Thema: Ab ins jüngste Land Europas  (Gelesen 3545 mal)

Kaamos

« am: 20. Juli 2019, 22:16 »
Heute versuche ich mich mal ein bisschen kurz zu fassen...

Hauptziele der Tour waren Bosnien und der Kosovo. Leider hatte ich nur 14 Tage zeit und da fällt vieles, was man noch hätte sehen und machen können, runter. Und das was ich geschafft habe zu sehen, macht auf jeden Fall Lust auf mehr.



Schon die erste Etappe nach Bratislava hat mich positiv überrascht. Ich kenne die Hauptstadt der Slowakei bisher nur vom Durchfahren, bzw einem Stopp beim Brückenrestaurant Anfang der 90er. Aber heute ist die Altstadt ja wirklich sehenswert!



Über Ungarn und Kroatien ging es  nach Bosnien, genauer: Jajce. Im Mittelalter war dies die erste Hauptstadt Bosniens und im zweiten Weltkrieg wurde hier das sozialistische Jugoslawien gegründet. Es ist ne hübsche kleine Stadt mit schönen Wasserfällen und einigen kleinen Museen (unterirdische Kirche, Burg, Wassermühlen).
Aber schon allein die Fahrt durch die Berge von Banja Luka aus war toll. Viel Natur, Schluchten und schöne Blicke auf sich windende Flüsse. Unterwegs gibt es auch viele kleine Restaurants und Campingplätze für die, die eher diese Unterkunft bevorzugen.
Ich habe mir alles über Booking.com vorgebucht. Kleine Pensionen, B&Bs, bzw scheinbar auch schon mal das Gästezimmer für Familien, die sich was dazu verdienen.

zwischen Banja Luka und Jajce
Jajce:


Es war zugegebenermaßen schon ein kleiner Kulturschock, dass so kurz vor der eigenen Haustür plötzlich der Muezzin zu rufen beginnt. Und kurz hinterher die Kirchenglocken läuten. Mir gegenüber - vor allem als Deutschen - waren alle immer sehr aufgeschlossen und freundlich, egal welcher Religions- oder Volkszugehörigkeit. Aber man merkt deutlich, wie tief die Gräben noch immer auf dem Balkan verlaufen, wie viel Hass noch immer dort rum geistert. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ein Staat wie Bosnien überhaupt zusammen hält.

Nach Jajce ging es weiter nach Osten. In Visoko bin ich kurz an den bosnischen Pyramiden (https://de.wikipedia.org/wiki/Bosnische_Pyramiden) vorbei gefahren, habe mich aber aus Zeitgründen nicht länger aufgehalten. Schließlich wollte ich noch Sarajewo erkunden. Und ich muss sagen: Das ist eine schöne Stadt! Mit meiner Unterkunft direkt hinterm alten Rathaus hatte ich auch eine gute Ausgangsposition für Erkundungen. Der Baščaršija ist echt sehenswert. Hier kann man sich auch ein Genozidmuseum anschauen. Ich habe es getan und bin mit einem mulmigen Gefühl wieder raus gekommen. Man fühlt sich sehr an den zweiten Weltkrieg erinnert und einem wird noch mulmiger wenn man daran denkt, dass diese Konzentrationslager, Massengräber und Völkermorde des Bosnienkrieges noch gar nicht so lange her sind.
Nachmittags habe ich dann die Seilbahn auf den Trebević genommen, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den Talkessel von Sarajewo hat. Oben am Gipfel kann man sicher schön wandern. Ich habe nur einen kleinen Spaziergang bis zur nun überwucherten olympischen Bobbahn von 1984 gemacht.
Nach dem Blick von oben dachte ich mir zwar, ich kann mir den Sonnenuntergang von der gelben Bastion (Zuta tabija) sparen, bin aber froh, dass ich doch noch hoch bin. Im Sonnenuntergang gibt die Stadt auch ein schönes Bild ab.



altes Rathaus Sarajewo



Lateinerbrücke - hier wurde 1914 der österreichische Thronfolger erschossen, was letztendlich den 1. Weltkrieg ausgelöst hat. Es gibt auch ein kleines Museum vor Ort.



