Naja. Deutschland hat nunmal eine vergleichsweise solide Wirtschaft mit einem hohen Niveau der Arbeitskraefte, insofern findet eine anerkannte und versierte Fachkraft, die keine Neuentwicklungen versaeumt, nach einer weltreisebedingten Kuendigung mit Auszeit vermutlich schon wieder in den Arbeitsmarkt. Ich sehe aber zwei Problemkreise bei derlei Experimenten. Das erste betrifft die Person selber: Reisen zeigt eben, dass man auch anders leben kann als in D., wo man, wenn man denn in seinem Beruf eine Koriphäe geworden ist und bleiben will, sein Lebtag bis zum Ausgebranntsein und drueber hinaus nichts anderes denken und tun kann als nur diese eine Sache - das schraenkt auch die Lebensqualitaet ein, und diese Erkenntnis, zu der man moeglicherweise auf einer Weltreise gelangt, koennte auf Kosten der zukuenftigen Motivation gehen. Das zweite Problem betrifft die allgemeine Struktur: bis auf wenige Ausnahmen haengt in Deutschland fast jede Existenz am Arbeitsplatz, das ist in fast keinem anderen Land der Welt so. Solange die Weltwirtschaft expandiert und qualitativ hochwertige Gueter braucht, die nur von besonders leistungsfaehigen Menschen hergestellt werden, ist das gut fuer D. - aber diese Situation scheint sich im Umbruch zu befinden und wird sich vermutlich langfristig zunehmend auf sehr wenige Sektoren beschraenken, denn: die Segmente, in denen z.B. Lohn-Stueck-Kosten entscheidend sind, werden immer weniger - die Zukunftsperspektiven im individuellen Arbeitsleben sind nicht mehr die, die vor 30, 40 Jahren herrschten. Das heisst: wenn's schief geht, sitzt man in D. in der Tinte - weniger in Spanien, Italien, etc., und erst Recht nicht der/die Neuseelaender/In, Australier/In, Amerikaner/In, Brasilianer/In: der/die jobbt ein bisschen und hat zu Hause nebenbei seine Schaf- oder Rinderzucht oder sein Backpacker's Inn am Strand oder das in ein Restaurant umgewandelte Dorfhaus vom Opa in Apulien, alles ausbaufaehige Projekte.
Zu der hier anklingenden Diskussion zur EU moechte ich noch kurz sagen: eine geniale und segensreiche Idee, die aber von unfaehigen und Verwaltern in skandaloeser Weise versaut worden ist: wer vor der Einfuehrung des Zentralabiturs in Deutschland Abitur gemacht hat, darf in Spanien sein Lebtag keine Universitaet betreten (ausser mit Erasmus-Austauschprogramm), und eine komplette abgeschlossene Berufsausbildung bei einer deutschen Handels- oder Handwerkskammer wird als 'Sandwich-Kurs' anerkannt, den in Spanien notfalls auch jeder der gerade mal arbeitslos ist - wirklich jeder - ohne jeglichen Schulabschluss in Abendkursen bei einer Gewerkschaft absolvieren kann. Wer sich darueber in Deutschland dann aufregt, wird als dann auch noch als 'brauner Bodensatz' hingestellt, und zwar nicht in einer Hippie-Kolonie in der Berliner Hausbesetzerszene, sondern auf der Universitaet. Ich gratuliere zu dieser EU!