Thema: Aserbaidschan 2021  (Gelesen 3176 mal)

Kaamos

« am: 24. Oktober 2021, 18:44 »
Nach Georgien im Sommer folgt schon eine Fortsetzung. Wer hätte gedacht, dass das so schnell geht... 

Die Bilder sind diesmal etwas kleiner, ich hoffe das passt so.



Eigentlich wollte ich in den Herbstferien nach Kiew und Tschernobyl, da ich noch einen Gutschein von Ukrainian International Airways übrig hatte. Allerdings habe ich die Sicher-Reisen-App vom Auswertigen Amt installiert und da noch das ein oder andere Land angepinnt, für welches ich noch Pläne in der Hinterhand habe. Und da kam doch just Anfang September die Push-Benachrichtigung, dass Aserbaidschan nach über anderthalb Jahren die Grenzen wieder öffnet. Und da ich ja schon für April 2020 meine Kaukasustour bis zum kaspischen Meer geplant hatte und diesen Sommer zumindest die erste Hälfte durchführen konnte, fiel die Entscheidung der spontanen Umplanung nicht schwer – also Baku statt Kiew! Zudem ist Aserbaidschan nicht einmal mehr Corona-Risikogebiet.


Donnerstag, 14.10.2021



Werde ich aber überhaupt starten können? Zu Ferienbeginn waren die Schlagzeilen voll von Berichten über die schlechte Organisation am BER, extreme Schlangen und Wartezeiten und verpasste Flüge. Manche Airlines forderten die Reisenden auf, schon über vier Stunden vor Start am Flughafen zu sein. Also nehme ich schon einen Bus eher, wo ich doch sonst eigentlich eher auf Kante genäht plane. Das hätte ich mir aber sparen können, denn letzten Endes musste ich die Zeit, die ich eher kam, warten, bis der Check-in Schalter öffnete. Und da die Route Berlin-Kiew-Baku auch nicht unbedingt einer Mallorca-Reise entspricht, hielt sich dann auch die Schlange in Grenzen. Die Wartezeit hat mir aber eines gezeigt: BER ist kein schöner Flughafen, egal ob Check-in-Bereich, oder Abflugbereich. Auch an der Effizienz muss noch deutlich gearbeitet werden. Aufgrund des langsamen Bodenpersonals konnte erst mit einer Stunde Verspätung abgehoben werden.



Der Flug mit UIA war überraschend gut. So viel Beinfreiheit hätte ich nicht erwartet! Besonders schön war der Landeanflug auf Kiew. Zwar saß ich auf der falschen Seite, um einen Blick auf die Stadt zu erhaschen, aber der Blick auf den Dnjepr und die goldenen Felder war herrlich.



Der zweite Teil des Fluges fand im Dunkeln statt – und erfolgte nicht auf direktem Weg. Die ukrainische Fluggesellschaft umfliegt die Krim in einem großen Bogen. In der Ferne konnte ich allerdings die Lichter von Sewastopol erkennen. Gegen Mitternacht landete ich schließlich auf dem Heydar Aliyev Flughafen von Baku, benannt nach dem ehemaligen Präsidenten und Vater des jetzigen Präsidenten. Später erzähle ich noch ein bisschen mehr über ihn, schließlich stolpert man in diesem Land alle Nase über eine Statue, ein Plakat oder ein Museum zu seinen Ehren.

Am Flughafen erwartete mich schon mein Guide Said, der mich Ende der Reise übernehmen würde und diese Nacht nur mal als Taxi zum Hotel fungierte.







Goldener Herbst in der Ukraine





Dnjepr





Baku






Freitag, 15.10.2021


Die Nacht war relativ kurz. Bei nur fünf Tagen im Land brauchte ich ein effektives Zeitmanagement. Trotzdem hatte ich nicht wirklich Lust, der Empfehlung meines Guides zu folgen, und schon gegen 7 Uhr aufzubrechen. Zumal ich erst nach 2 im Bett lag. Also Frühstück um 8 und warten, dass der Mietwagen geliefert wird. 20 nach 8 war er da und alles lief erstaunlich korrekt ab. In Georgien wurde nur der Führerschein kontrolliert, Geld kassiert und mir der Schlüssel in die Hand gedrückt. Dieses Mal erhielt ich jedoch sogar einen Vertrag und das Auto wurde gemeinsam gecheckt – Licht, Motor, Öl, Reifen etc. Es war wieder ein SUV. Die Erfahrungen mit den georgischen Straßen haben mich eine Limousine gar nicht erst in Betracht ziehen lassen. Doch die Bedenken waren unnötig. Die aserbaidschanischen Straßen waren tipptopp gepflegt. Sicherlich gibt es auch in den entlegenen Dörfern des großen Kaukasus Schotterpisten, doch die waren diesmal nicht mein Ziel, zumal der Wintereinbruch dort bestimmt nicht mehr lang auf sich warten ließ.



Ich startete meine Fahrt jedoch auf der Abşeron-Halbinsel, dem „Ort des Salzwassers“. Das Kaspische Meer ist im juristischen Sinne eigentlich kein Meer sondern der größte See der Erde. Nur aufgrund seiner Größe und des Salzgehalts wird es so bezeichnet. In Abgrenzung zum Schwarzen Meer an der Westseite des Kaukasus, wurde es teilweise auch als Weißes Meer bezeichnet.



Noch bedeutender für die Region ist jedoch eine andere Flüssigkeit: Das Erdöl! Schon seit Jahrtausenden werden die zahlreichen Ölquellen auf der Halbinsel genutzt, doch der Ölboom setzte erst in der Mitte des 19. Jh. ein. In der Zeit wuchs Baku schneller als London, Paris oder New York und galt als die gefährlichste Stadt Russlands. U. a. die Brüder von Alfred Nobel zählten zu den Ölkönigen der Stadt, die sich wahre Paläste hier errichteten. Die schaue ich mir allerdings erst später an.



