Thema: Reisebericht Nordkorea April 2018  (Gelesen 8365 mal)

Kaamos

« am: 24. April 2018, 21:26 »
Hallo,

Meinen ersten Beitrag hier im Forum möchte ich gleich mit einem Reisebericht starten.

Anfang April habe ich mir einen lange gehegten Wunsch erfüllt: Eine Reise nach Nordkorea.

Die Vorgeschichte
Vor genau 10 Jahren musste ich einen Vortrag über Kultur und Bildungssystem eines Landes halten. Meine Wahl fiel auf Nordkorea. Die Informationsbeschaffung gestaltete sich damals schwierig - und die Infos, die man bekam, waren reichlich bizarr, schwankend zwischen Komik und Entsetzen. Mein Gedanke: Das muss man mal mit eigenen Augen sehen.
Wie es so ist, man schiebt es auf die lange Bank. Insofern muss ich dem amerikanischen Trumpeltier fast dankbar sein, dass es Nordkorea für mich zurück in den Fokus gerückt hat und ich im letzten Oktober entschied: jetzt oder nie, wenn ich das Land
noch so sehen möchte, wie ich es in den Medien kennen gelernt habe.

Der Moral-Disclaimer

Mir ist bewusst, dass eine Reise nach Nordkorea gewisse Fragen der Moral aufwirft. Diese sollte jeder selbst mit sich ausmachen. Ich bin der Meinung, dass man mit einem Reiseboykott in diesem Fall mehr Schaden als Nutzen bringt. Bei der geringen Anzahl der Touristen (Wiki zitiert für 2014 4-6.000 Personen, meine Reiseführer vor Ort erzählten von 30.000 – die Wahrheit liegt sicher irgendwo dazwischen), verdient das Regime nur unmaßgeblich. Und es ist definitiv gut, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen, statt vom heimischen Sofa nur Parolen eines medial vorgefertigten Weltbildes nachzuplappern.
Und mir ist auch bewusst, dass ich bei meiner Tour nicht das "echte Leben" der Leute vorgeführt bekommen habe (auch wenn man viel am Straßenrand sieht).
Aber mit diesem kritischen Blick fällt es einem dann auch leichter das Gesehene einzuordnen und zu bewerten.

Die Planung
Individuelles Reisen auf eigene Faust ist nicht möglich. Man muss über spezielle Reiseanbieter gehen, die Kontakte zu nordkoreanischen Reiseagenturen haben. Ich habe nordkoreareisen.de gewählt und war mit der Kommunikation und Organisation sehr zufrieden. Den Schriftverkehr habe ich per Email geführt.
Man kann sich Gruppentouren anschließen, aber auch Individualreisen buchen. Ich habe letzteres gemacht, da ich an Schulferien gebunden bin und so nicht an den Gruppenterminen teilnehmen konnte. Ich habe es nicht bereut. Ich denke, so hatte ich ich noch eher Einfluss auf meine Führer vor Ort, sodass ich spontan fragen konnte, ob wir noch dieses oder jenes anschauen könnten. In einer Gruppe wäre dies sicher nicht so ohne weiteres möglich gewesen.

Das NK-Visum wir durch die Reiseagentur beschafft. Es ging unerwartet flott. Im November die Reise gebucht und die Pässe eingeschickt, ca. 2 Wochen später kamen sie schon zurück. In diversen Berichten hatte ich gelesen, dass man nur ein Einlegeblatt für den Pass bekommt, welches man bei der Ausreise wieder abgibt. Das stimmt nicht. Ich habe ein Visum eingeklebt bekommen.

Man kann dem Reisebüro gegenüber Wünsche äußern, was man anschauen möchte. Diese werden dann an die Nordkoreaner übermittelt, welche ein Programm zusammenstellen. Allerdings muss man auch damit rechnen, dass es zu Planänderungen kommt. So war es dann auch bei mir. Es hat sich vor Ort das Hotel geändert und die Reihenfolge der Besuchspunkte.
Schade war nur, dass der Besuch des Pyongyanger Zirkusses ausfiel... wegen "Frühjahrsputz"... Es gab dafür Alternativen. Doch dazu später mehr.

