irre geführt. Ich dachte, ich hätte das falsche Kloster besucht und Dawit Garedscha liege einen Höhenzug weiter nördlich. Also biege ich doch glatt noch einmal querfeldein ab. Und das mit dem Feld ist wörtlich zu nehmen. Eine Einsiedelei habe ich tatsächlich gefunden, doch der Mönch schickt mich wieder fort, ich war schon richtig gewesen beim ersten Kloster.

https://www.youtube.com/watch?v=Tm1Nbxl0qR0

Die Verbindungsstraße zum Kakheti Highway (Tbilissi – Aserbaidschan) als Nordzufahrt zu Dawit Garedscha war eine perfekt ausgebaute Straße. Das hat mich ein wenig verwundert, da Google hier keine durchgehende Routenberechnung ermöglicht und ich mit ganz anderen Verhältnissen gerechnet habe. So bin ich recht zügig zur Ninotsminda Kathedrale gekommen, der Kathedrale der heiligen Nino. Leider ist es heute nur noch eine Ruine, gelegen in einem sehr gut gepflegten Nonnenkloster. Es ist schon interessant, einer Nonne beim Mähen eines nahezu englischen Rasens zuzuschauen, statt in tiefer Kontemplation versunken. Auch wenn heute nur noch eine Ruine steht, ist die Kirche architektonisch bedeutsam. Sie ist eine der ersten Tetrakonchos-Kirchen, d.h. ein Bau mit vier Apsiden, eine für den südlichen Kaukasus typische Form.



Am späten Nachmittag wand ich wand ich mich die Serpentinen nach Sighnaghi hoch, der georgischen Stadt der Liebe. Mit grandiosem Blick auf den Kaukasus (der jetzt leider gerade im Dunst lag) und mit europäischen Geldern hübsch sanierten Fassaden, kommt man hier gern her zum Heiraten. Das Standesamt soll wohl sogar einen 24/7-Service haben. Ich habe keine Brautpaare gesehen. Möglicherweise liegt dies aber auch an Corona, da größere Familienfeiern noch immer untersagt sind. Mir sind aber in einigen Städten sogenannte Palaces of Rituals aufgefallen, extra Veranstaltungsorte für Hochzeiten. In Tbilissi steht ein besonders expressionistisches Exemplar, leider habe ich vergessen, daran vorbei zu fahren. Was ich jedoch nicht vergessen habe ist ein Besuch bei der Großen Mauer von China… pardon, Georgien. Das kleine Städtchen Sighnaghi ist von einer 5 km langen Stadtmauer umgeben, wobei der Ort selbst nur eine kleine Fläche innerhalb der Mauern beansprucht. Der Großteil ist Wald. Ich weiß leider nicht, ob das in früheren Zeiten anders war, auf jeden Fall ist es heute ein Kuriosum.
Am frühen Abend machte ich noch einen kleinen Ausflug zum Kloster Bodbe, ganz in der Nähe. Hier soll die heilige Nino begraben worden sein.



Sighnaghi - bei guter Sicht, sähe man im Hintergrund die Gipfel des Großen Kaukasus





Kloster Bodbe

Nach dem Abendessen bin ich noch Zeuge einer ganz besonderen georgischen Tradition geworden. Im Restaurant wurde eine Supra gefeiert, eine Art georgisches Bankett. Essentiell für eine Supra ist der Tamada, der Tischmeister. Er ist für das ausbringen der Trinksprüche verantwortlich. Dies ist aber beileibe keine flapsige Angelegenheit, sondern ist mit viel Pathos und weitschweifigen Geschichten verbunden. Es wird getrunken auf die Liebe, Georgien, die Familie, die georgische Sprache, die Freunde, die Frauen, die Helden, … - immer Verbunden mit einer poetischen Geschichte. Und da ich ja weder georgisch noch russisch spreche (die Supra war auf Russisch), kann ich von Glück sagen, dass ich mit einem Touristen aus Dresden mit seiner Belarussischen Frau ins Gespräch gekommen bin und die fleißig übersetzt hat. Und da Gastfreundschaft den Georgiern heilig ist, wurden wir gleich mit ins Gelage einbezogen.

Kleine Anmerkung am Rande... der Tamada, der natürlich kräftig mit getrunken hat, wollte die anderen Touristen dann ins Hotel fahren. "No problem. I'm the police."

Kaamos

« Antwort #11 am: 26. Juli 2021, 11:37 »
Mittwoch, 14.07.2021

Heute heißt das große Ziel: Natur. Ich werde den Vashlovani Nationalpark besuchen, im Südosten Georgiens. Eigentlich hatte ich hierfür zwei Tage eingeplant, inklusive Übernachtung unter freiem Himmel. Da ich aber immer noch einen Tag im Plan hinterher hänge, streiche ich die Übernachtung. Auch auf die Schlammvulkane im Park verzichte ich nun leider.