Souvenirs - Man merk, der Krieg ist noch allgegenwärtig



Man sieht erstaunlich viele schwarzverschleierte. Und Frauentrauben, die einem Mann folgen. So extrem war es nicht mal im Irak dieses Jahr  :o


Seilbahn zum Trebevic und Bobbahn am Gipfel


Baščaršija


Das erste Mal, dass ich wirklich einen Muezzin sehe - sonst kommts ja immer nur aus dem Lautsprecher

Sicher hätte man noch mehr Tage hier verbringen können, aber ich wollte ja noch weiter gen Kosovo. Doch die nächste Etappe führt erst einmal nach Konjic mit schöner alter osmanischer Brücke, vorbei am Jablaničko jezero mit herrlicher Wasserfarbe durch die sehenswerte Schlucht der Neretva bis nach Mostar.
Mostar habe ich 2004, kurz vor Eröffnung der neuen alten Brücke besucht. Ich war dieses mal schockiert, wie sehr es sich verändert hat. Damals war NIEMAND hier. leere Gassen, keine offenen Läden. Heute ist die Stadt im Gegensatz dazu fast schon überlaufen. Viele viele Touristen und ein Souvenirstand am andern.


Konjic. Bosnischer Kaffe (ähnlich dem türkischen) ist sehr zu empfehlen.


Jablaničko jezero


Mostar (Unterkunftstip: Lovely bosnian home - nette Gastgeber in altem osmanischen Haus)

Man kann neben dem Moscheebesuch auch die Minarette besteigen - fand ich reizoll, da ich das Vergnügen bisher noch nicht hatte.

Das Wetter war gnädig. Zwar schüttete es in der Nacht und am nächsten Morgen, doch als ich nach kurzer Fahrt in Počitelj ausstieg, wars trocken. Eine Künstlerkolonie in altem osmanischen Dorf. Für einen kurzen Spaziergang war es schön. Danach noch einen Abstecher zur Tekke (Derwisch-Kloster) von Blagaj. Hier entspringt der Fluss Buna. Hätte das Wetter noch etwas besser mitgespielt, wären die Wasserfarben sicher großartig gewesen. Aber auch so war der Umweg durch Granatapfel- und Feigenwälder lohnenswert.
In Radimlja habe ich mir sogenannte Stecci angeschaut, mittelalterliche bosnische Grabsteine. Und dann gings bergab - zumiindest mit dem Wetter. Von Trebinje aus bin ich über die Berge nach Montenegro gefahren - Im heftigsten Unwetter. Es hat geschüttet, Sturzbäche kamen über die Straßen und ich hab sogar im Fußraum des Autos nasse Füße bekommen  :o
Noch mal auf den Lovcen hoch zu fahren, konnte ich knicken. Also nur ein kleiner Ausflug nach Budva (Kotor wäre noch zu verregnet gewesen). Und auch hier war ich wieder schockiert - im Vergleich zu 2004 hat sich so viel verändert. Überall halbnackte Russen und Serben, so viele Neubauten. Ich muss sagen, ich hab mich ein wenig unwohl gefühlt. Das konnte auch die Altstadt nicht so ganz raus reißen.


Tekke Blagaj


Pocitelj von der Burgruine aus


Stecci in Radimlija


Bucht von Kotor - man sieht noch, wie der Regen runterkommt :o


Budva

Der morgen beginnt mit SOnnenschein - also kann ich meine Fahrt auf den Lovcen nachholen - entlang der Serpentinen von Kotor geht es nach oben - sehr lohnenswert. Tolle Blicke in den Fjord hinein. Aber auch die Fahrt bis auf die Spitze zum Mausoleum lohnt sich. Man meint, von hier aus das ganze kleine Montenegro überblicken zu können!
Via Bar ging es dann weiter nach Albanien. Ich hätte gern mehr gesehen von diesem schönen Land, hab mich aber auf eine Übernachtung in Kruje beschränkt. Für Albanien muss mal ein separater Urlaub her.
In Kruje kann ich die "Rooms Emiliano" empfehlen. Oder auch nicht, nicht dass es jetzt seinen Charme verliert  8)
Direkt oben in der Burg von Kruje gelegen, hat man einen tollen Blick bis an die Adria. Das Personal ist mehr als freundlich und die Verpflegung top! Zimmer, mehrgängiges (von der Mama gekochtes) Abendessen und Frühstück im Garten für 17€ - was will man mehr?
Das Museum in der Burg ist natürlich Propaganda pur für den albanischen Nationalhelden Skanderbeg. Und der Basar besteht auch aus einem Souvenirshop neben dem anderen. Aber es war hübsch anzusehen. Vor allem, weil es hier im Gegensatz zu Montenegro überhaupt nicht überlaufen war. Und die Läden haben nicht nur den üblichen Touristentand, sondern man findet auch einige schöne Trödler.