Die Reiseleitung
Vor Ort kann man sich nicht frei bewegen, dessen sollte man sich bewusst sein. Wir wurden auch direkt darauf hingewiesen, dass wir das Hotel nicht allein verlassen darf. Ich bin zusammen mit meinem Bruder gereist. Wir waren vom 31.03. bis 04.04. in Nordkorea. In dieser Zeit hatten wir zwei Reiseführer an unserer Seite, sowie einen Kleinbus (Marke "Frieden"^^) mit Fahrer. Die Reiseführer sprachen gut deutsch. Der Fahrer (angeblich) nicht. Es war ein entspanntes Verhältnis zwischen uns. Wir konnten viele Fragen stellen, wobei wir auch bei manchen auch merkten, dass die Antworten nicht ganz ernst zu nehmen sein konnten. Im Gegenzug waren auch die Führer neugierig - v.a. im Bezug auf die Reise Kims nach China, die gerade kurz vorher war, im Bezug auf die kommenden Treffen Nordkoreas mit Südkorea und Trump... Alles Themen, die in den nordkoreanischen Medien nur kurz angeschnitten werden, aber wahrscheinlich ohne großen Informationsgehalt.
Wir haben uns begleitet, aber nicht überwacht und ausspioniert gefühlt. Sicherlich subjektives Empfinden, aber ich denke, hier kam uns auch wieder zu pass, dass wir nicht in einer großen Gruppe waren und so ein persönlicheres Verhältnis aufbauen konnten.

Außerdem haben wir kleine Gastgeschenke mitgenommen. Eine Empfehlung, die ich von einer Tripadvisor-Reisenden übernommen habe. Es kam gut an.
Vor allem Zigaretten sind gefragt. Aber Achtung! Junge Frauen im gebärfähigen Alter dürfen in NK nicht rauchen.

Fotografieren und Elektronik
Dieser Punkt hatte uns im Vorfeld sehr beschäftigt. Es gibt Berichte von kontrollierten und formatierten Speicherkarten. Außerdem sollen wohl nur Brennweiten bis 150mm erlaubt sein.
Beides können wir nicht bestätigen. Mein Bruder hatte über 250mm - das hat die nichtmal interessiert. Die Fotos wurden bei der Ausreise nur halbherzig stichprobenhaft durchgescrollt und dann durchgewunken. Wahrscheinlich hatten die aber auch einfach keine Lust, über 2000 Bilder durchzuschauen  ;D
Bei der Einreise mussten wir nur unsere Elektronika deklarieren (auch Speicherkarten und USB-Sticks) und diese dann auch auf der Ausreiseerklärung wieder mit angeben.

Vor Ort hatten wir so gut wie keine Fotografieeinschränkungen. Wie gesagt, 2000 Bilder für 4 Tage... Nur Soldaten durften wir (außerhalb der DMZ) nicht ablichten. Brücken, Tunnel, Bahnhöfe - alles kein Problem.

Achtung: kritischer könnte es bei GPSfähigen Geräten werden. Ich hab eine App genutzt, die meine Reise via GPS aufgezeichnet hat (Polarsteps). Ich hab einmal nicht ganz aufgepasst und die eine Reiseleiterin hatte mit einem halben Auge mich mit der App und der Karte arbeiten sehen. Mit der Aussage, es sei nur eine Art Tagebuch für die vielen Eindrücke hat sie sich abwimmeln lassen, aber ich glaube das hätte durchaus Ärger geben können.

Mussten früher noch die Handys abgegeben, bzw versiegelt werden, ist nun die Einfuhr und Nutzung in Nordkorea kein Problem mehr. Wobei "Nutzung" nur im eingeschränkten Sinn zu verstehen ist. Es gibt keinen Zugang zum Mobilfunknetz (Ausnahme: DMZ - da hab ich kurzzeitig Südkoreanisches Netz bekommen. In den anderen Grenzregionen ist es sicher ähnlich).
Apropos Netz - im Hotel gab es einen Internetraum. Ich habe ihn nicht genutzt und kann daher keine Aussage über die Funktionabilität machen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man durchaus überwacht einen eingeschränkten Zugang zum WWW bekommen hätte. Denn der Hotel-TV hatte auch westliche, bzw nichtkoreanische Sender im Angebot. BBC, Deutsche Welle, CCTV, Al Dschasira...

Ein- und Ausreise
Der Startort der Nordkoreareisen ist in der Regel - so auch bei uns - Peking. Und bei meinem Bericht hier werde ich mich auch auf NK beschränken und China außen vor lassen. Da hatten wir nur auf dem Rückweg einen 2-Tage-Stopover. Hinzu ging es direkt weiter nach NK, nur mit Umsteigen auf dem Pekinger Flughafen. Bei der Ankunft in Peking sollte man genug Zeit einplanen, da das Gepäck nicht nach Pyongyang durchgecheckt ist, sondern bei Ankunft am Flughafen ausgeladen wird. Auch ist es sinnvoll, ggf. ein Chinavisum mit zweimaliger Einreise zu haben, da man zwar vielleicht für Peking die Visafreiheit nutzen könnte, aber durch das Gepäckabholen vielleicht ein Chinesischer Beamter zu schnell mit dem Stempeln ist, sodass man bei der Rückreise ggf. Probleme bekommt.

