Und es begab ſich in einer Zeit, als in Europa noch mit vielen verſchiedenen Währungen gezahlt wurde, und Oſkar Lafontaine noch Regierungsmitglied war, daß ſich zwei junge Männer aufmachten, um von Pokhara nach Amritsar zu fahren:
Von Pokhara in Nepal nahmen wir einen Bus nach Gorakhpur an der nepaleſiſch-indiſchen Grenze. Das Wetter war ſchön und wir genoßen die Ausſicht, die ſich teilweiſe auch ſenkrecht nach unten erſtreckte, wenn der Bus ſich in der Kurve leicht über den Abhang neigte.
Plötzlich gab es einen lauten Knall und ein kopfgroßer Teil des Motors lag auf der Straße und es sprudelte munter Öl aus dem Bus hervor. Weiterfahrt unmöglich alſo alle raus aus dem Bus und warten bis der nächſte kam, der war voll und einige unſerer Mitreiſenden zwängten ſich hinein, uns beiden und einem jungen Ehepaar bot man an, auf dem Dach des Busses Platz zu nehmen. DAS war nun wirklich die perfekte Ausſicht. Es war ſonnig und nicht ſehr kalt, und die Sicht war durch kein ſchmutziges Fenſter getrübt oder durch ein Dach begrenzt. Da auf dem Dach eine Plattform für das Gepäck montiert war, saßen und lagen wir auch ſehr bequem.
Einzig die Poliziſten an den Kontrollſtationen wollten, daß wir im Innern des Buſſes weiterfuhren, aber der Busfahrer hat uns wenn ſie außer Sichtweite waren wieder auf's Dach gelassen.
Als wir in Gorakhpur angekommen waren, überquerten wir die Grenze, kauften unsere Zugtickets nach Amritſar und aßen noch zu mittag. Als der Zug eine Stunde zu ſpät kam, machten wir uns noch keine Sorgen, ſchließlich läuft hier alles nach IST (Indian Stretchable Time).
Auch die nette Anſage ließ keinen Grund zur Sorge aufkommen: "The train to Amritsar is one hour late and will arrive at fifteen hundred hours. Any inconvenience caused is deeply regretted."
Die Ansage wurde allerdings ſtündlich wiederholt und der Zug kam und kam einfach nicht. Da es aber immer hieß, daß er in einer Stunde kommen würde, blieb uns nicht viel übrig als zu warten.
Gorakhpur iſt die Stadt, in der es die meiſten Stechmücken von ganz Aſien hat. Das iſt einer der Gründe, warum ich auf meinen Ruckſack gekauert auf dem Bahnſteig liegend nicht ſehr viel - geſchweige denn gut - geſchlafen habe.
Außerdem wurde einem ja ſtündlich verſichtert, daß "any inconvenience caused is deeply regretted!"
Am nächſten Morgen, nach dem 20. "any inconvenience caused is deeply regretted!" entſchloßen wir uns, nach einem anderen Zug nach Amritſar zu ſuchen, jedoch gab es keinen, jedoch verſicherte man uns, daß unſer Zug bald kommen würde.
Wie ſich ſpäter herausſtellte, war es nicht wirklich „unser“ Zug, ſondern der Zug vom nächſten Tag, aber uns war das egal, hauptſache weg von den Stechmücken und den inconveniences.
Im Zug ſaß uns ein alter, impoſanter Sikh gegenüber. Gefühlte 2,80 m groß, mit langem Bart, gewaltigem Turban und einem rieſigem Schwert, der uns irgendwie kritiſch beäugte und irgendwann mit einer Handbewegung meinen Walkman forderte (für die jüngeren unter Euch, das iſt ſowas wie ein mp3-Player, nur mit Kaſſetten (fragt am beſten Eure Eltern)
).
Zu meiner Überraſchung gefiehl im der Hardcore-Punkrock ziemlich gut, leider konnte er nur wenig engliſch.
In Amritſar kamen wir dann nach 55 Stunden Reiſe an, zogen in unſer Hoſtel ein und beſchloßen, noch in den Golden Temple zu fahren. Der Golden Temple iſt das höchſte Heiligtum der
Sikhs, ein Tempel inmitten eines Sees, deſſen Kuppel mit purem Gold überzogen iſt.
Amritſar iſt keine ſchöne Stadt und nach unſerer Odyſſe einfach nurnoch laut und ſtinkend und dreckig, aber als wir die Tempelmauern durchſchritten, dachte ich, ins Paradies eingetreten zu ſein; ſo friedlich und ruhig und ſchön war es.
Von einem Mittvierziger wurden wir dann noch im Tempel zum Eſſen eingeladen. Die Religion der Sikhs legt großen Wert darauf, daß man ſeinen Mitmenſchen gutes tut und der Dienſt am Mitmenſchen iſt Gottesdienſt und die reichen Sikhs kochen in ihrer Freizeit für die Armen und verteilen das Eſſen dann.
In ſo eine Küche wurden wir auf dem Tempelgelände eingeladen und reich bewirtet. Und wann immer wir uns bei dem netten Mann bedankten, ſagte er: „no, no, I thank you for allowing me to serve you.“ (nein, nein, ich danke Euch, daß Ihr mir die Möglichkeit gebt, Euch zu dienen)
Was für ein großartiger 58 Stunden Reiſetag.