Nach
Georgien im Sommer folgt schon eine Fortsetzung. Wer hätte gedacht, dass das so schnell geht...
Die Bilder sind diesmal etwas kleiner, ich hoffe das passt so.
Eigentlich wollte ich in den Herbstferien nach Kiew und Tschernobyl, da ich noch einen Gutschein von
Ukrainian International Airways übrig hatte. Allerdings habe ich die Sicher-Reisen-App vom Auswertigen Amt installiert und da noch das ein oder andere Land angepinnt, für welches ich noch Pläne in der Hinterhand habe. Und da kam doch just Anfang September die Push-Benachrichtigung, dass
Aserbaidschan nach über anderthalb Jahren die Grenzen wieder öffnet. Und da ich ja schon für April 2020 meine Kaukasustour bis zum kaspischen Meer geplant hatte und diesen Sommer zumindest die erste Hälfte durchführen konnte, fiel die Entscheidung der spontanen Umplanung nicht schwer – also
Baku statt Kiew! Zudem ist Aserbaidschan nicht einmal mehr Corona-Risikogebiet.
Donnerstag, 14.10.2021Werde ich aber überhaupt starten können? Zu Ferienbeginn waren die Schlagzeilen voll von Berichten über die schlechte Organisation am BER, extreme Schlangen und Wartezeiten und verpasste Flüge. Manche Airlines forderten die Reisenden auf, schon über vier Stunden vor Start am Flughafen zu sein. Also nehme ich schon einen Bus eher, wo ich doch sonst eigentlich eher auf Kante genäht plane. Das hätte ich mir aber sparen können, denn letzten Endes musste ich die Zeit, die ich eher kam, warten, bis der Check-in Schalter öffnete. Und da die Route Berlin-Kiew-Baku auch nicht unbedingt einer Mallorca-Reise entspricht, hielt sich dann auch die Schlange in Grenzen. Die Wartezeit hat mir aber eines gezeigt: BER ist kein schöner Flughafen, egal ob Check-in-Bereich, oder Abflugbereich. Auch an der Effizienz muss noch deutlich gearbeitet werden. Aufgrund des langsamen Bodenpersonals konnte erst mit einer Stunde Verspätung abgehoben werden.
Der Flug mit UIA war überraschend gut. So viel Beinfreiheit hätte ich nicht erwartet! Besonders schön war der Landeanflug auf Kiew. Zwar saß ich auf der falschen Seite, um einen Blick auf die Stadt zu erhaschen, aber der Blick auf den Dnjepr und die goldenen Felder war herrlich.
Der zweite Teil des Fluges fand im Dunkeln statt – und erfolgte nicht auf direktem Weg. Die ukrainische Fluggesellschaft umfliegt die Krim in einem großen Bogen. In der Ferne konnte ich allerdings die Lichter von Sewastopol erkennen. Gegen Mitternacht landete ich schließlich auf dem Heydar Aliyev Flughafen von Baku, benannt nach dem ehemaligen Präsidenten und Vater des jetzigen Präsidenten. Später erzähle ich noch ein bisschen mehr über ihn, schließlich stolpert man in diesem Land alle Nase über eine Statue, ein Plakat oder ein Museum zu seinen Ehren.
Am Flughafen erwartete mich schon mein Guide Said, der mich Ende der Reise übernehmen würde und diese Nacht nur mal als Taxi zum Hotel fungierte.
Goldener Herbst in der UkraineDnjeprBakuFreitag, 15.10.2021Die Nacht war relativ kurz. Bei nur fünf Tagen im Land brauchte ich ein effektives Zeitmanagement. Trotzdem hatte ich nicht wirklich Lust, der Empfehlung meines Guides zu folgen, und schon gegen 7 Uhr aufzubrechen. Zumal ich erst nach 2 im Bett lag. Also Frühstück um 8 und warten, dass der Mietwagen geliefert wird. 20 nach 8 war er da und alles lief erstaunlich korrekt ab. In Georgien wurde nur der Führerschein kontrolliert, Geld kassiert und mir der Schlüssel in die Hand gedrückt. Dieses Mal erhielt ich jedoch sogar einen Vertrag und das Auto wurde gemeinsam gecheckt – Licht, Motor, Öl, Reifen etc. Es war wieder ein SUV. Die Erfahrungen mit den georgischen Straßen haben mich eine Limousine gar nicht erst in Betracht ziehen lassen. Doch die Bedenken waren unnötig. Die aserbaidschanischen Straßen waren tipptopp gepflegt. Sicherlich gibt es auch in den entlegenen Dörfern des großen Kaukasus Schotterpisten, doch die waren diesmal nicht mein Ziel, zumal der Wintereinbruch dort bestimmt nicht mehr lang auf sich warten ließ.