Der Hinflug Peking-Pyongyang erfolgte mit Air Koryo, der nordkoreanischen Fluggesellschaft. Die ist auch nicht so katastrophal, wie manche Bewertungen das immer wieder beschwören. Ja, der Tupolev sieht man an, dass sie gut gebraucht ist. Aber ich habe mich während des Fluges nicht unsicher gefühlt. Die Bordverpflegung war eine kleine Tasse Tee und ein kalter Hamburger.
Beim Einchecken konnten wir den Wunsch äußern zwei Fensterplätze zu bekommen - ohne Probleme erfüllt.
Vielleicht war es Zufall: Aber ich habe beobachtet, dass bei den wenigen nichtkoreanischaussehenden Reisenden immer der Mittelplatz frei blieb. So hat man auch keine Platzprobleme im Flieger.

Die Einreisekontrolle in Pyongyang machte mir auch noch Sorgen. Bei den ganzen Berichten geht man schon mit ausreichend Respekt an die Sache. Aber es war harmloser als gedacht. Bei der Pass- und Visakontrolle kamen noch mal kurze Fragen zB nach Beruf oder Straße des Wohnortes. Aber ich denke, das lag daran, dass beim händischen Ausfüllen der Einreisepapiere im Flugzeug manches für den Scanner zu schwer zu lesen war^^
Die Gepäckkontrolle war auch recht einfach. Eventuell wurde schon vorher ohne uns mal geschaut??? Jedenfalls mussten wir wie schon gesagt nur unsere Elektronika zeigen. Größeres Interesse bestand an mitgebrachten Druckerzeugnissen. Mein Peking-Reiseführer wurde kontrolliert, sowie die Nordkorea-Straßenkarte meines Bruders. Beides wurde aber anstandslos genehmigt.
Hier an der Gepäckkontrolle wurden wir dann auch von unseren Führern in Empfang genommen. Das war auch der Zeitpunkt, an dem wir unsere Pässe abgeben mussten. Diese verblieben bis zur Abfahrt bei den Führern.

Die Ausreise war ähnlich unkompliziert. Diesmal nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Zug. Unsere Reiseleiter setzten uns kurz vor 09.00 in Pyongyang in den Zug und verabschiedeten sich. D.h. Die Fahrt von Pyongyang nach Sinuiju, dem Grenzort zu China, war ohne Bewacher. Wir hatten ein Schlafwagenabteil (Softsleeper, 2. Klasse) in einem der beiden Kurswagen, die bis Peking fahren sollten. Die Abteile waren sauber, ebenso die Bettwäsche. Bis Sinuiju hing auch noch ein nordkoreanischer Speisewagen dran, den wir genutzt haben - reichhaltiges, gutes koreanisches Essen (Kimchi, Garnelen, Reis, Suppe, Hühnchen, Salate etc. pp.)
Nachmittags erreicht man die koreanisch-chinesische Grenze. Nacheinander kommen verschiedene Beamte ins Abteil - Passkontrolle, Ausreisekontrolle, Gepäckkontrolle... Hier war für uns noch einmal so ein kritischer Punkt - was passiert mit den Bildern? Aber wie gesagt, alles ging gut. Auch hier wurde das Gepäck nicht weiter kontrolliert.
Danach ging es über den Grenzfluss und im chinesischen Grenzbahnhof Dandong wurden unsere beiden Waggons abgekoppelt, ein paar mal hin und her rangiert, bis wir gefühlt jedes Gleis einmal befahren hatten, und schließlich an einen chinesischen Zug hinten angekoppelt - knapp 20 Waggons. In den Kurven konnte man schön die Spitze des Zuges sehen.
Auch hier gab es einen Speisewagen. Die nordkoreanischen Wagen sind aber mit einer schweren Kette und Vorhängeschloss abgeschlossen. Kein Problem - für uns öffnet des Schaffner. Rückzu konnten wir beim Halt in Shenyang außen entlang. Sonst hätten wir uns durch Klopfen bemerkbar machen müssen.
Die Ankunft in Peking war am Folgetag 0830.