Die Serpentinen über Kotor

Mausoleum auf dem Lovcen

Kruje - Rooms Emiliano



Kaamos

« Antwort #1 am: 20. Juli 2019, 23:10 »
NAch der kurzen albanischen Stipvisite geht es nach Osten über sehr gute Straßen bis zur kosovarischen Grenze. Wie bei allen Grenzen bisher geht es auch hier unkompliziert und schnell. Nur eine KFZ-Versicherung muss ich abschließen, da die grüne Karte nicht anerkannt wird. 15€ für 15 Tage. Das ist okay.

Stop 1 ist Prizren. Eine schöne kleine Altstadt mit tollem Blick von der Burg aus. Man sieht wenig vom Krieg. Nur die orthodoxen Kirchen sind teils zerstört. Auffällig ist aber, dass man so gut wie keine kosovarische Flagge sieht (nur in Pristina sah ich einige). Es hängen hauptsächlich albanische Flaggen, UCK-Banner und viele viele Heldendenkmäler.
Aber die Stimmung mir als Touristen gegenüber war sehr angenehm. Freundlich und aufgeschlossen.
Unterkunft hatte ich ich in Gjakove. Ein 120 Jahre altes Haus, wo man das Badezimmer der Hausherrn mit benutzt. Aber alles wieder mehr als okay. Die Mama kocht - und das nicht schlecht. Gjakoves Basar ist eher eine Aneinanderreihung von einer Bar an  die andere, aber die Moschee vor Ort ist sehr schön.
Nachmittags bin ich noch zum Kloster Visoki Decani gefahren. Hier wacht noch die KFOR über die orthodoxen Mönche, damit die einheimischen Albaner keinen Blödsinn machen. Man gibt seinen Pass ab, wenn man rein will. Aber alles unkompliziert. Drinnen sieht man schöne Fresken. Ein Besuch lohnt.


Prizren


Gjakove


Visoki Decani

Von Gjakove aus ging es nach Pristina. Eine moderne Stadt, wo man hinfahren kann, um zu sagen, man war in der Hauptstadt. Aber sie ist nicht das Nonplusultra. Ein kleines ethnologisches Museum im alten osmanischen Haus, eine Ausstellung über den kosovarischen Unabhängigkeitskampf, die Mutter-Theresa-Kathedrale - das waren meine Besichtigungspunkte. Und die angeblich so hässliche Bibliothek ist meines Erachtens nach gar nicht sooo schlimm.

Weiter ging es nach Peje zum Patriarchenkloster. Hier bewacht die KFOR nicht mehr, sondern die kosovarische Polizei. Aber die orthodoxen Nonnen beschweren sich deutlich, dass dadurch vieles schlechter geworden ist. Drinnen sind wieder sehenswerte Fresken - alles mit einem guten Audioguide erklärt. Und es gibt selbstgemachten Honig und Wein als Souvenirs.
Von Peje aus bin ic hdie Rugova-Schlucht hoch gefahren. Hier kann man sicher super wandern und es gibt auch einige Klettersteige. Aber das ist beides nicht ganz so meins, sodass ich mich nur an die Straße gehalten habe. Die Fahrt hat sich gelohnt. Sehr schöne Landschaft! Man kommt bis kurz vor die montenegrinische Grenze. Aber der Grenzübergang selbst ist unpassierbar.