Doch bevor ich überhaupt in den Park kann, muss ich mir einen Passierschein von der Grenzpolizei organisieren. Vashlovani liegt direkt an der aserbaidschanischen Grenze und darf ohne Erlaubnis nicht besucht werden. Zum Glück geht das recht unkompliziert. Via Email erledigt die Nationalparkverwaltung das für mich und ich muss nur den schon bereitgehaltenen Schein abholen. Nun ist es trotzdem noch eine einstündige Fahrt, bis ich den Parkeingang erst einmal erreiche. Es ist wieder eine sehr einsame Gegend. Unterwegs werde ich nur von zahlreichen Adlern begleitet. Die Gegend bietet eine reiche Tierwelt. Ich konnte viele Vögel beobachten, teils wunderbar bunt. Es ziehen auch einige Gazellenherden ihre Kreise, leider habe ich keine getroffen, genauso wenig den kaukasischen Leoparden, der vor Jahren sich hier hat mal blicken lassen.











https://www.youtube.com/watch?v=iZj5IbpZMJI

https://www.youtube.com/watch?v=xyP2fqlk81c



Doch das tut dem Erlebnis keinen Abbruch. Knapp sieben Stunden lang habe ich eine bemerkenswerte Landschaft erkundet. So stelle ich mir eine Safari in Afrika vor (nur eben mit mehr Tieren). Sanfte Hügel, bizarre Felsformationen, Grasland, Pistazien- und Wacholderwälder – und dazwischen ausgetrocknete Wasserläufe. Mit 46°C kommen wir auch schon in wüstenähnliche Temperaturbereiche.
Das ist allerdings auch eine Landschaft, in der ich keine Panne haben möchte. In den ganzen Stunden habe ich keine Menschenseele getroffen – abgesehen von den einem Grenzposten, der meinen Passierschein kontrolliert hat. Der wäre dann vielleicht meine Rettung gewesen im Fall der Fälle.

Gebraucht habe ich ihn allerdings nicht, es ist alles gut gegangen… Naja… so ziemlich. Die Kurve war aber auch spitz und die Straße so steil. Ohne jetzt meine Fahrkünste beurteilt haben zu wollen, es was schon etwas unangenehm, nur eine Woche später den nächsten Vorfall zu haben. Zumindest nicht ganz so dramatisch. Die Stoßstange war etwas lädiert und eine Radkastenverkleidung hat sich verabschiedet. Alles Dinge, die sich relativ schnell beheben lassen sollten.

Alles in allem hat es in Nationalpark doch etwas länger gedauert als gedacht, eine Übernachtung unterm Sternenhimmel wäre also durchaus sicher schön gewesen. So bin ich aber relativ spät in Telawi (130 km nördlich) angekommen.



Pistazienbaum



https://www.youtube.com/watch?v=O5YbsaYMcy4



Am andern Ufer ist Aserbaidschan



Mein erstes Erlebnis mit Hütehunden. Die haben ihre Herde gut verteidigt. Ohne Auto hätte ich ihnen nicht begegnen wollen.

Kaamos

« Antwort #12 am: 26. Juli 2021, 19:03 »
Donnerstag, 15.07.2021

Meine Unterkunft in Telawi heißt Tel Aviv. Mit Israel hat die Hauptstadt Kachetiens aber nichts zu tun, das ist nur ein Wortspiel. Immerhin funktioniert es, hat es mich doch zum Buchen animiert. Die Gastgeber sind sehr herzlich und haben mir auch gleich wieder bei der Autoreparatur geholfen. Zuerst ging es zur Autowäsche und danach zur Werkstatt. Gegen 14:00 waren alle Spuren des Missgeschicks beseitigt.

Die Zwischenzeit hatte ich genutzt, das kleine Zentrum Telawis zu erkunden. Unter anderem steht hier der Palast der Könige von Kachetien. Obwohl es auch schon ein mittelalterliches Königreich Georgien gab, existierten auf dem heutigen Staatsgebiet zeitweise mehrere Herrschaften. Das Königreich Kachetien war eine davon. Ende 18./Anfang 19. Jh. wurde es schließlich vom russischen Reich geschluckt, nachdem die Russen zuerst ihren Bündnisverpflichtungen nicht nachgekommen sind und die Perser daraufhin die georgische Streitmacht vernichtend geschlagen haben. Persische Einflüsse findet man noch an vielen Stellen, so auch am Palast selbst mit seinen Iwanen.
Die anschließende Fahrt nach Gremi führt mich zur nächsten, wesentlich älteren Residenz.