Ich startete meine Fahrt jedoch auf der Abşeron-Halbinsel, dem „Ort des Salzwassers“. Das Kaspische Meer ist im juristischen Sinne eigentlich kein Meer sondern der größte See der Erde. Nur aufgrund seiner Größe und des Salzgehalts wird es so bezeichnet. In Abgrenzung zum Schwarzen Meer an der Westseite des Kaukasus, wurde es teilweise auch als Weißes Meer bezeichnet.
Noch bedeutender für die Region ist jedoch eine andere Flüssigkeit: Das Erdöl! Schon seit Jahrtausenden werden die zahlreichen Ölquellen auf der Halbinsel genutzt, doch der Ölboom setzte erst in der Mitte des 19. Jh. ein. In der Zeit wuchs Baku schneller als London, Paris oder New York und galt als die gefährlichste Stadt Russlands. U. a. die Brüder von Alfred Nobel zählten zu den Ölkönigen der Stadt, die sich wahre Paläste hier errichteten. Die schaue ich mir allerdings erst später an.
Stattdessen fahre ich durch eine fast schon surrealistische Landschaft, in der ein Ölborturm neben dem nächsten steht. Eigentlich wollte ich mir den Masazır gölü anschauen, einen Salzsee nördlich von Baku, auch bekannt als Pink Lake. Es war etwas enttäuschend. Wahrscheinlich sind die meisten Bilder online nachbearbeitet.
Hier komme ich das erste Mal in den Genuss einer Tankstelle. In Aserbaidschan gibt es keinen freien Markt für Kraftstoffe. Die Preise werden landesweit von der Regierung festgelegt und schwanken nicht. Für 1 l Premium-Benzin habe ich 1,6 Manat gezahlt, ca. 0,8€.
Westlich von Baku geht es über die Autobahn durch öde Halbwüste bis zum Örtchen Qobustan. Hier schmiegt sich die Diri-Baba-Türbe an den Fels. Türbe sind im Turksprachbereich islamische Mausoleen. Diri Baba ist der „lebendige Opa“, ein Sufi dessen sterbliche Überreste wohl nicht verwesten. Und weil wir gerade bei Türben sind, kommen gleich die nächsten im Städtchen Şamaxı. Einst war dies die Hauptstadt der Schirwanschahs, die einen Großteil Aserbaidschans vom 9.-16. Jh. regierten und als wichtigen Zwischenpunkt der Seidenstraße zur Blüte brachten. In Şamaxı befindet sich aber auch die Juma Moschee (Freitagsmoschee), die älteste Moschee im Kaukasus, errichtet 743/744. Leider sieht man dieses Gebäude nach einigen Eroberungen und Erdbeben heute nicht mehr. Stattdessen wurde 2013 ein neues Gebäude errichtet.
Diri Baba Türbesi
Ortseingangsschilder sind in Aserbaidschan stets opulentYeddi Gümbəz türbəsi in Şamaxı Jumah Moschee in Şamaxı Zur Religion lässt sich sagen, dass Aserbaidschan zwar muslimisch geprägt ist, die Religion aber keinen so großen Stellenwert im öffentlichen Leben einnimmt, wie etwa das Christentum in Georgien. Laut Guide legt Aserbaidschan Wert auf seinen Laizismus und ist Stolz auf seine progressive Geschichte, war es doch 1919 das erste muslimische Land, welches das Frauenwahlrecht einführte.
Ein typischer Anblick. Außerhalb Bakus sind nahezu 70% der Autos noch alte Sowjet-Ladas.Nach Şamaxı geht es gemächlich hoch in die Berge. Rechts und links des Weges erstrecken sich weite, goldene Herbstwälder und so richtig merke ich eigentlich nicht, dass ich immer höher komme. Da war ich dann doch etwas erstaunt, als dann plötzlich, ganz unerwartet ein Schild mit einer Passhöhe über 2.000m auftauchte und sich die Schneebedeckten Gipfel des Kaukasus vor mir auftaten. Ein schöner Anblick!