Stattdessen fahre ich durch eine fast schon surrealistische Landschaft, in der ein Ölborturm neben dem nächsten steht. Eigentlich wollte ich mir den Masazır gölü anschauen, einen Salzsee nördlich von Baku, auch bekannt als Pink Lake. Es war etwas enttäuschend. Wahrscheinlich sind die meisten Bilder online nachbearbeitet.






Hier komme ich das erste Mal in den Genuss einer Tankstelle. In Aserbaidschan gibt es keinen freien Markt für Kraftstoffe. Die Preise werden landesweit von der Regierung festgelegt und schwanken nicht. Für 1 l Premium-Benzin habe ich 1,6 Manat gezahlt, ca. 0,8€.



Westlich von Baku geht es über die Autobahn durch öde Halbwüste bis zum Örtchen Qobustan. Hier schmiegt sich die Diri-Baba-Türbe an den Fels. Türbe sind im Turksprachbereich islamische Mausoleen. Diri Baba ist der „lebendige Opa“, ein Sufi dessen sterbliche Überreste wohl nicht verwesten. Und weil wir gerade bei Türben sind, kommen gleich die nächsten im Städtchen Şamaxı. Einst war dies die Hauptstadt der Schirwanschahs, die einen Großteil Aserbaidschans vom 9.-16. Jh. regierten und als wichtigen Zwischenpunkt der Seidenstraße zur Blüte brachten. In Şamaxı befindet sich aber auch die Juma Moschee (Freitagsmoschee), die älteste Moschee im Kaukasus, errichtet 743/744. Leider sieht man dieses Gebäude nach einigen Eroberungen und Erdbeben heute nicht mehr. Stattdessen wurde 2013 ein neues Gebäude errichtet.







Diri Baba Türbesi







Ortseingangsschilder sind in Aserbaidschan stets opulent







Yeddi Gümbəz türbəsi in Şamaxı







Jumah Moschee in Şamaxı









Zur Religion lässt sich sagen, dass Aserbaidschan zwar muslimisch geprägt ist, die Religion aber keinen so großen Stellenwert im öffentlichen Leben einnimmt, wie etwa das Christentum in Georgien. Laut Guide legt Aserbaidschan Wert auf seinen Laizismus und ist Stolz auf seine progressive Geschichte, war es doch 1919 das erste muslimische Land, welches das Frauenwahlrecht einführte.







Ein typischer Anblick. Außerhalb Bakus sind nahezu 70% der Autos noch alte Sowjet-Ladas.





Nach Şamaxı geht es gemächlich hoch in die Berge. Rechts und links des Weges erstrecken sich weite, goldene Herbstwälder und so richtig merke ich eigentlich nicht, dass ich immer höher komme. Da war ich dann doch etwas erstaunt, als dann plötzlich, ganz unerwartet ein Schild mit einer Passhöhe über 2.000m auftauchte und sich die Schneebedeckten Gipfel des Kaukasus vor mir auftaten. Ein schöner Anblick!









Ziel ist jetzt das kleine Bergdorf Lahıc. Zu normalen Zeiten sicher ein Touristenmagnet, bin ich heute ziemlich allein in den Gassen. Einige Souvenirgeschäfte haben geöffnet, aber so viel kann ich gar nicht kaufen, wie mir angeboten wird. Das Dorf ist unter anderem für seine traditionellen Kupferschmiede bekannt. In der Region gab es früher auch viele sogenannte Bergjuden, die schon vor über 1.500 Jahren von den Persern hier angesiedelt wurden. Heutzutage gibt es nur noch wenige von ihnen. Aber immerhin sind die aserbaidschanisch-israelischen Beziehungen wohl ziemlich gut.







Lahıc













Wieder in der Ebene angekommen, breiten sich rechts und links der Straße lichte Laubwälder aus. Leider ist es hier etwas diesig, sodass die Sonne das goldene Blätterdach nicht so sehr zum leuchten bringt. Auffällig ist aber, dass sich ein Café ans andere reiht, ein Picknickplatz mit zahlreichen Lauben nach dem anderen kommt. Bei gutem Wetter scheinen hier viele Ausflügler unterwegs zu sein.



Der Zwischenstopp in Qəbələ war leider auch enttäuschend. Normalerweise lockt hier eine wunderbare Natur und eine Seilbahnfahrt durch die herbstlichen Berge, doch ich steckte mitten in Wolken und Nebel fest. Da habe ich mir die Gondelfahrt gespart. Qəbələ wartet jedoch nicht nur mit Natur auf, sondern auch mit Geschichte. Es ist die Hauptstadt des alten Albanien. Wie bitte? Albanien? Ist das nicht auf dem Balkan? Auch im Kaukasus gab es eins, wobei der Name auf eine griechische Übersetzung der Eigenbezeichnung zurück geht (altarmenisch Աղուանք Ałwank). Erstmals erwähnt wurden die Albanier in der Schlacht von Gaugamela (01.10.331 v. Chr.), bei der Alexander der Große die Perser vernichtend schlug. Ab den 6. Jh. ging dann langsam die Eigenständigkeit verloren und mit der Zeit wurden die mittlerweile christlichen Albanier islamisiert.



Das Katholikat von Albanien besteht aber auch heute noch als Teil der Armenischen Kirche. Einige Kirchgebäude sind noch in Aserbaidschan erhalten, auch wenn die Restaurierung nicht immer sachgemäß vorgenommen wurde und böse Zungen behaupten, dass der Versuch unternommen wurde, armenisches Erbe und Inschriften zu tilgen.






Albanische Kirche Nij




Gegen 6 Uhr abends erreiche ich schließlich Şəki und meine Unterkunft in einem ca. 180 Jahre alten Haus. Wie auch Georgien, war Aserbaidschan in seiner Geschichte tief gespalten. Es gab zahlreiche kleine Herrschaftsgebiete im Kaukasus, etwa das Sultanat Ilisu, das keine 50x20 km groß war. Etwas bedeutender war das Khanat Sheki, was sich im Khanspalast und den zahlreichen Karawansereien zeigt. Dazu aber morgen mehr. Am Abend führt mich der Hausherr erst einmal durch die grauen Gassen zum Abendessen. Ich hatte die Wahl zwischen touristischen Angeboten oder Gaststätten für die lokale Bevölkerung. Ich entschied mich für letzteres. Allein hätte ich die „Kneipe“ wahrscheinlich verschmäht. Allerdings war das Essen wirklich gut. Es gab Piti. Das ist eine Art Eintopf, der möglichst in einem alten Tontopf serviert werden sollte, weil so die Patina ihr Aroma abgeben kann. Die Zubereitung dauert 8-9 Stunden. Gegessen wird in zwei Schritten: zuerst bröselt man Brot auf den Teller, gießt die Brühe darüber und würzt mit Sumakh. Später isst man als zweiten Gang das Lammfleisch des Eintopfs.