Batonis Ziche - der Palast von Telawi





Thronsaal von Erekle II. (Herkules II.), dem letzten König im prärussischen Georgien. Sein Ziel war es, die einzelnen georgischen Reiche zu einen, woran er allerdings scheiterte. Nichtsdestotrotz war er äußerst beliebt, v.a. weil er seine Truppen persönlich in die Schlacht führte. Man nannte ihn auch den "kleinen Kachetier", in Analogie zu Napoleon als "kleinen Korporal".

Eine andere kachetische Königsresidenz befindet sich in Gremi, einer einst reichen Handelsstadt an der Seidenstraße, bis die Perser sie 1615 platt machten. Die Burg mit Kathedrale und Wohnturm und Weinkeller steht noch heute. Den Weinkeller erwähne ich bewusst, da Georgien als das Geburtsland des Weines gilt. Schon vor 7.000 Jahren wurde hier die Rebe kultiviert und verarbeitet. Nahezu jeder Haushalt hat (in den klimatisch passenden Regionen Georgiens) seinen Wein im Hof und stellt seinen eigenen Hauswein her. Besonders hier in Kachetien reiht sich ein Weingut an das andere. Ich finde es schade, dass georgischer Wein seinen Weg noch nicht zu uns gefunden hat.



Burg Gremi





Kloster Nekresi (hier wirkte übrigens auch einer der 13 syrischen Väter)



Und jetzt stellt euch dazu noch intensiven Weihrauchgeruch vor.


Der Weinkeller des Klosters. In die Vertiefungen kommen die Quevris, die Tongefäße, in denen der Wein gelagert wird.



Wein, soweit das Auge reicht



Da mir nun ein wenig der Vormittag abhandengekommen war, beschränkte sich der restliche Nachmittag nur auf einen Besuch des Klosters Nekresi – mit weitem Blick über ausgedehnte Weinfelder – sowie einen Abstecher nach Lagodechi. Hier kann man auch schön wandern, aber dafür braucht man Zeit. Über die Dörfer geht es schließlich zurück nach Telawi zum Chashushuli (Rindfleischeintopf). Als ich schließlich wieder im „Tel Aviv“ ankomme, werde ich auch gleich an die nächste Tafel gebeten. Meine Gastgeber hatten eher eine kleine Feier und nun werden mir noch zahlreiche Reste kredenzt, inklusive des sich nie leerenden Weinglases. In bester Tamadamanier gab es natürlich auch einen Trinkspruch nach dem nächsten. Mit „auf die Freundschaft“ geht es dann zu Bett.



Melonen, die zweite große Leidenschaft der Georgier. Das Kilo kostet 20 Tetri (5 Cent)





Feierabendverkehr



Es gibt unglaublich viele Straßenhunde in Georgien...



... aber das war der erste Ort, an dem sogar Hütten für die Hunde aufgestellt wurden. Wohlweißlich außerhalb des Dorfes.



Wenn das nicht so sehr nach "Viel Glück - Sie werden es brauchen" klingen würde.



Endlich klart es auf und der Große Kaukasus lässt sich blicken.

Kaamos

« Antwort #13 am: 27. Juli 2021, 13:07 »
Freitag, 16.07.2021

Es ist erstaunlich, dass der kaukasische Wein bisher keinen Kater hinterlassen hat. So konnte ich recht früh schon nach Tsinandali aufbrechen, einem bedeutenden alten Weingut. Teils lagern hier noch Flaschen aus dem 19. Jh. Das Gut ist jedoch auch literarisch interessant. Einerseits war dessen Erbauer Alexander Tschawtschawadse ein bedeutender georgischer Dichter, noch viel präsenter war mir der Ort jedoch durch Alexandre Dumas, dessen Kaukasusreisebericht ich gerade lese. Der Franzose war auch zu Gast in Tsinandali und beschreibt äußerst spannend den Überfall des kaukasischen Freiheitskämpfers Schamyl auf das Gut, bei dem er die Fürstin Tschawtschawadse entführte. Leider war ich für eine Besichtigung zu zeitig dran.

Stattdessen fahre ich weiter zum Alawerdi-Kloster, der drittgrößten Kirche Georgiens. Es ist eine schöne Anlage, v.a. mit den Kaukasusgipfeln im Hintergrund. Im aus dem 11. Jh. stammenden Dom fand gerade Gottesdienst statt. Zur Tür reinschauen durfte ich, als ich jedoch weiter ins Kirchenschiff kommen wollte, stand gleich ein Mönch bereit und frug mich nach meiner Konfession. Nur als Orthodoxer hätte ich weiterkommen dürfen.