Ich würde grundsätzlich jedem auf jeden Fall eine Strecke mit dem Zug empfehlen. Vor der Reise war ich der Meinung, dass nur die Strecke Pyongyang-Peking funktioniert. Allerdings hatte ich mich bei meinen Reiseleitern erkundigt, welche meinten, dass auch die Fahrt nach Russland erlaubt wäre. Dazu hatte ich mal einen sehr interessanten Reisebericht http://vienna-pyongyang.blogspot.de gelesen, der davon abriet. Aber offenbar gab es da wieder Änderungen...

Kaamos

« Antwort #1 am: 24. April 2018, 21:30 »
Die Unterbringung
Es gibt Reisen, bei denen auch Übernachtungen in Kaesong oder im Norden möglich sind. Wir sind allerdings immer in Pyongyang geblieben. Geplant war ursprünglich das Koryo Hotel, doch das war aus irgendwelchen Gründen geschlossen. Ich glaube, die Reiseleiter sprachen von Sanierung. Stattdessen übernachteten wir im Pothonggang Hotel.
Von den Führern wurde es als "Luxushotel" beworben (Nordkoreaner neigen zum Superlativ). Ich würde nicht sagen, dass es dem westlichen Verständnis eines Luxushotels entspricht, doch ich würde es trotzdem als gehobene Unterkunft bezeichnen. Sauber, gut ausgestattet, Balkonblick Richtung Zentrum.
Frühstück gab es jeweils zwei Riesenscheiben Toast, eine Mini-Hotelbutter und Mini-Marmelade, sowie Rührei, Omelette oder Spiegelei. Am letzten Morgen Ein relativ großes Frühstücksbuffet mit koreanischen Speisen.
Mit uns im Hotel waren noch einige chinesische Geschäftsleute und eine chinesische Reisegruppe.
Die Frage mit der Fußläufigkeit des Zentrums stellt sich nicht, da man eh gefahren wird und nicht allein raus darf.

Das Essen
Frühstück s.o.
Ansonsten sind im Reisepreis inbegriffen Mittagessen und Abendessen. Also ein kulinarisches Rundumsorglospaket. Man kann bei der Buchung angeben, wenn man westliche Speisen möchte. Wir wollten nicht. Wenn schon Korea, dann möchte ich auch die Landesküche kennen lernen.
Die Mahlzeiten bestanden immer aus zahlreichen Vorspeisen. Hühnchen, Salate, Reis, Rind, Ente, Ei, ... und natürlich Kimchi! Lecker. Danach gibt es noch eine Hauptspeise - auch wenn man sich schon an den Vorspeisen satt essen kann. Es gab zu jeder Mahlzeit etwas neues - kalte Nudeln, Reis mit Gemüse, Feuertopf, ... Zum Abschiedsessen wurde gegrillt. In Kaesong hatten wir die Möglichkeit "Ginsenghuhn" zu bestellen. Das hat uns für 2 Personen 30 € extra gekostet. Kann man machen, muss man aber nicht. Es hat mich jetzt im Vergleich zu den anderen Speisen nicht so sehr vom Hocker gehauen, dass ich es nochmal brauch.

Mittags hab ich mit meinem Bruder immer allein gegessen und die Führer haben sich zurück gezogen. Abendessen gab es dann in "großer Runde" mit unseren drei Begleitern.
In den "Lokalrestaurants" waren wir in der Regel allein. 1-2 Mal sind wir noch auf eine andere Reisegruppe getroffen, aber das wars auch schon.

Und es sind Mengen aufgetafelt worden, bei denen ich mich frage, ob die ein Durchschnittskoreaner (auf dem Land) in einer Woche sieht  :o