Newborn-Denkmal in Pristina. Die Gestaltung wechselt im Lauf der Jahre immer wieder


Mutter Theresa wird hoch verehrt. Ihre Mutter Stammt aus dem Kosovo

Nationalbibliothek in Pristina

Patriarchenkloster Peje

Rugova-Schlucht

Sicher geht noch mehr im Kosovo - aber mir fehlt die Zeit. Also geht es über Peje zurück nach Montenegro. Ich habe kleine Nebenstraßen durch die Berge über Berane und Kolasin und Niksic genommen (die Karte am Anfang des Beitrags ist da nicht genau). Es hat sich gelohnt. Der Straßenzustand war gut, aber durch das ganze Gekurve ist man natürlich nicht so schnell. Die Aussichten waren super und die Fahrt hat Spaß gemacht. Noch mal kurz via Trebinje durch Bosnien und dann nach Kroatien - Übernachtung bei Slano. Dubrovnik habe ich ausgelassen, da ich hier schon war.


Kosovo, kurz nach Peje geht es hoch in die Berge zur Grenze

Montenegro

Bosnien kurz nach der Grenze Klobuk


Dubrovnik

Was ich mir noch gern anschauen wollte, war Split. Ich habe aber den Fehler gemacht, mit dem Auto bis ins Zentrum zu fahren, um einen Parkplatz zu suchen. Wenn man nicht unbedingt muss: HAFEN MEIDEN! Hier stand ich dann eine knappe Stunde im Stop-and-go, um einen km voran zu kommen. Besser einen Parkplatz in den Wohngebieten nördlich der Altstadt suchen. Das hat meine Laune sicher soweit getrübt, dass ich das hübsche Zentrum nicht mehr so genossen habe. Dazu kommt noch, dass die Kroaten den Touristen das Geld sehr aus der Tasche ziehen. Ein Besuch in den Kellern des Diokletioanpalastes lohnt zB überhaupt nicht. Leere Gewölbe ohne irgendwelche Beschreibungen. Dafür sollte man sich aber den Dom nicht entgehen lassen und unbedingt auf den Turm steigen, auch wenn man eine Weile ansteht.

Schöner als Split kam mir dann aber am Nachmittag Trogir vor. Kleiner, gemütlicher...


Split


Trogir

Achtung: Wenn man in Trogir übernachtet sollte man bedenken, dass es in der Einflugschneiße des Flughafens Split liegt. Ich fands interessant zu beobachten. Aber es gibt ja genug Menschen, denen es zu laut ist, wenn 30-40 Meter über einem die Maschinen lang düsen.

Nach Trogir fand ich es etwas schade, dass ich nicht genug Zeit hatte, um noch mal am Strand anzuhalten, aber in Ljubljana wartete jemand auf mich. Mit einer Bekanntschaft aus dem Irak ging es Gibanica essen. Ljubljana hat eine schöne Altstadt und Gibanica kann ich jedem nur ans Herz legen, am besten auf der Dachterrasse des Nebotičnik-Hochhauses. Toller Blick über die Stadt hin zur Burg.

Abendessen gab es dann in Maria Wörth am Wörthersee.
https://i.imgur.com/aywvQfx.jpg
Gibanica in Ljubljana

Klagenfurt am Wörthersee

Wörthersee

Und danach ging es ab nach Hause via Erzgebirge nach Potsdam.

Alles in allem viel zu wenig Zeit - ich glaube das zieht sich wie ein roter Faden durch den Bericht  ;D
Es war landschaftlich und kulturell eine tolle Reise und hat auf jeden Fall einen schönen ersten Eindruck für Bosnien und Kosovo gegeben. Alles was am Rand dann noch so aufgegabelt wurde sagt mir: hier muss man mehr erkunden!

Kama aina

« Antwort #2 am: 21. Juli 2019, 13:13 »
Wie immer ein hervorragend Bericht! Macht echt Spaß zu lesen und in Erinnerungen zu schwelgen bzw. sich auf die noch kommenden Orte zu freuen! :)

AmyVega

« Antwort #3 am: 30. Juli 2019, 13:53 »
Super toller Bericht von dir. Da werden auch bei mir Erinnerungen wach. Danke!!

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