Thema: Reisen mit dem Fahrrad  (Gelesen 2228 mal)

ThePianist27

« am: 01. Februar 2015, 00:58 »
Hallo ihr Lieben,

ich wollte mal eure Erfahrungen mit Langstrecken-Rad-Reisen erfragen.
Wie gestaltet sich der Alltag, wenn man als Haupttransportmittel das Fahrrad hat?
Über die Flexibilität hab ich schon einiges erfahren. Das gefällt mir daran auch sehr gut, außerdem
lege ich gerne große Distanzen mit dem Rad zurück.
Aber wie ist es, tagtäglich größere Distanzen zurück zu legen? Wie wirkt sich das auf den Körper aus?
Wie deponiert man das Fahrrad bspw. in Hostels? Wann zieht man es eher vor, Bus und Zug zu nehmen?
Und sollte man ein qualitativ hochwertiges Fahrrad für die gesamte Reise mitnehmen, dann eben auch mit Flugzeug
transportieren lassen, oder lieber weniger qualitative Räder unterwegs kaufen und die ebne nur dann zu haben, wenn man sich auch wirklich benötigt...Fragen über Fragen...ich freu mich auf Antworten :)

LG André
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Tsapiras

« Antwort #1 am: 01. Februar 2015, 10:59 »
Hallo André,
seit Jahren benutze ich das Fahrrad als Fortbewegunsmittel auf meinen Reisen, innerhalb Europas oder auch in Asien, Südamerika, Neuseeland..
Ich habe meine eigene Philosophie und kann dir auch nur meine subjektive Erfahrung vermitteln.Zuerst einmal: Lass dich nicht verrückt machen von den Technikfreaks, die sich stundenlang über den 28.Zahn des hinteren Ritzels auslassen und empfehlen, die Ventilkappe zuhause zulassen, weil diese 1g wiegt und unnötiges Gewicht verursacht (das ist jetzt kein Witz).
An das Fahrrad hab ich nur ein Kriterium: Zuverlässig. Bin nie mit einemHightec -Fahrrad verreist, ganz imGegenteil. War jetzt mit einem 25 Jahre altem Stahlrad in Myanmar.Transportierte es in Bus, Zug oder Boot.Brauchte mir keine Gedanken zu machen, dass es etwas lädiert werden könnte.Tat seinen Dienst zuverlässig und ließ mich nicht im Stich.Was will man mehr.
Außerhalb Europas sind die neuen Räder mit Scheibenbremsen absolut nicht zu empfehlen.
Auswirkungen auf den Körper? Das kommt selbstverständlich auf deine individuelle Fitness an. Ich hatte anfänglich Probleme, die darauf zurückzuführen waren, dass ich mir keine Zeit ließ, mich zu akklimatisieren und ein etwas hohes Durchschnittstempo vorlegte. Das läßt sich vermeiden und es sollte keine Probleme geben.
Immer genügend Trinkwasser dabei haben, wobei ich immer eine Flasche als eiserne Reserve hatte.Nur empfehlen kann ich die Mitnahme, auch wenn´s was wiegt, eines großen Seesacks mit Schulterriemen.Dort verstaute ich beim Transport mit Bus oder Zug meine Satteltaschen und Lowrider. So hast du die Hände frei und kannst dein Fahrrad bequem verstauen, was mit 4 Taschen am Rad nicht problemlos gehen würde.
Fahrrad wo unterbringen? Ich war alleine unterwegs und bekam immer nur ein Doppelzimmer, ein Bett für mich und eines für´s Rad. Also, ich nahm´s ,wo immer es ging, tatsächlich mit auf´s Zimmer. Ließ es nie irgendwo draussen.Wo´s im Zimmer nicht möglich ist, sollte es immer eine Lösung innerhalb der Unterkunft geben.
Plane immer die Unterkunft lange vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen.
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ThePianist27

« Antwort #2 am: 01. Februar 2015, 13:54 »
Nur empfehlen kann ich die Mitnahme, auch wenn´s was wiegt, eines großen Seesacks mit Schulterriemen.Dort verstaute ich beim Transport mit Bus oder Zug meine Satteltaschen und Lowrider. So hast du die Hände frei und kannst dein Fahrrad bequem verstauen, was mit 4 Taschen am Rad nicht problemlos gehen würde.

Hallo Tsapiras, vielen Dank für die Tipps, das klingt schon mal sehr interessant und nützlich.
Was ist das für ein Seesack? Ist das ein Ersatz für einen großen Backpack? Und was sind Lowrider?
LG André
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ThePianist27

« Antwort #3 am: 01. Februar 2015, 13:59 »
Nur empfehlen kann ich die Mitnahme, auch wenn´s was wiegt, eines großen Seesacks mit Schulterriemen.Dort verstaute ich beim Transport mit Bus oder Zug meine Satteltaschen und Lowrider. So hast du die Hände frei und kannst dein Fahrrad bequem verstauen, was mit 4 Taschen am Rad nicht problemlos gehen würde.