Piti. Auch interessant: Was wir eher nur zum Würzen nehmen, ist hier als kompletter Stängel als Salat zu essen - Dill, Petersilie, Frühlingszwiebel...








Kaamos

« Antwort #1 am: 24. Oktober 2021, 18:47 »
Samstag, 16.10.2021



Ebenso wie Georgien ist auch Aserbaidschan ein abwechslungsreiches Land. Den Vormittag verbringe ich noch im Kaukasus und freue mich darüber, dass sich die Sonne jetzt gnädig zeigt. Nach dem Frühstück geht es noch ein Stück höher in die Berge, bis zum Dorf Kiş. Ein Jünger des Apostels Thaddeus von Edessa soll hier im 1. Jh. nach Christus die erste Kirche im Kaukasus gegründet haben. Das heutige Gebäude stammt aber aus dem frühen 12. Jh. Vor der Kirche steht aber noch eine andere Besonderheit: eine Büste des Norwegers Thor Heyerdahl. Seine Expeditionen u.a. mit der Kon-Tiki über den Pazifik sind ja bekannt. Was mir neu war, ist die Tatsache, dass er auch in Aserbaidschan intensive Forschung betrieben hat. Seiner Theorie nach ist der Ursprung der nordischen Mythologie in Aserbaidschan zu suchen, Odin stammte aus einem Ort namens Azer. Auch wenn die Theorien heftig umstritten sind, gab es wohl tatsächlich Wikingerüberfälle in Aserbaidschan.








Typische Gassen in Aserbaidschanischen Dörfern. Die Grundstücke sind mit hohen Mauern umgeben, man legt Wert auf Privatsphäre. Auch bei breiteren Straßen ziehen sich oft lange Mauern durch die Stadt.










Kiş, wo die erste Kirche im Kaukasus stand.








Es gibt viele Khaki-Bäume





Nach dem Abstecher nach Kiş ging es zurück nach Şəki, schließlich wollte ich noch unbedingt den Khanspalast besuchen. Von der Anlage aus dem 18. Jh. hat leider nur der Sommerpalast die Zeit überdauert. Das Kleinod ist eine wahre Schatzkammer der persischen Kunst, die Räume sind mit prunkvollen Malereien verziert und erstrahlen durch die Buntglasfenster in wunderbarem Licht. Das würde ich euch gern zeigen, doch leider gab es ein Fotografieverbot. Unbedingt einmal nach Sheki Khan Palace googlen!











Ansonsten ist Şəki aber auch für seine Süßigkeiten bekannt. Das Pakhlava und Halva aus Şəki ist Landesweit berühmt. Keine Frage, dass ich mich gleich mit ausreichend Souvenirs eindecken muss! Das gleiche gilt natürlich auch für die Seide. Şəki liegt nicht nur an der Seidenstraße, sondern verfügt auch selbst über eine Seidenraupenzucht, die ganz fabelhafte Produkte hervorbringt. Mit etwas mehr Zeit, kann man eine Seidenfabrik besuchen, ich beschränke mich auf die Souvenirsläden in der alten Karawanserei.












Gegen Mittag verlasse ich den großen Kaukasus und die Landschaft ändert sich schnell. Die Herbstbäume weichen wieder einer trockeneren Landschaft. Es folgt ein kurzes Intermezzo mit der Verkehrspolizei. Ich hatte wohl die Vorfahrt missachtet. Die ist aber auch in den Kreisverkehren komisch geregelt. Scheinbar haben die Vorfahrt, die in den Kreisverkehr einfahren. Aber auch nicht überall. Aber das war schnell geklärt, weil ich nur englisch sprach und die sich scheinbar gefreut haben, dass mal wieder ein Tourist ins Land kommt. Grundsätzlich bin ich überall wirklich herzlich begrüßt worden.







Fisch aus dem Fluss Kur, der von der Türkei via Georgien u.a. durch Tbilisi bis ins kaspische Meer fließt.





Ganja (oder aserbaidschanisch: Gɘncɘ)



Ziel war nun Ganja, die zweitgrößte Stadt des Landes. Interessanterweise bin ich im Sommer schon mit der Stadt in Kontakt gekommen, ohne es zu wissen. Im 12. Jh. wurde die Stadt von Georgiern geplündert, die unter anderem ein Stadttor (!) raubten, welches jetzt im Kloster Gelati verbaut ist, welches ich nahe Kutaissi ja besucht hatte. Wofür Ganja jedoch in besonderem Maße bekannt ist, ist Nizami (1141-1209), Poet, Philosoph und Humanist. Zugegebenermaßen kannte ich ihn vorher auch noch nicht, aber da ich versuche, meine Reisen auch immer ein wenig literarisch zu begleiten, werde ich dies nun nachholen.







Die kilometerlange Ausfallstraße ist von pseudomittelalterlichen Mauern gesäumt und übergroßen Büchern aus der Feder von Nizami.







Nizami-Mausoleum



Das schnelle Reisen hat oft den Nachteil, dass es ein paar Tage dauert, bis man auch mental richtig im Land angekommen ist. Für mich war das jetzt der Fall. Zumal ich hier in Ganja auch noch verstärkt die fremdländische Atmosphäre wahrnahm. Eine Mischung aus Iran (habe ich 2002 besucht) und Russland. Das wurde sicherlich noch ein bisschen dadurch verstärkt, dass sich mein Hotel in der ehemaligen Karawanserei befand. Aber auch das Markttreiben, wie auch die Architektur taten ihr übriges. Neben sowjetischen Prunkbauten standen die Kuppeln von Hamam und Moschee. Besonders schön war der Abstecher zum İmamzadeh İbrahim. Ein İmamzadeh ist der Nachkomme eines der zwölf schiitischen Imame, sowie auch dessen Mausoleum. Hier liegt der Sohn des 5. Imams, Muhammad al-Baqir, der im 8. Jh. vor den Herrschern des Umayyaden-Kalifats floh.







