Ich wollte keinesfalls künstlich die Spannung erhöhen, es fehlte mir einfach bislang die Lust alles aufzubereiten. Aber vielleicht sollte ich mal einfach machen.
Vorne weg: Ich bin bereits in einigen arabischen/muslimischen Ländern gereist und es war immer erfreulich und produktiv. Insofern freute ich mich auf Tunesien, auch wenn mir bewusst war, dass das Land nicht die ganz großen Highlights bieten würde.
Der erste Tag war auch fast perfekt: Ich bin in Tunis gelandet, es hatte 18-20 °C und strahlenden Sonnenschein, ich habe rasch ein okayes Hotel gefunden und bin dann mit der Schmalspurbahn ans Meer nach Sidi Bou Said gefahren. Gepflegtes, in weiß und blau gehaltenes Dorf an der Steilküste, ein wenig wie Santorin für Arme.
Danach ging es aber stetig bergab. Am nächsten Tag hat es stark geregnet. Ich wollte den Nachtzug nach Tozeur nehmen, doch die Verbindung ist unterbrochen. Also versuche ich ein Sammeltaxi zu bekommen: Der Bahnhof ist chaotisch, lange Menschenschlangen, die sich aus irgendeinem Grund überhaupt nicht bewegen. Ich kenne mich nicht aus. Nach etwas Überlegung nehme ich lieber einen Zug entlang der Küste nach Sousse. Rund um Sousse gibt es ein paar schöne historische Ziele, da kann ich mich 2-3 Tage lang austoben, denke ich. Bei zunehmend kälteren Bedingungen muss ich aber feststellen, dass die Ziele nicht halten, was ich mir davon versprochen habe. Sousse, Kairouan, El Djem und Monastir handle ich in den mir zur Verfügung stehenden 9 Stunden Tageslicht ab inkl. 5-6 Stunden Fahrten in den Sammeltaxis. An den abgewetzten, schmutzigen Medinas und Bazaren kann ich mich gar nicht erfreuen, die 0.75 bis 1.5 Sehenswürdigkeiten pro Ort sind in wenigen Minuten abgehandelt. Wow-Effekte? Evtl. das gut erhaltene Kolosseum von El Djem.
Ich fahre also am nächsten Tag weiter in den Süden nach Tataouine, 6 Stunden in Sammeltaxis, von dort weiter nach Chenini, einem hübschen, in den Berg gehauenen Berberhöhlensystem. Dort gibt es ein traditionelles Hotel, in dem ich übernachten möchte. Chenini ist wirklich schön anzusehen für 30 Minuten, das Hotel ist nicht besetzt und der Besitzer des Cafés kann das Hotelmanagement irgendwie auch nicht kontaktieren. Ich fahre also zurück nach Tataouine, um dort in einem Hotel abzusteigen, das auf booking.com geführt wird - in der Hoffnung, dass DIE mir helfen können, eine Tour/einen Fahrer für den nächsten Tag zu finden, der mich in die Umgebung bis nach Matmata fährt, wo eine Star Wars Kulisse steht. Das gelingt mir aber weder am Abend, noch am nächsten Tag in der Früh im "Gespräch" mit Taxifahrern (gut, ich kann weder Arabisch, noch Französisch), die mich am Ende auch nur zu den Louages bringen und sich so ein gutes Geschäft entgehen lassen. In Tataouine werden sichtlich keine Touren in die Umgebung angeboten.