Hallo Tsapiras, vielen Dank für die Tipps, das klingt schon mal sehr interessant und nützlich.
Was ist das für ein Seesack? Ist das ein Ersatz für einen großen Backpack? Und was sind Lowrider?
LG André

http://weltreise-info.de/forum/index.php?topic=11337.0 hier hab ich grad noch mal was übern Seesack gefunden.
Feedback dazu, war jetzt  nich sooo positiv...was meinst du, Tsapiras?
LG und Danke =)
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Tsapiras

« Antwort #4 am: 01. Februar 2015, 15:21 »
Hallo André,
da liegt ein kleines Mißverständnis vor. Den Seesack kann ich nur empfehlen, wenn du dein Fahrrad mit auf Reisen nimmst und das bevorzugte Fortbewegunsmittel ist. Ansonsten kann der Seesack einen guten Rucksack nie und nimmer ersetzen.
Ich war unterwegs mit 2 Hinterradtaschen, 2 Vorderradtaschen (auf Lowrider) einer Lenkertasche und kleiner Notfalltasche.Wenn du so in einen Bus oder Flugzeug einsteigen willst, kriegst du schon ein großes Problem.In diesem Fall steckst du all deine Taschen komplett in den Seesack, schulterst ihn und schiebst das Bike in den Zug. Ist natürlich nicht gedacht zum kilometerlangen Tragen.Daher: mit eigenem Rad empfehle ich Seesack;ohne Rad natürlich nicht.
Schau dir mal meine "Ausrüstung" an:
http://www.help-myanmar.net/wp/?tag=reisen-myanmarhttp://www.help-myanmar.net/wp/?tag=reisen-myanmar
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Radlerin

« Antwort #5 am: 01. Februar 2015, 19:25 »
Halle André,

ich versuche mal, deine Fragen aus meiner Erfahrung zu beantworten. Bin allerdings immer zu zweit gereist und habe keine Erfahrung mit Rad im Dorm.


- Wie gestaltet sich der Alltag, wenn man als Haupttransportmittel das Fahrrad hat?
Je nach Land zeltest du und kochst selbst oder suchst ein Zimmer und gehst essen. In heissen Ländern heisst es früh aufstehen und die kühleren Morgenstunden geniessen. Das Schöne ist, du nimmst mehr am Leben der Einheimischen teil, du kommst durch kleine Dörfer, kannst anhalten, wo es dir gefällt, mal ne Mango am Strassenrand kaufen und an einem einsamen Strand essen. Du siehst das Land eher wie es ist und nicht nur die Touri-Hotspots, also z.B. sind wir in USA 100 km durch abgeholzte Regenwälder gefahren, das gehört auch dazu. Dafür entdeckst du auch Dinge, die nicht im Reiseführer stehen.
Du brauchst auch nicht immer genau zu wissen, welche Unterkünfte es gibt und wo die sind, denn du musst ja nicht an einer bestimmten Haltestelle aussteigen, sondern kannst rumfahren und dir einen Eindruck verschaffen.

Wenn du gegen Mittag dein Ziel erreicht hast, kannst du dir dort noch etwas anschauen oder am Strand relaxen, oder in NZ haben wir die Etappen ausgedehnt, zwischendurch mal was angeschaut oder ne kleine Wanderung gemacht, wie es sich ergibt.
Abends nen schönen Zeltplatz suchen, die Natur geniessen, Spaghetti kochen (oder was auch immer), Leute treffen, oder wenn man im Hostel ist, normales Backpackerleben würde ich mal sagen  8)


- Aber wie ist es, tagtäglich größere Distanzen zurück zu legen? Wie wirkt sich das auf den Körper aus?
Die Landstrasse trainiert dich. Wenn du Zeit hast, fang langsam an, deine Kondition wird automatisch besser. Zwischendurch gibt es immer wieder Tage, wo man sich mal was anschaut und nicht radelt, höchstens ohne Gepäck in die nähere Umgebung. Man muss natürlich auch mal Inspektion machen (Kette, Schaltung, Bremsen). Ein guter Sattel ist wichtig und der sollte sich zuhause schon bewährt haben. Genug Wasser und Snacks mitnehmen, man braucht natürlich Kalorien. Für mich ist eine Radreise wir eine Kur  :) aber ich habe auch keinen falschen Ehrgeiz. Die Fitness ist eher das schöne Nebenprodukt, im Vordergrund steht der Spass und das Erlebnis.