Karawanserei Shah Abbas










Brot wird aus dem Kinderwagen heraus verkauft







İmamzadeh İbrahim









Das Flaschenhaus errichtete ein Einwohner Ganjas in den 1960er Jahren in Erinnerung an seinen im 2. Weltkrieg verschollenen Bruder aus 48.000 Flaschen.









Rathaus Ganja







Die aserbaidschanische Küche ist gut!









Etwas ungewohnt: zum Tee gibt es typischerweise Marmelade



Ganja steht aber auch für die neuere Geschichte des modernen Aserbaidschan. Die Sowjetzeit war für den ganzen Kaukasus prägend und auch mit vielen Völkerverschiebungen verbunden. Umsiedlung war ja ein beliebtes Mittel der Politik. Das führt zwangsläufig auch zu Spannungen, die sich in Aserbaidschan in diversen Pogromen entluden. Dazu kommen verschiedene Separatismusbewegungen, weil der eine nicht mit dem andern kann. Ich möchte an dieser Stelle keine Wertung über Recht und Unrecht vornehmen, dafür habe ich mich auch noch viel zu wenig mit den ganzen Konflikten beschäftigt. Zumindest der letzte Krieg um Bergkarabach im vergangenen Jahr sollte ja allen hier ein Begriff sein. Dieser Waffengang stellt jedoch nur das letzte Kapitel in einer langen Reihe der Konflikte dar. Die frühen 1990er waren geprägt von politischer Instabilität, in deren Verlauf General Surat Huseynov 1993 in Ganja eine Rebellion und damit den Bürgerkrieg startete. Am 15. Juni 1993 wurde Heydər Aliyev aus der aserbaidschanischen Teilrepublik Nachitschewan gerufen, wo er bisher eine erfolgreiche Politik betrieben hat, und schließlich zum Präsidenten Aserbaidschans gewählt. Unter seiner Herrschaft stabilisierte sich Aserbaidschan wieder, was ihm hoch angerechnet wird. Der 15. Juni wird als Tag der nationalen Erlösung gefeiert.



Es wird ein massiver Personenkult um Heydar Aliyev aufgebaut, der mich stark an meinen Besuch in Nordkorea erinnert. Dass ihm mittlerweile sein Sohn İlham Aliyev ins Präsidentenamt gefolgt ist, unterstreicht dieses Gefühl noch.






Heydar Aliyev Park







In nahezu jedem Dorf sieht man Plakate mit den im letzten Krieg gefallenen Soldaten.

Kaamos

« Antwort #2 am: 24. Oktober 2021, 18:55 »
Sonntag, 17.10.2021

Nach dem Frühstück gibt es erst einmal noch einen kleinen Spaziergang durchs Zentrum, bevor ich weiter nach Süden aufbreche. Das Ziel ist Göygöl (Aserbaidschaner lieben Umlaute). Ich hatte schon in Georgien einen kleinen Ausflug in die deutsche Geschichte Unternommen – hier wird er nun fortgesetzt. In den napoleonischen Kriegen und dem Jahr ohne Sommer, 1816, ging es vielen Europäern nicht so besonders gut. Insbesondere im Schwäbischen sind daraufhin einige pietistische Strömungen entstanden, die eine neue Heimat gesucht haben. Da kam die Einladung des russischen Zaren gerade Recht, der die neuerworbenen Kaukasusregionen besiedeln wollte. Kommen durfte jedoch nicht jeder, man musste ein paar Voraussetzungen erfüllen, wie etwa ein Handwerk, insbesondere den Weinbau, zu beherrschen, sowie über ein Startkapital von 300 Gulden verfügen. Es war also der klassische Mittelstand, der in den Kaukasus ausgewandert ist. Nahe Jelisawetapols, dem heutigen Ganja, wurde Helenendorf gegründet. Die Namenspatronin war Elena Petrowna, Tochter des Zaren und seiner Frau, die ebenfalls aus Württemberg stammte.



Ganja



Shah Abbas Moschee und türkisches Bad in Ganja



Die deutschen Siedlungen haben ziemlich prosperiert, besonders ihr Wein und Cognac waren begehrt. Mit dem ersten Weltkrieg und verstärkt der Gründung der Sowjetunion brachen schwere Zeiten für die als Kulaken gebrandmarkten feindlichen Subjekte an. Schon in den 1930er Jahren gab es landesweite Deportationen, doch spätestens 1941 wurden der Großteil der letzten verbliebenen Deutschen nach Kasachstan umgesiedelt. 2007 starb der letzte Deutsche im Ort.



Das deutsche Erbe wird mittlerweile wieder für den Tourismus vermarket und es gibt zahlreiche Hinweistafeln im Ort. Die Häuser unterscheiden sich deutlich vom üblichen aserbaidschanischen Ortsbild, entsprechen aber nicht mehr dem Originalzustand. Da wurde viel kaputtsaniert, um ein vermeintlich hübsches Ortsbild zu schaffen.







In der lutherischen Kirche ist ein kleines Museum eingerichtet. Als ich es besuchen wollte, stand ich vor verschlossener Tür. Doch als ich schon kehrt machte, knarrte ein Schlüssel im Schloss und ein junger Uniformierter öffnete erfreut. Mit minimalsten Brocken Englisch führte er mich an den paar Vitrinen vorbei. Wahrscheinlich bin ich der erste Besucher seit Ewigkeiten – und dann noch ein deutscher. Das schreit schon fast nach Dorffest!

