Ich hätte mich gefreut, wenn nicht schon in der Frage digitalkritische Stimmung gemacht worden wäre. Was sind denn "Digitalritis" und "Onlineismus" bloss für Begriffe?
Wieso soll es eine Sucht oder eine Krankheit sein, wenn jemand seine Fotos bei Instagram hochlädt statt in ein Album einzukleben? Wieso soll es schlecht sein, wenn man die Route mit einer App plant und nicht mit einer Landkarte aus Papier? Was soll schlechter daran sein, jemanden eine Whatsapp zu schicken als eine Postkarte? Warum macht es den Menschen besser, wenn er statt einer Taschenrechnerapp einen separaten Taschenrechner mitnimmt?
Ich kann mich noch gut erinnern an eine Zeit als es noch keine Handys gab. Was haben damals die Leute im Zug gemacht? Richtig, sie haben ein Buch oder die Zeitung gelesen. Vielleicht auf dem Walkman eine Kassette gehört und anschliessend mit dem Bleistift zurückgespult. Ist man damals mit den Leuten leichter in Kontakt geraten als heute? Ich würde sagen: Nein, kein bisschen.
Auch in Hostels war das nicht anders. Ein paar schrieben ihr Tagebuch, andere recherchierten in ihrem Lonely Planet nach Reisezielen für den nächsten Tag. Und dann gab es noch die Paare und Zusammenreisenden, die irgendwo in einer Ecke sassen und deren Körpersprache deutlich ausdrückte: "Sprecht uns bloss nicht an!" Klar, gab es damals auch ein paar Leute, die einfach mal rüberkamen und Hallo sagten. Aber die gibt es doch auch heute noch.
Grundsätzlich finde ich sowieso, dass das Handy den Kontakt nicht schwächt, sondern im Gegenteil stärkt. Ich kann zum Beispiel an einem Reiseziel mal tindern oder auf Couchsurfing jemanden anschreiben und dann zusammen was trinken gehen. Klar, werden jetzt ein paar Digitalkritiker einwerfen, dass sie so tolle Hengste seien und Leute einfach in einer Bar kennenlernen. Toll für euch. Aber das liegt eben nicht jedem gleich.
Ein anderes Beispiel: Wenn ich im Hostel oder sonstwo spannende Leute kennenlerne, ist es heute relativ leicht, sie nach ein paar Tagen wieder zu treffen. Ganz anders früher: Auf meiner allerersten Backpackingreise 1999, als noch niemand Email hatte, war das praktisch unmöglich. "In drei Tagen um 12 Uhr in Stadt A auf dem Hauptplatz", hat manchmal funktioniert. Meistens aber nicht.
Wenn Leute aufs Handy starren, vergessen wir leicht, dass ein Handy ein Produkt ist, in dem vielleicht fünf, zehn oder gar fünfzig Aktivitäten zusammengekommen sind, die man zwar früher zwar auch schon machte, aber halt eben mit jeweils unterschiedlichen Geräten.