Einkaufen und Extrakosten
Eigentlich sind im Reisepreis Flugtickets, Bahnkarte, Hotel, Mahlzeiten und Eintrittskarten enthalten. Da müsste man meinen, viele Devisen benötigt man nicht mehr. Ich empfehle dennoch ausreichend mit zu nehmen. Achtung: Es gibt keine Geldautomaten in Nordkorea.
Man wird nahezu an jeder Sehenswürdigkeit in einen Souvenirshop geführt und durch die Blume gesagt wird erwartet, dass man etwas kauft. Die Kosten schwanken sehr. Ich habe u.a. ein handgemaltes Propagandaplakat für 30€ gekauft, Jade gibt es in div. Preiskategorien, Bücher (auch in Deutsch) sind recht günstig... ab und zu ein Trinkgeld... Kurz gesagt, ich habe mehr ausgegeben, als ich im Vorfeld erwartet habe.
Gezahlt wird in Euro, Dollar, Yuan. Den nordkoreanischen Won bekommt man nicht in die Hand (ausgenommen in für Touristen abgepackten Souvenirsets). Ich habe versucht meist passend zu zahlen (kleine Scheine mitnehmen!!), da Wechselgeld oft nur in Yuan herausgegeben wird. Es macht aber keinen Unterschied, welche der 3 Währungen man nutzt. Der Wechselkurs wird korrekt umgerechnet, sodass man keinen Verlust oder Gewinn mit einer der Währungen macht.
Ach - einmal gab es sogar einen Ansteckpin als Wechselgeld, weil sie es nicht passend hatten  ;D

Extra gekostet hat auch das schon erwähnte Ginsenghuhn. Das hätten wir aber auch ablehnen können. Und anstatt des ausgefallenen Zirkusbesuches haben wir uns das Koreakriegsmuseum angeschaut, welches 20€/pp extra gekostet hat.

Außerdem haben wir den Reiseleitern nebst Fahrer noch ein Trinkgeld nach der Reise gegeben.

Tag 1 - 31.04.2018 - Ankunft
Schon das Einchecken in Peking war ein Erlebnis. Die erste Beobachtung: Wahnsinn, was die Nordkoreaner alles als Gepäck einchecken. Stiegen voll mit Melonen, Kokosnüssen, Pomelos. Kisten, die groß genug sind, damit 5 Koreaner drin Platz finden…
Nach Flug und Einreise ging es zu einer kurzen Stadtrundfahrt durch Pyongyang. Es ist schon ein besonderes Gefühl, auf dem Kim-Il-Sung-Platz zu stehen, den man eigentlich nur von den großen Militärparaden aus den Nachrichten kennt. Eine Parade sahen wir nicht. Diesen beizuwohnen, ist selbst für Koreaner ein Privileg. Dafür gab es eine kleine Übung für eine Massentanzveranstaltung.
Dieser Nachmittag war auch noch von viel Vorsicht geprägt - was darf man, was nicht? Was lassen uns die Führer durchgehen? Es war aber alles ganz entspannt.
Allerdings muss ich an dieser Stelle Berichten widersprechen, die sagen, dass die Geschäfte leer sind und nur ein paar Schaufassaden für die Touristen eingerichtet wurden. Natürlich steht nicht an jeder Ecke ein Aldi, aber Läden waren übers ganze Stadtgebiet verteilt und auch angemessen bestückt. Natürlich kann das auf den Dörfern schon wieder ganz anders aussehen als in der Hauptstadt.
Auch Berichte von ständigen Stromausfällen und dunklen Straßen, in denen nur für die Beleuchtung der Monumente Strom da ist, kann ich nicht bestätigen. Ich hatte den Eindruck einer „normalen“ Großstadt. Auch hier gilt wieder: Auf dem Land wirkt es ärmlicher und ist die Stromversorgung wahrscheinlich schlechter.

Tag 2 - 01.04.2018 - Kaesong/DMZ
Tag zwei brachte die erste Planänderung. Laut deutscher Reiseagentur wäre nun eine große Stadtrundfahrt durch Pyongyang dran gewesen, aber stattdessen ging es über die Autobahn nach Süden zur Grenze in die Demilitarisierte Zone. Hier überland hat sich schon ein anderes Bild präsentiert. Eine leere Autobahn, auf der die Menschen laufen. Viele Menschen, die zu Arbeitseinsätzen unterwegs sind (auch wenn unsere Führer vorher noch betonten, dass  sonntags frei ist). Alles sehr unorganisiert und primitiv. Auf den Feldern kein schweres Gerät, sondern allenfalls ein magerer Ochse mit einem Pflug wie von vor 100 Jahren.
Unter anderem wurden Tunnel gestrichen. Unbeleuchtet. Ca. 50-70 Personen waren beschäftigt. Einer pinselt hier, einer dort, ein dritter steht auf einer Kiste und pinselt überkopf. Und wenn man Glück hatte, stand noch ein vierter daneben und hatte eine Taschenlampe dabei. Und hupend schlängelte sich unser Kleinbus der Marke "Frieden" zwischendurch.