Nachdem ich dann die Straßen noch einmal auf und ab gegangen bin, ging es auch schon weiter. Den idyllischen Göygöl-Bergsee lasse ich links liegen, denn für den Abend hatte ich noch eine Verabredung und musste schnell weiter. Nur für einen kurzen Zwischenstopp in Bərdə reicht die Zeit noch. Die Stadt hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Gegründet vor 1.500 Jahren von den Sassaniden, später ein Zentrum Albaniens und schließlich sogar vom Kiewer Rus erobert, verlor sie nach und nach an Bedeutung. Allerdings hat ein wirklich schönes Mausoleum aus dem 14. Jh. die Zeit überdauert. Es kommt architektonisch schon sehr an die Schönheit der Mausoleen in Nakhichevan, dem von einem albanischen Korridor getrennten autonomen Teil Aserbaidschans. U. a. das Grab Noahs soll sich dort befinden. Für wen das Grab in Bərdə errichtet wurde, ist jedoch leider nicht mehr bekannt.



Bərdə Türbesi



Freitagsmoschee, Bərdə



Schließlich geht es weiter quer durchs Land bis zum kaspischen Meer. Einen Schlenker zur iranischen Grenze versage ich mir, auch wenn es sicher spannend gewesen wäre, das dortige brennende Wasser zu sehen, eine Quelle, die stark mit Methan versetzt ist.



Keine Sorge, das ist einfach nur der Gegenzug :smiley_grinsen:





Ölplattformen am kaspischen Meer. Vor der Küste gibt es regelrechte Städte auf dem Wasser, ab 1948 die weltweit ersten Offshore-Bohrinseln. Ganze Wohnblocks, Kultureinrichtungen, Kraftwerke und Parks wurden auf Stelzen errichtet und mit 300 km Straße verbunden. Neft Daşları, die Erdölfelsen, sind die größte Bohrinsel der Welt. Leider konnte ich sie nicht besuchen.


Stattdessen wühle ich mich durch den Bakuer Berufsverkehr und suche das Büro der Autovermietung. Rückgabe erfolgt Problemlos, ebenso die Abholung durch meinen Guide Said, der mich zum Hotel in der Altstadt bringt. Ich bin ganz froh, dass ich mich für diese Variante entschieden habe, denn der Verkehr ist heftig.

Für den Abend habe ich mir einen besonderen Höhepunkt ausgesucht, bzw. aussuchen lassen. Mein Guide meinte, ich solle unbedingt das Aserbaidschanische Staatliche Akademische Opern- und Balletthaus besuchen. Zuerst war ich ein wenig skeptisch, ob ich meine kostbare Zeit in Baku dafür opfern sollte. Doch es hat sich eindeutig gelohnt. Zwar war die Jugendstilfassade gerade eingerüstet, doch der opulente Saal war definitiv sehenswert. Vom Ballett selbst ganz zu schweigen. Es war mein erster Ballettbesuch überhaupt und es hat mir gefallen. Gespielt wurde „Min bir gecə“ – 1001 Nacht, ein Ballett von 1979. Inhalt war die Rahmengeschichte von Sheherazade und Shahrirar, sowie Sindbad, Aladin und Ali Baba. Wenn man die Geschichte nicht kennt, ist es sicher nicht so einfach dem Inhalt zu folgen, aber glücklicherweise habe ich gerade im letzten Schuljahr genau dieses Thema im Unterricht behandelt. Es waren wirklich schöne Bilder und wahrlich beeindruckend, was für eine Körperspannung, Kraft und Leichtigkeit die Tänzer hatten!

Interessant war aber auch, wie hier alles von der deutschen Regelungsmanie abwich – während der Vorstellung wurde munter darauf los fotografiert und gefilmt.







Nach der Vorstellung ging es dann zu Fuß vorbei an den Palästen des Ölbooms zurück zur Altstadt, lecker Abendessen und ab ins Bett… der morgige Tag wird lang!








Dolma - gefüllte Buchenblätter





Zeitreise - ich bin nicht der erste aus meiner Familie, der Baku besucht. Bereits meine Eltern waren 1984 mit dem Rucksack unterwegs. Sie waren in Mittelasien (Buchara, Samarkand, ...) und sind mit dem Schiff über das kaspische Meer nach Baku gekommen. Seitdem hat sich einiges verändert.

Kaamos

« Antwort #3 am: 24. Oktober 2021, 18:58 »
Montag, 18.10.2021



Heute vor 30 Jahren hat der Oberste Sowjet von Aserbaidschan seine Unabhängigkeit erklärt. In normalen Zeiten wäre das sicher ein Anlass für große Feierlichkeiten und Paraden, doch Corona behindert auch hier. Zumindest habe ich nichts weiter mitbekommen. Flaggen hängen ohnehin überall, die zählen also nicht.



Es wird ein langer Tag, bis zum Abend werde ich 34.000 Schritte gelaufen sein. Baku bietet viel zu sehen und ist wahnsinnig abwechslungsreich – altes Gemäuer, Ölboompaläste, hypermoderne Wolkenkratzer. Mittlerweile wird es auch schon als Dubai am Kaspischen Meer bezeichnet.



Ich beginne meine Tour jedoch ganz gemächlich in İçərişəhər, der Altstadt von Baku. Liegt nahe, schließlich ist hier ja auch mein Hotel. Doch kaum verlasse ich die Schwelle lasse ich mich doch vom Teppichhändler einfangen. Seis drum, warum auch nicht. Wenn schon ein Souvenir, warum dann nicht ein ganz klassisch aserbaidschanischer Teppich? Ich beschränke mich jedoch auf das Minimodell. Für alles Zimmerfüllende benötigt man eine Ausfuhrgenehmigung. Und bei den Fluggeschwindigkeiten eines Teppichs wäre ich jetzt wahrscheinlich immer noch unterwegs.