Ziel ist jetzt das kleine Bergdorf Lahıc. Zu normalen Zeiten sicher ein Touristenmagnet, bin ich heute ziemlich allein in den Gassen. Einige Souvenirgeschäfte haben geöffnet, aber so viel kann ich gar nicht kaufen, wie mir angeboten wird. Das Dorf ist unter anderem für seine traditionellen Kupferschmiede bekannt. In der Region gab es früher auch viele sogenannte Bergjuden, die schon vor über 1.500 Jahren von den Persern hier angesiedelt wurden. Heutzutage gibt es nur noch wenige von ihnen. Aber immerhin sind die aserbaidschanisch-israelischen Beziehungen wohl ziemlich gut.
Lahıc
Wieder in der Ebene angekommen, breiten sich rechts und links der Straße lichte Laubwälder aus. Leider ist es hier etwas diesig, sodass die Sonne das goldene Blätterdach nicht so sehr zum leuchten bringt. Auffällig ist aber, dass sich ein Café ans andere reiht, ein Picknickplatz mit zahlreichen Lauben nach dem anderen kommt. Bei gutem Wetter scheinen hier viele Ausflügler unterwegs zu sein.
Der Zwischenstopp in Qəbələ war leider auch enttäuschend. Normalerweise lockt hier eine wunderbare Natur und eine Seilbahnfahrt durch die herbstlichen Berge, doch ich steckte mitten in Wolken und Nebel fest. Da habe ich mir die Gondelfahrt gespart. Qəbələ wartet jedoch nicht nur mit Natur auf, sondern auch mit Geschichte. Es ist die Hauptstadt des alten Albanien. Wie bitte? Albanien? Ist das nicht auf dem Balkan? Auch im Kaukasus gab es eins, wobei der Name auf eine griechische Übersetzung der Eigenbezeichnung zurück geht (altarmenisch Աղուանք Ałwank). Erstmals erwähnt wurden die Albanier in der Schlacht von Gaugamela (01.10.331 v. Chr.), bei der Alexander der Große die Perser vernichtend schlug. Ab den 6. Jh. ging dann langsam die Eigenständigkeit verloren und mit der Zeit wurden die mittlerweile christlichen Albanier islamisiert.
Das Katholikat von Albanien besteht aber auch heute noch als Teil der Armenischen Kirche. Einige Kirchgebäude sind noch in Aserbaidschan erhalten, auch wenn die Restaurierung nicht immer sachgemäß vorgenommen wurde und böse Zungen behaupten, dass der Versuch unternommen wurde, armenisches Erbe und Inschriften zu tilgen.
Albanische Kirche NijGegen 6 Uhr abends erreiche ich schließlich Şəki und meine Unterkunft in einem ca. 180 Jahre alten Haus. Wie auch Georgien, war Aserbaidschan in seiner Geschichte tief gespalten. Es gab zahlreiche kleine Herrschaftsgebiete im Kaukasus, etwa das Sultanat Ilisu, das keine 50x20 km groß war. Etwas bedeutender war das Khanat Sheki, was sich im Khanspalast und den zahlreichen Karawansereien zeigt. Dazu aber morgen mehr. Am Abend führt mich der Hausherr erst einmal durch die grauen Gassen zum Abendessen. Ich hatte die Wahl zwischen touristischen Angeboten oder Gaststätten für die lokale Bevölkerung. Ich entschied mich für letzteres. Allein hätte ich die „Kneipe“ wahrscheinlich verschmäht. Allerdings war das Essen wirklich gut. Es gab Piti. Das ist eine Art Eintopf, der möglichst in einem alten Tontopf serviert werden sollte, weil so die Patina ihr Aroma abgeben kann. Die Zubereitung dauert 8-9 Stunden. Gegessen wird in zwei Schritten: zuerst bröselt man Brot auf den Teller, gießt die Brühe darüber und würzt mit Sumakh. Später isst man als zweiten Gang das Lammfleisch des Eintopfs.
Piti. Auch interessant: Was wir eher nur zum Würzen nehmen, ist hier als kompletter Stängel als Salat zu essen - Dill, Petersilie, Frühlingszwiebel...