Alawerdi



Eine religiös ebenfalls recht interessante Ecke dürfte Tuschetien sein. Die ziemlich abgelegene Region im Osten Georgiens hat sich lange Zeit der Zwangschristianisierung widersetzt und nahmen erst ca. 500 Jahre nach dem restlichen Georgien den christlichen Glauben an. Pagane Traditionen werden aber noch heute intensiv weiter gepflegt. Die Zufahrt nach Tuschetien erfolgt über den Abano-Pass, ist aber nichts für den ungeübten Fahrer. Vor allem Wetterumschwünge, Steinrutsche, Tiere und Gegenverkehr erschweren die Fahrt. Die schlechte Fahrbahn erwähne ich jetzt schon gar nicht mehr. Leider ist es in den Mietwagenbedingungen explizit verboten, nach Tuschetien zu fahren. Deshalb erlaube ich mir nur einen kurzen 20-km-Abstecher in die Berge. Anfangs klappt es recht gut, aber der Motor hat schon ganz schön zu arbeiten. Als ich dann an die ersten engen Serpentinen komme, macht sich wieder die Ölwarnlampe bemerkbar. Na wenn das mal kein Zeichen ist, jetzt lieber umzukehren. Bergab mit vielen Pausen geht die Lampe an, aus, an, aus, bis sie im Tal schließlich ganz aus bleibt. Eine kurze Kontrolle des Ölstandes sagt: noch okay.



Tuschetien. Hier bin ich dann lieber umgedreht. Wobei wenden bei diesen Straßen auch nicht gerade einfach ist.

Am Zhinvali-Stausee befindet sich Ananuri, eine hart umkämpfte Burg. Sie war Schauplatz zahlreicher Belagerungen und natürlich gibt es auch hier wieder eine Kirche zu bewundern. Vor allem der  reiche Fassadenschmuck hat mir hier gefallen.



Ananuri. Im Wasser rechts sind noch Pfeiler zu sehen. Das sind Obeliske an einer Brücke der ursprünglichen Heerstraße, vor Aufstauung des Zhinvali-Stausees





Da sich jetzt doch wieder die Öllampe meldet und es ja noch weiter in die Berge hoch gehen sollte, habe ich bei einer der kleinen Werkstätten angehalten, die hier überall am Wegesrand zu finden sind. Mit Händen und Füßen konnten wir uns dann darauf verständigen, was ich wollte. Spätestens, wenn die Frage nach dem Heimatland kommt, läuft alles bestens. Deutschland hat einen guten Stand im Kaukasus.

Nun geht es also wieder in die Berge. Ich folge der alten georgischen Heerstraße, die schon seit Jahrtausenden eine der wichtigsten Handelsrouten über den Kaukasus war. Es war eine angenehme Fahrt inmitten des Hochgebirgspanoramas, zumal die Straße hier auch ausgezeichnet ausgebaut war. Kein Schotter, kaum Kühe, genug Möglichkeiten, auch mal den langsamen LKW zu überholen… und LKWs waren viele unterwegs. Es gab vielfältige Kennzeichen zu bewundern: Georgien, Russland, Armenien, Türkei, Aserbaidschan, Kasachstan, Belarus, …







Russisch-Georgisches Freundschaftsdenkmal an der Teufelsschlucht



Travertin-Kaskaden am Kreuzpass

Kurz vor 18:00 erreichte ich dann den Gudauri-Aussichtspunkt mit dem Russisch-Georgischen Freundschaftsdenkmal. Hier wird seit 1983 dem Vertrag von Georgijewsk (1783) gedacht, mit dem Georgien zum russischen Protektorat wurde. Heute kreisen hier wagemutige Touristen mit Gleitschirm über die Teufelsschlucht. Ich versagte mir dieses Vergnügen, hatte ich doch noch paar Kilometer vor mir.
Kurz vor der russischen Grenze liegt der Ort Stepanzminda. Älteren Reisenden mag es noch als Kazbegi bekannt sein, denn im 20. Jh. trug der Ort den Namen des georgischen Schriftstellers Alexander Kazbegi. Leider war der gleichnamige Gipfel bei meiner Ankunft wolkenverhangen. Erst nach Sonnenuntergang klarte es langsam auf.



Gergeti Dreifaltigkeitskirche nahe Stepanzminda

Surfy

« Antwort #14 am: 27. Juli 2021, 14:09 »

Danke für diesen unglaublich schönen Reisebericht!

Hier immer die Bilder passend im Text einzubauen ist nicht wenig Arbeit - vielen Dank!

Auch die Bilder - einfach schön!

Surfy

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