Also 2 Stunden in der Louage zurück zum gestrigen Umsteigepunkt. Dort nehme ich Ausrufe nach Tozeur wahr, also denke ich: was solls, fährst du halt direkt nach Tozeur, machst dort eine Tour. 3 Stunden später in Tozeur: Die Stadt ist voller Touristen, weil ein wichtiges Festival ansteht. Scheinbar ganz Tunesien fährt am liebsten nach Tozeur auf Urlaub. Am nächsten Tag bin ich alleine im 4x4 in der Kolonne mit anderen, vollbesetzten, Pick Ups unterwegs zu 3-4 Standardzielen, die von allen angesteuert werden. Die Tour soll 5 Stunden dauern, fertig sind wir nach 3 - die einzelnen Sehenswürdigkeiten sind nämlich vergleichsweise unspektakulär, dabei aber voll. Chebika, einer Berberoase, wo sich die Touristen durch eine enge Schlucht zwängen und das wars, gewinne ich keinen Mehrwert ab. Danach werde ich zu einem ca. 5m hohen, lustlos tropfenden Wasserfall geführt (erst später realisiere ich, dass das eigentlich die 2. der 3. Sehenswürdigkeiten ist) und am Ende durch die Wüste zu Mos Esmo, der Star Wars Kulisse, gekarrt. Die Kulisse selbst wäre für sich toll gewesen, wäre sie nicht bei meinem Eintreffen längst mit bunten Tüchern und anderem Nippes bazarisiert worden.
Am gleichen Vormittag fahre ich weiter nach Sbeitla inklusive 2x umsteigen. Zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits etwas bedient: Es ist kalt (8-12 °C) und windig, die Sights halten nicht, was sie versprechen, das Essen besteht überwiegend aus Sandwiches, die Städte sind potthässlich, die Menschen indifferent, überall wird geraucht und die Landschaft ist zugemüllt mit Plastiktüten. Ich stelle fest, dass ich Stunden für Transport aufwende, um mir für Minuten etwas anzusehen und den Rest des Abends im Hotel zu verbringen in der Hoffnung, dass das Wifi-Signal bis aufs Zimmer reicht. Und der überwiegende Teil meines Programms inklusive einiger der gedachten Höhepunkte, ist bereits absolviert. Ich beginne, frühere Rückflüge zu recherchieren.
In Sbeitla gibt es einen sehr weit angelegten archäologischen Park mit schönem Forum und ein kleines Museum. Ich bin der einzige Besucher. Über Kasserine gelange ich nach El Kef nach 2-stündigem Warten auf ein volles Louage, was meine Erlösungsphantasien weiter befeuert. Und in Kef angekommen - es hat wieder zu regnen begonnen und auf 4 °C abgekühlt; in Deutschland ist es zur gleichen Zeit deutlich wärmer - buche ich den frühestmöglichen Rückflug. El Kef ist okay für 1-2 Stunden, deutlich zivilisierter als die Wüste, die Menschen im ethnologischen Museum freundlich. Am nächsten Tag: Dougga, die bekannteste Sehenswürdigkeit. Riesiges Gelände, das aber überwiegend aus Fundamenten besteht, ein paar Säulen, ein Amphitheater, bei dem ich das Wettrennen gegen die Touristenbusse verliere, ein gut erhaltenes Forum.
Am Ende komme ich nach einer Woche wieder in Tunis an, wo ironischerweise wieder die Sonne scheint, schaue mich im Pardo-Museum (durchaus schön) um und fahre am nächsten Tag nochmals nach Sidi Bou Said. Zur Zeitüberbrückung nehme ich noch die verstreuten Überreste von Karthago mit, überwiegend schmucklose Fundamente.
Fazit: Viel Aufwand, wenig Ertrag, etwas Pech mit dem Wetter. Nicht das, was ich mir erhofft habe.
Das Positive: Sidi Bou Said, Kolosseum von El Djem, Chenini, Geschlechterverhältnisse deutlich aufgeklärter als in vielen anderen arabischen/muslimischen Ländern, die Preise (Hotelzimmer für 8€ mit Frühstück, Sandwiches für 0.5-1€).
Das Negative: die Städte allgemein, Schmutz, Essen, Tour von Tozeur, lange Fahrten zu abgelegenen Ruinen, die man dann für 10-15 Minuten abläuft, die Menschen, denen du egal bist.