Die DMZ - demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea - war auch interessant. Ein Soldat führte herum, wir sahen die Baracken, in denen nach dem Koreakrieg verhandelt wurde. Und in den Baracken, die direkt auf der Grenze stehen, kann man im Innenraum quasi südkoreanischen Boden betreten. Es gab auch ein kurzes persönliches Gespräch mit dem Soldaten (übersetzt natürlich). Als Deutscher bekommt man in Korea schnell Sympathien, da die Koreaner sagen, wir können es nachvollziehen, wie es ist, ein geteiltes Land zu haben.

Natürlich bekommt man bei den ganzen Erklärungen die volle Dröhnung Propaganda. Man sollte aber lächeln und nicken. Seine Kritik kann man sich in dem Moment denken, einen Kommentar sollte man verkneifen. Allerdings ist gerade das auch ein wichtiger Punkt an so einer Reise, denke ich. Denn auch die amerikanische Lesart der koreanischen Geschichte sehe ich nicht als lupenrein an. Schwarz-Weiß-Denken ist hier wie überall gefährlich. Durch so einen Besuch bekommt man eher noch ein Gefühl dafür, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt.

In der Grenzstadt Kaesong haben wir eine Konfuziusakademie besucht, in der ein bisschen was vom alten Koryo-Königreich ausgestellt war und Ginseng-Huhn gegessen. Wahnsinnig entspannend ist, dass keine anderen Touristen da sind. Die Orte strahlen Ruhe und Frieden aus. Ausgenommen sind die seltenen Momente, wo man auf eine chinesische Reisegruppe trifft (zB direkt an der Grenze). Die Nordkoreaner nennen die Chinesen "laute Nation" - und das stimmt definitiv.

Sehr gut hat mir der Besuch des Grabes von König Kungmin, westlich von Kaesong gefallen. In den Bergen versteckt, herrliche Natur, herrliche Stille. Und die Fahrt war auch ein Erlebnis. Es hat sich angefühlt, als würde unser Fahrer die Berge im 5. Gang hoch fahren, wo wir schon längst im 2. wären  :o

Kaamos

« Antwort #2 am: 24. April 2018, 21:32 »
Tag 3 - 02.04.2018 - Freundschaftsausstellung
Tag drei führte in den Norden: Ins Myohyang-Gebirge zur Internationalen Freundschaftsausstellung. Das ist eine gewaltige Sammlung an Geschenken, die an die drei Kims aus aller Welt gemacht wurden. Viele kamen von Privatpersonen und Geschäftsleuten, aber auch zahlreiche Staatsmänner waren dabei. Meissner Porzellan von Honecker, Ein Flugzeug von Stalin, Mitterand hat auch was geschenkt, Madelein Albreight, Mugabe, … An dieser Stelle wurde uns der Personenkult so richtig deutlich. Die Führer haben wirklich voller Ehrfurcht und Liebe gesprochen. Das war bizarr, da wir ja so einen Personenkult überhaupt nicht mehr kennen. Die Stimmen haben zT vor Rührung gezittert.
Auch hier heißt es wieder: Sarkasmus, Kritik und ähnliches schlucken. Das ist der falsche Platz, um eine Diskussion anzufangen und man schadet eher den Reiseleitern, die ihre "aufmüpfige Gruppe" nicht im Griff haben.

Nach der Freundschaftsaustellung (Fotografieren leider verboten) ging es in einen Tempel mit "echten" Mönchen. Hier wird einem auch erzählt, wie viel im Koreakrieg von den Amerikanern kaputt gebombt wurde und man sieht zT, dass der Tempel wieder aufgebaut wurde. Aber es ist auch hier wieder eine idyllische Atmosphäre.

Nach dem Mittagessen ging es zu einer kleinen Bergwanderung. Korea ist landschaftlich sehr schön!

Tag 4 - 03.04.2018 - große Stadtrundfahrt Pyongyang
Vormittags sahen wir das Geburtshaus von Kim il Sung (der Großvater, Staatsgründer). Massen an Besuchern. Das war eine richtige Wallfahrtsstätte. So langsam gewöhnt man sich an die allgegenwärtige Verehrung. Danach durften wir U-Bahn fahren. Über 100 Meter in der Tiefe gab es Stationen, die an die Paläste der Moskauer Metro erinnern. Und es fahren ehemalige Waggons der Berliner U-Bahn, die gebraucht gekauft wurden. In jedem Waggon hängen aber auch Bilder der beiden Kims. Nur Kim Jong Un, den jetzigen Führer, sieht man nicht. Er möchte nicht dargestellt werden.