- Wie deponiert man das Fahrrad bspw. in Hostels?
Entweder mit ins Zimmer nehmen oder es gibt einen Schuppen, oder es wird nachts ins Foyer gestellt...das findet sich.

- Wann zieht man es eher vor, Bus und Zug zu nehmen?
Wenn es lange Etappen gibt, die für dich uninteressant sind, wenn du mal keine Lust hast, krank bist etc. Ist in vielen Ländern kein Problem und kostet etwas Aufpreis. In NZ und USA war es etwas mehr Aufwand, ging aber auch. Ansonsten kommt es aufs Dach oder ins Gepäckfach.
Einen Seesack hatten wir nicht, aber wir nehmen immer solche Kartoffel / Reissäcke aus Kunststoff (gibts bei der Raiffeisen oder auf Märkten im Ausland), da kommen auch die Packtaschen während der Flugs rein. Sind leicht und billig und man kann sich bei Regen auch mal damit auf ne nasse Bank setzen oder als "Fussmatte" in die Apsis vorm Zelteingang legen. In Thailand gibts auch grosse billige Plastiktaschen, wo die Packtaschen reinpassen, die halten aber nicht ewig.
Hin und wieder haben wir auch Ausflüge gebucht, die mit dem Rad zu umständlich zu erreichen gewesen wären, also ganz klassisch mit dem Bus eine schöne Tagestour, oder mit dem Boot, und das Rad im Zimmer gelassen für die Zeit.

- Und sollte man ein qualitativ hochwertiges Fahrrad für die gesamte Reise mitnehmen, dann eben auch mit Flugzeug transportieren lassen, oder lieber weniger qualitative Räder unterwegs kaufen und die eben nur dann zu haben, wenn man sich auch wirklich benötigt...

Ist wohl Geschmackssache und kommt auf die Route an. Ich hatte jahrelang ein gebraucht gekauftes 26" Reiserad für 50 SFr, mit gutem Sattel und Magura-Hydraulikbremsen nachgerüstet. Als es den Geist aufgegeben hat, habe ich mir ein neues mit Rohloff-Nabe gekauft.
Wichtig ist, dass es dir gut passt, also die Sitzposition. Guter Gepäckträger, robust, du musst es auch selbst reparieren können, Ersatzteile mitnehmen (Schlauch, Speichen, Züge...). Es werden immer Kratzer reinkommen.
Unterwegs kaufen und verkaufen könnte schwierig werden und kostet Zeit. Wenn du nur mal für eine Weile im Rahmen einer längeren Reise radeln willst, könnte es trotzdem interessant sein. Allerdings reist du dann ja mit Rucksack und nicht mit Packtaschen.
Ich ziehe mein eigenes Rad vor, da weiss ich was ich hab und dass es mit meinem Hintern kompatibel ist ;)
Freunde haben mal ein altes Rad mit nach Costa Rica genommen und es am Ende der Reise dort verschenkt.

Bei der Routenplanung solltest du bedenken, dass der Transport im Flugzeug inzwischen nicht mehr so billig ist. Ich suche Airlines, die 30 kg Freigepäck haben, das kommt dann gerade so hin mit 7kg Handgepäck. Manchmal macht es auch Sinn, den Aufpreis für Sportgepäck zu zahlen. Somit sollte man die Zahl der Flüge beschränken, denn ist es auch etwas Aufwand, das Rad für den Flug zu verpacken und damit zum Flughafen zu kommen.
Also: Lange Strecken zwischen zwei Flügen fahren oder von zuhause losfahren...

P.S. Lowrider sind Gepäckträger fürs Vorderrad, die kleinere Packtaschen aufnehmen. Nehmen wir nur mit, wenn wir mit Kocher reisen, aber als Alleinreisender wirst du sie wahrscheinlich brauchen. Es sei denn du gehst nur nach SOA und nimmst kein Zelt und Kocher mit.
Und ich würde auch einen Rucksack mitnehmen, entweder einen leichten zusammenfaltbaren "Schlabberrucksack" für Tagestouren, oder einen wasserdichten Ortliebsack mit Trageriemen. Du kannst nicht immer mit den Packtaschen rumlaufen, wenn du mal irgendwohin gehst, und willst sicher auch mal ne Wanderung machen.
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ThePianist27

« Antwort #6 am: 04. Februar 2015, 01:00 »
ich versuche mal, deine Fragen aus meiner Erfahrung zu beantworten. Bin allerdings immer zu zweit gereist und habe keine Erfahrung mit Rad im Dorm.

Liebe Radlerin, viiiiielen Dank für diese ausführlichen Informationen, das hat mir erstmal sehr weitergeholfen und deine Einschätzungen werd ich in die Planung miteinbeziehen!
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