wie seid ihr vor Beginn eurer Reise mit Schuldgefühlen und emotionaler Erpressung umgegangen?
Ich hatte mit meinen 32 Jahren immer ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern aber nun fürchte ich, dass ich mich nicht genug abgenabelt habe.
Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass es nicht unbedingt an dir liegen muss. Und dass es auch keine Altersfrage ist. Eltern gehen extrem unterschiedlich mit dem Thema Loslassen vs. Einmischen um! Das sehe ich an Leuten meiner Generation genauso wie an Freunden im Umgang mit ihren Kindern. Wer selber eher lockere Eltern hatte, wird das wohl nicht nachvollziehen können.
Du sprichst von emotionaler Erpressung, und das mit den "schlaflosen Nächten" hört sich für mich auch danach an. Wobei das bei mir auch schon deutlich darüber hinausging. Damit umzugehen ist echt nicht leicht, gerade wenn man ein enges Verhältnis hat. Es ist mehr als "Eltern finden nicht alles toll, was ihre Kinder machen", was ja total natürlich ist.
Sie haben mich immer unterstützt, z.B. bei der Renovierung meiner jetzigen Wohnung, die ich wahrscheinlich für meine Reise im Frühjahr kündigen werde. Ich finde einfach keinen Untermieter und möchte auch lieber frei sein.
Meine Mutter meinte nun ich sei egoistisch alles aufzugeben und meine ganze Vergangenheit mit dem Verkauf meiner Möbel auszulöschen. Sie hätte schlaflose Nächte wegen meiner Pläne.
Zugegeben, ich habe meinen Job gekündigt (schon länger geplant) und dann aber relativ spontan entschlossen erstmal mit meinem neuen Freund gemeinsam zu reisen aber ich finde sie dramatisiert. Mein Sofa ist doch nicht meine Vergangenheit?!
Dennoch schafft sie es Zweifel bei mir zu sähen.
Vielleicht habt ihr ja auch Erfahrungen mit diesem Gefühl der Zerissenheit und könnt mir sagen wie ihr damit umgegangen seid…
Ich reise seit vielen Jahren, und dieses Schuldgefühl-Thema begleitet mich seitdem. Nicht die ganze Zeit, aber alle paar Jahre kommt es wieder hoch, und ich habe mich damit tatsächlich abgefunden. Nicht vor der längsten Reise, aber vor einzelnen Ländern, die meinem Vater nicht passen. Mein über die Jahre entwickeltes Rezept dagegen ist eine Mischung aus
- Verbindlichkeit auf der Reise, genau wie Radlerin das schon beschrieben hat, also regelmäßig melden, erzählen, wie es läuft, Bilder schicken und sie damit an der Reise teilhaben lassen - fühlt sich bei mir auch nicht wie eine Pflicht an, sondern bringt mir viel Spaß
- Reisepläne rechtzeitig vorher erzählen, aber nicht zu detailliert
- und schließlich auch Kompromisse machen - klingt schräg, aber es gibt Länder, die werde ich erst bereisen, wenn meine Eltern nicht mehr da sind, was jedoch für mich keine große Einschränkung ist
Und umgekehrt merke ich, dass auch mein Vater sich bemüht, da lockerer zu werden. Und trotzdem kommen immer mal wieder neue Situationen auf, in denen die Stimmung hochkocht.
In deiner Lage gibt es vielleicht auch Punkte, in denen du ihnen entgegenkommen kannst, ohne deine Träume und Wünsche wirklich einschränken zu müssen.
Was sind denn genau die Bedenken deiner Mutter? Geht es wirklich um die Möbel, oder geht es um mehr? Bei meinen wäre die Möbel auch ein Thema, denn sie hängen unglaublich stark an ihren Sachen (Nachkriegsgeneration...) und verstehen nicht, warum das bei mir nicht so ist. Aber vielleicht macht deine Mutter sich auch Gedanken, was du hinterher machen willst? Gerade dieses "alle Brücken abbrechen" kann ja bei ihr auch die Sorge auslösen, dass du gar nicht mehr zurückkommst - oder zurückkommst, aber dich nicht mehr in die Gesellschaft einfügen kannst oder willst. Ich glaube, ich würde einfach mal nachfragen, wenn du es noch nicht weißt. Ihre Sorgen ernst zu nehmen heißt ja nicht, dass du ihnen nachgeben musst.