Danach ging es zu Triumphbogen, Jucheturm (Juche ist die Staatsideologie), Parteigründungsdenkmal und zur Blumenausstellung. Dort gibt es die Kimilsungie, eine Orchidee, und die Kimjongilie, eine Begonie, die beiden Nationalblumen. Jedesmal, wenn es in ein Museum oder Souvenirgeschäft ging, telefonierten unsere Führer. Ich hatte den Eindruck, viele Örtlichkeiten wurden nur für uns aufgeschlossen. Es war übrigens sogar möglich, eine Begonienzwiebel, sowie eine kleine Kimilsungie zu kaufen.  :D

Nach dem Mittagessen ging es ins Koreakriegsmuseum. Erst 2015 eröffnet ist es wirklich Top ausgestattet. Die didaktische Qualität ist wirklich ausgesprochen gut, alles wunderbar aufbereitet und sehr anschaulich. Zum Inhalt der Darstellung sollte man in vielen Fällen zwar sicher kritische Distanz bewahren, aber der Besuch hat sich definitiv gelohnt. Drinnen durfte man leider wieder nicht fotografieren. Ich empfehle aber einmal nach „war museum pyongyang lobby“ zu googeln. Allein die Eingangshalle erschlägt einen mit Las-Vegas-Tempelfeeling und überlegensgroßer Statue von Kim-Il-Sung, flankiert von leise plätschernden Wasserfällen.

Abends gab es dann ein Abschiedsessen in der Bowlingbahn - klingt erstmal nicht sehr gemütlich. Aber das ist eine recht große Freizeiteinrichtung, wo unter der Bahn zahlreiche Separees sind, in denen wir grillen konnten.

Tag 5 - 04.04.2018 - Abreise
Am Vorabend hatten wir unsere Pässe zurück erhalten. Nun wurden wir zum Bahnhof gebracht, versanken kurz in den Plüschsesseln des Wartesaales und wurden danach in unser Abteil verfrachtet. Die Führer standen noch 20 Minuten bis zur Abfahrt draußen, damit wir auch nicht nochmal aussteigen  :)
Die Fahrt durch Nordkorea führte durch viele Bahnhöfe und Orte, der Zug fuhr recht langsam. Es ist eine Schnellfahrstrecke zur Grenze geplant, aber noch nicht realisiert. Fotos während der Fahrt waren kein Problem.

Nachbetrachtung
Und das war auch schon die kurze Reise nach Nordkorea. Es war nicht billig, aber es hat sich gelohnt! Es war ein wahnsinnig spannender Einblick in eine so verschlossene Kultur. Und das erschreckende ist, dass sich so viele der bizarren Vorurteile und Klischees (zB bezüglich Personenkult) wirklich bewahrheitet haben. Was mich aber absolut überrascht hat war, dass es viel unkomplizierter und gefühlt ungefährlicher war, Nordkorea zu bereisen, als ich es erwartet hatte.

Ich bin mir sicher, dass es nicht meine einzige Reise nach Nordkorea bleiben wird.


Bilder
Hier hatte ich schonmal ein paar Impressionen hochgeladen. Allerdings ist auch ein bisschen Peking dabei.
https://imgur.com/a/dnwru
https://imgur.com/a/TcNwQ


echidna

« Antwort #3 am: 25. April 2018, 09:59 »
Super toller Bericht, und interessant geschrieben.

GschamsterDiener

« Antwort #4 am: 25. April 2018, 10:54 »
Ein toller Bericht, der Appetit auf eine eigene Reise macht. Frage: Was waren so die Kosten?

Nocktem

« Antwort #5 am: 25. April 2018, 13:13 »
genialer bericht!!!!!

Kaamos

« Antwort #6 am: 25. April 2018, 15:36 »
danke danke :)
es gibt halt sehr wenige (aktuelle) Reiseinformationen zu Nordkorea, weswegen ich hoffe, dass der Bericht für den ein oder anderen etwas hilfreich ist.

Die Kosten beliefen sich wie folgt:
~620 € Flug Berlin-Helsinki-Peking-Helsinki-Berlin (Finnair, davon TXL-HEL Businessclass, HEL-PEK Economy Comfort, Rückflug komplett Economy)
80 € Platzreservierung
~1200 € Nordkorea Pauschalpreis für Individualreise ohne Gruppe (5 Tage-4 Nächte, inkl.: Visum Korea, Hotel, Frühstück, Mittag, Abendessen, Flugticket PEK-FNJ, Bahnticket Pyongyang-Peking, Eintrittskarten)
20 € Eintritt Koreakriegsmuseum
30 € Ginsenghuhn
7 € eine Mahlzeit im Speisewagen
~100 € Souvenirs, Postkarten und Porto
~90 € Trinkgeld (für unsere drei Reisebegleiter und div. Lokalführer

dazu 3 Gastgeschenke im Wert von ca 10€pp, sowie 7-8 Packungen Zigaretten. Sicherlich sind auch ein Paar Süßigkeiten nicht schlecht, falls man mal eine Schule besucht.

