Thema: Zäsur  (Gelesen 4804 mal)

Herri Mojo

« am: 30. Juni 2017, 23:26 »
Hallo,

ich hab vor knapp 2 1/2 Jahren bei meinem Arbeitgeber den Antrag auf ein 1-jähriges Sabbatical gestellt und erfreulicherweise genehmigt bekommen. In der Zwischenzeit hab ich mich dem Projekt Langzeitreise in all seinen Facetten gewidmet, hab meine Wunschroute geplant, die Finanzen gerechnet, gespart, mich zu dem Thema mit meinem sozialen Umfeld besprochen etc.,...Ihr kennt das alles.
Nun, Ende Juni, hab ich meine Wohnung gekündigt und ich spüre erstmalig so richtig die Tragweite der Entscheidung, zu der Reise aufzubrechen. Alles abzureißen, nichts mehr zu besitzen...
Zur Erklärung: Die Wohnung ist eine Mietwohnung und eine Untervermietung kommt nicht infrage. Ich werde außerdem demnächst mein Auto verkaufen. Unterm Strich werd ich kaum mehr was besitzen, wenn ich abreise.  Ich merke gerade, wie sehr ich mich über Besitz/Eigentum definiere und was es mit mir macht, zu spüren, dass da keine materiellen Anker sind, wenn ich von meiner Reise zurückkomme. Das ist schon ein sehr neues, spezielles Gefühl für mich. Es fühlt sich endgültig an, obwohl es das nicht ist.
Wie ist's Euch damit gegangen?
Harald
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Claudia-to-go

« Antwort #1 am: 02. Juli 2017, 11:01 »
Lieber Harald,

ich habe damals im Vorfeld unserer Reise in einer Geo-Ausgabe einen Gastbeitrag von Meike Winnemut gelesen, in dem sie geraten hat, eine solche Reise als großes Experiment zu betrachten und zu schauen, was das mit einem macht.

Ich selbst hatte große Angst, über die Reise meine Freunde zu verlieren und wollte phasenweise schon fast nicht mehr losziehen. Irgendwann fiel mir dann dieser Satz mit dem Experiment wieder ein und hat es mir leichter gemacht, damit umzugehen. Mich ein bisschen von außen zu betrachten und zu schauen, was da mit mir passiert.

Wir mussten vor der Reise sowohl Wohnung als auch Jobs aufgeben und ich habe mich damals auch oft gefragt, ob ich dann überhaupt noch ein Zuhause (oder einen Anker) habe.

Mich hat das ebenfalls sehr verunsichert und gleichzeitig fand ich es so spannend zu sehen, was diese Reise, dieses Experiment mit mir gemacht hat.

Finde heraus, ob dir diese Dinge auf deiner Reise fehlen werden und ob da noch andere Anker sind, die dich halten und die du gar nicht verkaufen kannst. Und was der Job-Anker für dich bedeutet. Geh deinen Gefühlen und Gedanken dazu nach, es ist eine tolle Gelegenheit, etwas neues über sich zu erfahren.

Claudia
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Worldonabudget

« Antwort #2 am: 02. Juli 2017, 11:58 »
Hallo Harald,

auch ich habe im Vorfeld unserer langen Reise gnadenlos aussortiert und es sind nur wenige Umzugskartons übrig geblieben. Für mich fühlte sich das damals sehr befreiend und richtig an, aber im Laufe unserer Reise fiel mir dann auf, dass ich doch ganz gerne schöne Sachen besitze und ich mich zumindest teilweise auch darüber definiere...Seit unserer Rückkehr kaufe ich mir neue Dinge nun viel bewusster und lege mehr Wert auf Qualität.

Darum finde ich Claudias Ansatz mit dem Experiment sehr gut - gib dir selbst die Chance dich besser zu erfahren oder auch zu verändern! Es ist ja keine Schande, wenn man seine Ansichten weiter entwickelt ;) Ich konnte durch unsere 9-monatige Auszeit viele Sachen neu überdenken und habe neue Blickwinkel in fast allen Bereichen meines Lebens dazu bekommen.

Viel Spaß auf deiner Reise!
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travelmusixx

« Antwort #3 am: 03. Juli 2017, 07:04 »
Hi Harald,

Bin aktuell in der gleichen Situation, zumindest in etwa.
Habe meine Wohnung ebenfalls per Ende Juni abgegeben und bin für die letzten Monate zu meinen Eltern zurück. Das Auto kann ich glücklicherweise bei Ihnen unterstellen. Alles andere habe ich entweder verkauft, verschenkt oder grosszügig ausgemistet, also viel bleibt danach nicht mehr übrig. Ich hatte diesbezüglich nicht mal wirklich Probleme, da ich der Meinung bin oder die Hoffnung habe, dass wenn ich zurück komme, eh alles etwas anders sehe und mir dann sowieso neue Sachen kaufen werde, ob ich jetzt noch etwas hätte oder nicht. Fast jeder definiert sich heutzutage über materielle Sachen aber das wichtigste sind die Menschen in deinem Umfeld. Sie helfen dir immer, egal in welcher Situation. Ist zumindest bei mir so und das ist das wichtigste! Ich denke zum Teil macht man auch eine längere Reise um zu lernen, auf materielles zu verzichten oder zumindest den Wert davon zu erkennen.

Wie schon Claudia und Worldonabudget erwähnt haben, sehe es als Experiment. Ich habe einen sicherer Job, geregeltes Einkommen, Sicherheit und Verpflichtungen aufgegeben, "riskiere" Freundschaften zu verlieren und all das nur, weil ich mich dazu entschieden habe, meinen Weg zu gehen und mich besser kennen zu lernen. Keine Ahnung ob das Reisen auf lange Zeit etwas für mich ist, ich werde es herausfinden. Keine Ahnung, ob ich wieder nach Hause kehren werde, ich finde es heraus. Ich kann mir über alles Gedanken machen, doch was bringt es? Am Ende kommt immer Situation 101 von 100 Möglichkeiten und auf das kannst du dich nicht vorbereiten. Riskiere es einfach und schau was passiert.
Ich weiss, gesagtes ist immer einfacher als es zu tun und es sind "klugscheisser"-Sprüche aber wie du siehst, du bist nicht alleine, es gibt viele wie dich da draussen und die wagen das gleiche Experiment!

Viel Glück und Spass auf deinem Weg!
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Herri Mojo

« Antwort #4 am: 03. Juli 2017, 21:21 »
 :) Klugscheißersprüche gehen anders, z.B.: Andere Mütter haben auch schöne Töchter. Oder: Ein Spiel dauert 90 Minuten.
Ich bin dankbar für den Austausch mit Euch. Das mit dem Experiment gefällt mir sehr gut. Die Reise wär es zwar ohnehin. Sie aber auch bewusst als solches zu sehen und zu bezeichnen, macht schon Sinn. Man kann dadurch eine andere Perspektive einnehmen. Danke für die Anregung, Claudia!
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Claudia-to-go

« Antwort #5 am: 04. Juli 2017, 21:00 »
Da nicht für, Harald.

Hab eine wunderbare und sichere Reise. Ich beneide dich sehr darum, dass deine noch vor dir liegt.

Claudia
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