Weiter geht es durch die Altstadt. Ein paar alte Karawansereien gibt es noch, leider wird die Tourismusarme Zeit gerade für Sanierungen genutzt, sodass ich keinen Blick hineinwerfen konnte. Stattdessen besteige ich den Jungfrauenturm, das Wahrzeichen Bakus. Wie alt das Gemäuer genau ist, lässt sich nicht ermitteln. Genauso unklar ist auch der ursprüngliche Zweck. Neben der Verteidigung liegt auch die Nutzung als Feuertempel oder Leuchtturm nahe. Der Name rührt möglicherweise daher, dass er nie zerstört wurde, daher aus religiöser Sicht nie berührt, bzw. entweiht wurde und nach wie vor jungfräulich ist. Aber natürlich gibt es auch die Legende, dass sich eine hübsche Prinzessin von ihm aus in die Fluten gestürzt haben soll, nachdem ihr der potenzielle Ehemann (in manchen Erzählungen gar der eigene Vater) nicht genehm wahr. Zumindest hat man heutzutage eine tolle Sicht auf Baku! Bemerkenswert ist aber auch die hohe Museumswärterdichte. Im Turm sind acht Geschosse, auf jedem Geschoss 1-2 Personen. Und dazu ist mir noch den ganzen Weg von unten bis oben eine Dame gefolgt. In Anbetracht dessen, dass ich der einzige Besucher war, fühlte ich mich ob dieses Zahlenverhältnisses leicht beobachtet. Dabei bestand aufgrund einer hohen Glaswand nicht einmal die Gefahr, dass ich mich in die Fluten stürze. Aber da hätte ich auch weit hüpfen müssen, denn das Meer hat sich schon ein ganzes Stück zurück gezogen in den letzten Jahrhunderten.









Genauso einsam wie der Jungfrauenturm lag auch der Palast des Schirwanshahs da. Es ist ein Glück, dass dieses kleine Juwel die Zeit überdauert hat. Bei all den Arkaden und Muqarnas sieht man jetzt wirklich fast Sheherazade ihre Geschichten erzählen.







Palast der Schirwanschahs


https://www.youtube.com/watch?v=1AK6SucShzY&feature=emb_title








Einschlusslöcher von den Massakern des Märzpogroms 1918







Aserbaidschaner legen Wert auf hübsche Bärte - deshalb trug man nachts einen Bartschoner.







Weiter ging es zur Standseilbahn. Dummerweise ist Montag Ruhetag, also musste ich mich wohl oder übel zu Fuß auf den Weg zur Allee der Märtyrer machen. Vorbei geht es an den ikonischen Flame Towers, die seit 2013 die Skyline von Baku zieren. Besonders nachts sind sie aufgrund ihrer Lichteffekte ein Spektakel!



Wo früher die steinernen Augen Kirovs über einen Vergnügungspark blickten steht heute eine ewige Flamme und erinnert neben der Allee der Märtyrer an die Gefallenen des ersten Bergkarabachkrieges 1988-94. Bezeichnenderweise war vor dem Vergnügungspark schon einmal ein Friedhof an dieser Stelle. Im März 1918 kam es zu heftigen Konflikten zwischen Bolschewiken und Armeniernauf der einen Seite und Aserbeidschanern auf der anderen. Die Quellenlage ist nicht immer ganz eindeutig, wer mit wem gegen wen, denn hier wird auf allen Seiten viel abgestritten. Die aserbeischanischen Opfer der Massenmorde wurden jedenfalls hier bestattet. Im September darauf kam es dann zu Massakern an der armenischen Bevölkerung. Es ist eine Spirale, die sich immer weiter dreht und der Stein, der als erstes geworfen wurde, ist schon seit Ewigkeiten verschollen.










Zeitreise 1984 - 2021
Auf der Landzunge rechts vom Riesenrad steht übrigens die Arena, in der 2012 der ESC stattfand. Und ein paar Meter rechts davon stand 2010-11 die größte Flagge der Welt. Mast: 162m, Flagge: 70x35m. Leider wurde der Mast 2019 schon wieder abgebaut, da es Probleme mit dem Wind gab. Baku wird übrigens auch "Stadt der Winde" genannt, von persisch بادکوبه (Bādkube) - wehende Winde







Nun geht es wieder den Berg hinab und zwei Stationen mit der Metro bis zum Hauptbahnhof. Die Stationen sind nichts besonders, nicht vergleichbar mit den Palästen des Moskauer Pendants. Was aber immer wieder etwas besonderes ist, sind die Markthallen. Nahe des Bahnhofs befindet sich der Yaşıl Bazar, der Grüne Basar. Berge frischer Lebensmittel türmen sich hier auf, Obst, Gemüse, Kräuter, Gewürze, Süßigkeiten… Da kann auch ich nicht an mich halten und kaufe kräftig Pistazien und Süßigkeiten, nicht daran denkend, dass ich das ja alles noch mit mir rum schleppen muss… und mit Sicherheit habe ich auch viel zu viel bezahlt, aber handeln liegt mir überhaupt nicht.









Man beachte das Getränk: Das ist Kompot, ein herrliches Fruchtwassergetränk, ähnlich unserem Kompott.







Und wenn man denkt, die Sünde Bakhlava kann man nicht mehr steigern, kommt ein Azeri daher und füllt es mit Eis.







Bahnhof Baku



Nach dem Basar kommt die Architektur. In Baku steht eines der schönsten modernen Gebäude, das ich kenne: das Heydar-Aliyev-Zentrum. Es stammt aus der Feder der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid. Heute bestaune ich erst einmal nur von außen und lasse mich von den fließenden Formen mitreißen.









Weiterhin zu Fuß geht es nun zurück zum Meer, vorbei am War Trophies Park. Hier sind die Beutestücke aus dem jüngsten Konflikt um Bergkarabach zur Schau gestellt. Panzer vor Hochhäusern – der Anblick ist schaurig. Weitere Kommentare versage ich mir dazu. Stattdessen spaziere ich über den „Bulvar“ wieder 5 km Richtung Altstadt. Inzwischen beginnt es zu dämmern und die Flame Towers zeigen in der Ferne ihr Spektakel. Heute gibt es aber leider keine Flammen, stattdessen schwenken gigantische Riesen anlässlich des Unabhängigkeitstages ihre Flaggen.










https://www.youtube.com/watch?v=epMz6yBjuaU&feature=emb_title







Nach dem Abendessen sitze ich noch eine ganze Weile zu Füßen des Jungfrauenturms auf dem Dach des Hamam, genieße einen Samowar und hole das ganze Postkartenschreiben nach.