GschamsterDiener

« Antwort #7 am: 25. April 2018, 16:08 »
Finde die Kosten gar nicht so schlimm, muss ich sagen. Hast du den Flug mit Meilen upgegradet? Das ist ein sehr guter Preis.

Kaamos

« Antwort #8 am: 25. April 2018, 16:22 »
Nein, Meilen habe ich nicht eingesetzt. Aber gut, dass du es ansprichst, ich habe vergessen, die Upgradekosten einzurechnen. --> Habe den Beitrag daher geändert

Auch wenn ich im Bericht schrieb, dass ich zu zweit unterwegs war: die Kosten habe ich auf eine Person runter gerechnet. Für die kurze Reisedauer kam es mir für eine Person zumindest nicht sooo günstig vor.

White Fox

« Antwort #9 am: 26. April 2018, 21:00 »
Danke für den Bericht, sehr interessant zu lesen. Nordkorea steht aus politischen Gründen nicht auf meiner Liste, aber wer weiß, vielleicht ändert es sich eines Tages :)

Kama aina

« Antwort #10 am: 27. April 2018, 01:32 »
Toller Bericht! Wird sicherlich für viele eine wichtige Planungshilfe sein! :) Kann ich meinen Jungs ja mal schmackhaft machen! ;)

Kaamos

« Antwort #11 am: 27. April 2018, 06:18 »
Dankeschön. :)
Wenn noch weitere Fragen sind, versuche ich gerne zu helfen. Ich werde auch in den nächsten Tagen die Bilder noch etwas besser in den Bericht einbinden.


Den moralischen Aspekt muss wie gesagt jeder mit sich selbst ausmachen.

MasterM

« Antwort #12 am: 27. April 2018, 09:50 »
Sehr schoener Bericht, aber bitte pass auf, dass du nicht zu viel von deinem auf alle anderen Trips schliesst.

Nicht jeder kriegt ein NK-Visum in den Pass. Meine Tour wurde direkt in Beijing organisiert und da haben wir nur so ein blaues Paper erhalten, welches wir zeigen mussten. Am Ende der Tour wurde es wieder abgenommen.

Den NK-Won kann man in PY in einem speziellen Kaufhaus benutzen (als Auslaender). Dies war fuer uns zugaenglich. Man tauscht zu Beginn an der Wechselstube (kleine Lady im Kassenhaeuschen) seine Dollar, Euros, RMB, etc. um und kann im Kaufhaus einkaufen. 1. Etage Lebensmittel (mostly imported), 2. Etage Haushaltsgegenstaende (99% imported from good ol China), 3. Etage Fressmeile.
Am Ende tauscht man seine Won wieder zurueck, da man diese nicht ausser Landes bringen kann. Ich Doedel habe aber leider einen Schein in meiner Hosentasche vergessen und hab jetzt so ein Ding zu Hause ;-)

Trotzdem toller Beitrag und sehr ausfuehrlich. Schoen zu hoeren, dass es dir so gut gefallen hat, wie mir.

MasterM

« Antwort #13 am: 27. April 2018, 09:52 »
Ok, "gut gefallen" ist vielleicht falsch formuliert. Es war interessant. Sowohl positiv als auch negativ.

Kaamos

« Antwort #14 am: 27. April 2018, 17:14 »
Zitat
aber bitte pass auf, dass du nicht zu viel von deinem auf alle anderen Trips schliesst.
Da hast du natürlich Recht - gerade Nordkorea ist ein eher unberechenbares Reiseland, was ich ja an meinen eigenen Erwartungen gemerkt habe.

Beim Visum ist es sicher davon abhängig, welcher Anbieter die Reise organisiert.

Beim Geld habe ich mich auch an den Aussagen der Reiseleiter orientiert. Ich war im Ragwon Department Store in Pyongyang. Zumindest dort gingen RMB, USD und EUR über den Tresen. Aber ich vermute, es kann auch davon abhängig sein, an wen man gerät, ebenso an der Grenze bei der Fotokontrolle.


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