Kaamos

« Antwort #4 am: 24. Oktober 2021, 19:01 »
Dienstag, 19.10.2021



Der letzte Tag im Lande des Feuers bricht an und der wird noch einmal intensiv in alle Richtungen. Der Ursprüngliche Plan sah noch einen Ausflug zu den Schlammvulkanen vor, von denen es in Aserbaidschan die Hälfte der weltweit bekannten Exemplare gibt. Im Sommer musste ich durch meine Panne in Georgien ja leider auf den Besuch der dortigen Vulkane verzichten. Doch leider spielt heute das Wetter nicht mit. Es regnet. Und da ist es selbst für die alten Lada-Geländewagen ein gewagtes Unterfangen, sich durch den Schlamm zu wühlen.



Eigentlich war der Vulkanbesuch auch der Grund, weswegen ich mir einen Guide für den letzten Tag zugelegt habe, um allen Komplikationen, wie Steckenbleiben und Auto putzen, aus dem Weg zu gehen. Aber so muss ich leider auf den Besuch verzichten.



Dafür bleibt mehr Zeit, um in der Geschichte weit, weit, weit zurück zu reisen. Im Qobustan-Nationalpark, knapp 50 km südwestlich von Baku, befinden sich knapp 6.000 Felszeichnungen, die teils bis zu 20.000 Jahre alt sind. Ein gut aufbereitetes kleines Museum gibt eine Einführung, bevor man selbst durch die heute unwirtliche Felslandschaft steigt. Damals war hier noch alles fruchtbar grün, doch die Zeiten ändern sich. Höchst faszinierend, was es alles zu sehen gibt: Tiere, Jagdszenen, Boote, tanzende Menschen – wunderbar, dass das die Jahrtausende überdauert hat.












Die Zeichnungen sind zwischen 15-20.000 Jahre alt.








Als spätes Frühstück gibt es Qutab - eine Art Fladenbrot/Eierkuchen, den man mit verschiedenen Dingen füllt.





Auf dem Rückweg nach Baku machten wir einen Zwischenstopp an der Bibi-Heybat-Moschee. Das heutige Gebäude stammt von 1997, da der Ursprungsbau aus dem 13. Jh. dem militanten Atheismus Stalins in den 1930er Jahren zum Opfer fiel. Damals wurden zahlreiche religiöse Bauten – Kirchen, wie auch Moscheen – gesprengt. Hier soll Ukeyma Khanum, eine Nachfahrin Mohammeds und Verwandte diverser Imame begraben sein. Auch Alexandre Dumas besuchte die Moschee in den 1850er Jahren und berichtete, dass besonders unfruchtbare Frauen hier her pilgerten, um in Jahresfrist dann doch ein Kind zu gebären.











Zurück in Baku besuche ich das Teppichmuseum. Mag im ersten Moment öde klingen, ist es aber ganz und gar nicht. Die Bandbreite der ausgestellten Teppiche ist faszinierend. Viele tolle Muster, sowohl bei den alten, aber auch bei den modernen Modellen. Allgemein kennt man ja eher den Begriff „Perserteppich“, aber auch in Aserbaidschan hat das Teppichweben eine lange Tradition. Sogar auf Werken europäischer Renaissancekünstler (z.B. Hans Holbein) sind aserbaidschanische Teppiche zu sehen. Dass das Teppichmuseum selbst nun auch in einem riesigen Teppich untergebracht ist, ist das i-Tüpfelchen.













Sehr interessant fand ich auch die modernen Motive.









Anschließend quälen wir uns durch den zähen Stadtverkehr. Mit dem Auto in Baku unterwegs zu sein, fordert Nerven. Aber schließlich erreichen wir doch noch das Heydar-Aliyev-Zentrum, welches ich mir heute von innen anschaue. Ein bisschen fühle ich mich jetzt wieder nach Nordkorea versetzt. Dem ehemaligen Präsidenten ist mit dem Museum über sein Leben und seine Errungenschaften ein Denkmal gesetzt worden. Multimedial ist die Ausstellung gut aufbereitet, steht aber natürlich ganz im Zeichen des Personenkultes.







Mini-Aserbaidschan. Rechts im Bild: Eine Schulklasse, alle im militärischen Flecktarn, Staatsflaggen schwenkend.







Neben einem Automuseum und einem Museum für aserbaidschanische Musikinstrumente, gab es auch ein Puppenmuseum, das ganz hübsch war.







Der Sitz der aserbaidschanischen Wasserwirtschaft (wer hätte das gedacht).









Des nachmittags besuchte ich eine ganz besondere Stätte. Aserbaidschan gilt aufgrund seines seit Urzeiten genutzten Erdöls ja als Land des Feuers. Da liegt es nahe, dass hier auch religiöse Verknüpfungen entstehen. Nahe Baku liegt der Atəşgah, ein Feuertempel. In den letzten Jahrhunderten kamen viele indische Pilger und Zoroastrier hierher, um gemeinsam zu beten. Der Zoroastrismus zählt zu den ältesten noch praktizierten Religionen und hat deutlich Judentum, Christentum und Islam beeinflusst, vor allem durch seinen Dualismus von Gut und Böse. Der Schöpfergott ist Ahura Mazda, der „weise Herr“, sein Widersacher ist Ahriman, der „böse Geist“. Der Mensch muss sich zwischen beiden entscheiden und ein Leben der guten Gedanken, guten Worte und guten Taten führen. Ahura Mazda war übrigens auch einmal Papst. Im 6. Jh. trug der Papst Hormisdas dessen Namen. Heute gibt es in Aserbaidschan keine Zoroastrier mehr, mit der Ausbreitung des Islam schrumpfte die einstige Weltreligion auf etwa 150.000 Anhänger, hauptsächlich im Iran, Tadschikistan, Pakistan und Indien (hier Parsen genannt). Ich habe ja auch einmal versucht, mich durch Nietzsches Zarathustra zu quälen, hab dann aber aufgegeben.









Im Tempel gibt es zahlreiche indische Inschriften.








Faravahar, ein Symbol des Zoroastrismus. Der menschliche Geist muss sich zwischen dem bösen Weg (unten links) und dem guten Weg (unten rechts) entscheiden.



Eine weitere flammende Sehenswürdigkeit ist Yanar Dağ, der brennende Berg. Hier strömt Erdgas aus der Erde und lässt den Hügel seit dem Altertum brennen. Schon Marco Polo hat davon berichtet. Es ist an sich relativ überschaubar und viele Besucher wären enttäuscht, ob der kleinen Größe von nur etwa 10 m. Ich fand es aber faszinierend.







https://www.youtube.com/watch?v=QKq-t1KBFAc



Als letztes Abschiedsessen gab es noch einmal typisch aserbaidschanisch. Plov ist eine im Orient weit verbreitete Reisspeise, die Regional viele Namen und Zubereitungsvarianten kennt, sei es als Plov, Pilaw, Paella oder Palau. Allein die aserbaidschanische Küche kennt über 40 verschiedene Rezepte. Mir wird heute der Shah Plov serviert, gefüllt mit Lamm, Trockenobst und Kastanien.







Nach dem reichhaltigen Mahl geht es zu Fuß noch einmal zu den Flame Towers, die heute auch tatsächlich als Flammen leuchten und zu Richard Sorge. Dies war ein in Baku geborener deutscher Kommunist, der 1941 die Sowjetunion detailliert vor dem bevorstehenden deutschen Angriff warnte. Allerdings tat Stalin dies als Feindpropaganda ab. Sorges Großonkel war übrigens ein Weggefährte von Karl Marx. Sorge arbeitete auch weiterhin als Spion, wurde jedoch in Tokio enttarnt und 1944 gehängt.







https://www.youtube.com/watch?v=wUuY6FZwaQw







Richard Sorge Denkmal










Mittwoch, 20.10.2021



Und das war es auch schon mit dem kurzen Trip. Said fährt mich noch zum Flughafen und dann warte ich die halbe Nacht, bis 04:20 mein Flug nach Frankfurt startet. Ich muss auch hier noch einmal betonen, dass der Bakuer Flughafen dem BER einiges voraus hat, was Bequemlichkeit angeht. Große, breite, weiche Sessel, die das warten angenehm machen.



Der Flug mit Lufthansa war dann wenig spektakulär. Die meiste Zeit habe ich verschlafen. Der Umstieg in Frankfurt lief problemlos und sogar die Ankunft in Berlin ging diesmal schneller als im Sommer.







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An sich war Aserbaidschan ein sehr einfach zu bereisendes Land. Die Menschen sind mir gegenüber sehr aufgeschlossen und offen gewesen. Viele sprechen englisch, einige wenige sogar deutsch. Viele erzählen, dass sie Verwandte in Deutschland haben, oder selbst eine Weile hier waren.



Mit dem Mietwagen kommt man gut durchs Land. Alles ist gut beschildert und mit Google Maps hatte ich keine Probleme. Für den Mietwagen bin ich über Autoeurope.eu gegangen. Das war ein bisschen günstiger als die Klassiker Hertz und Avis. Das ist natürlich nur ein Vermittler zum lokalen Anbieter AZ Rent. Mit der Abwicklung war ich zufrieden. Alles lief korrekt ab.  Gezahlt habe ich knapp 47€/Tag für SUV, inkl. aller Versicherungen. Wobei auf der Strecke, die ich genommen habe, ein normaler Kleinwagen auch okay wäre. Wie es dann im richtig großen Kaukasus aussieht, kann ich nicht einschätzen.

Für eine Mietdauer bis 30 Tage reicht der normale deutsche Führerschein, für alles darüber benötigt man den internationalen Führerschein. Ist aber bei dem kleinen Land wahrscheinlich eher unnötig.



Gezahlt wird mit Manat. Wechselkurs ist rund 1€=2M.



Hotels gibt es in einer großen Bandbreite, vom 2€-Hostelzimmer bis zur 6.000€-Suite ist alles drin. Ich habe zwischen 20-40€ die Nacht gezahlt. Das teurere war dann auch etwas besonderes in der Karawanserei. Vom Standard her war ich durchweg zufrieden. Buchung unkompliziert über booking.com, aber auch die spontane Hotelsuche vor Ort ist gut möglich.



Abendessen gibts von 5-15 € ganz gut. Tagsüber etwas auf die Hand gibts auch für 2 € zum Sattwerden.



Eintritt in die Museen war zwischen 5-10€. Montags ist bei vielen Ruhetag. Einige, wie das Schirwanschahpalast haben trotzdem auf.



Bezüglich Corona wird sehr auf Abstand geachtet. Die Grenzen waren ja auch knapp anderthalb Jahre komplett dicht. Für Restaurants, Kulturveranstaltungen, Museen und Hotels braucht man einen Impfnachweis. In den den meisten Fällen wurde auch kontrolliert.



Zur Einreise muss man ein E-Visum beantragen. Das geht unkompliziert und schnell. Dazu wird - auch bei geimpften - ein PCR-Test verlangt.





Meinen Guide Said Seyidov (Achtung, Werbung. Sollte es nicht erwünscht sein, bitte ich um Hinweis.) habe ich über Tripadvisor gefunden (das englische Forum. Den deutschen Bereich kann man bei vielen Ländern eigentlich vergessen). https://www.tripadvisor.de/Profile/guideservicebaku?fid=d406e72c-05b7-4349-b523-d69a3692af90


Er unterstützt während der Planung per Mail und Whatsapp. Hauptsächlich ist er in Baku, hat aber auch Kontakte in die anderen Regionen. Er hat ein Auto, und übernimmt auch Flughafenshuttle.

Nocktem

« Antwort #5 am: 24. Oktober 2021, 22:50 »
Toll, gerne mehr davon!!

Kaamos

« Antwort #6 am: 25. Oktober 2021, 07:36 »
Danke  :)
Aber für dieses Jahr wird's das wohl gewesen sein

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