Thema: Reaktionen auf die Reise  (Gelesen 1931 mal)

sixtus

« am: 30. November 2022, 09:06 »
Hallo liebe Community,

ich wollte mal einen neuen Thread aufmachen, und zwar ganz zum Thema "Wie reagiert das Umfeld auf die Reise?" Bei mir war das nicht so erfreulich: Vorher kam eine merkwürdige Mischung aus Neid und Unverständnis, man hatte den Eindruck, die Leute sorgten sich eher darum, dass der Untermieter die Miete zahlt, als dass sie irgendetwas mit der Reise anfangen konnten. Oder ich würde gefragt, was das denn so kostet und man könnte sich für das Geld ja auch eine neue Wohnzimmereinrichtung kaufen.
Nach der Reise war es eher noch mieser. Auch hier mischte sich Unverständnis mit Neid und einem nicht gut definierbaren Gefühl der Unterlegenheit. Nach dem Motto "Der hat etwas, was ich nicht habe und das ist doof."
Erstaunlicherweise war das sogar auf der Reise nicht großartig anders. Wenn ich jemandem davon erzählt habe, was wir so machen, kamen total verständnislose Reaktionen: "Warum umrundet ihr den Manaslu? Annapurna ist doch das was alle machen:" "Wie kann man es nur zehn Tage in Yuanyang aushalten? Da gibt es doch gar nicht so viel zu sehen." "Warum fahrt ihr zum Goldenen Felsen? Es sagen doch alle, dass man das nicht tun soll." Letzteres bezieht sich nicht auf die akuelle politische Lage in Myanmar, sondern ist ein oft gehörtes Statement aus vergangenen Zeiten, das ziemlich schön illustriert, dass offenbar niemand eine eigene Meinung oder einen eigenen Geschmack hat, sondern alle nur das machen, was alle anderen auch machen. Und das finde ich ziemlich schade und frustrierend.
Wie sind Eure Erfahrungen in dieser Hinsicht?
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martenot

« Antwort #1 am: 30. November 2022, 10:53 »
Ich bin ehrlich gesagt schon seit längerem dazu übergegangen, nicht allzu vielen Leuten von meinen Reisen zu erzählen. Online veröffentliche ich sowieso nichts (ich reise überwiegend aus meinen eigenen persönlichen Gründen - Reisefreude, Interesse an den Reisezielen, Sprachen, Kultur, geografische Besonderheiten etc.), und auch im sozialen Umfeld werden die Berichte kurz gehalten oder ich erzähle gar nichts. Es scheint mir sowieso so zu sein, dass sich die meisten Leute nicht wirklich für Reiseberichte interessieren, sofern nicht jemand selbst am selben Reiseziel gewesen ist oder eine ähnliche Reise geplant hat.

Das habe ich schon früher so gehandhabt, und in den letzten Jahren hat sich die Chance erhöht, dass man wegen der Reise kritisiert wird ("Wie kann man nur heute noch reisen, denkst du gar nicht ans Klima?").
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Vombatus

« Antwort #2 am: 30. November 2022, 13:21 »
Interessant zu lesen, bin gespannt auf die Erfahrungen der Anderen.

Erstmal ein paar Fragen:
Wie haben andere Langzeitreisende auf eure Reise reagiert? Ich denke, das negative Feedback kam vorwiegend von zuhause gebliebenen?
In welcher Altersgruppe bewegt ihr euch, bzw. die der Feedback-Geber? Nestbaualter, Karriereplaner oder Sturm-und Drang?
Wann war eure Reise? Kürzlich oder schon länger her?

In Bezug auf meine Reisepläne oder Reiseroute hatte ich bis auf eine Ausnahme nie schlechtes Feedback erhalten. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Einige sagten, dass sie das nicht könnten oder wollten, aber nicht im negativen Kontext. Eine Person fragte: "Wovor läufst du weg", da habe ich mich nicht verstanden, sogar schon fast angegriffen gefühlt. Reisen, evtl. mit Kündigung (Wohnung/Arbeitsplatz), Freiheit, Flexibilität oder positive Planlosigkeit sind nicht für jeden gleichgut.

Im Moment habe ich das Gefühl, dass "alle" weg wollen. Endlich wieder Urlaub, Reisen ohne Vorschriften, Verbote und sich ständig ändernde Einreiseregeln. Die Frage ist auch, wie sehr ich mir die Meinungen von anderen zu Herzen nehme und vor allem, von wem das kommt.

Ja sicher, Nachfragen wie: "warum dies, warum nicht das" hab ich auch vorher und unterwegs gehört, aber auch nicht negativ verstanden.
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sixtus

« Antwort #3 am: 30. November 2022, 13:58 »
Stimmt, das verständnislose Gelaber kam hauptsächlich von zuhause Gebliebenen. Das allerdings gerade auch von vielen jungen Leuten Anfang 20. In der Altersklasse habe ich Ende der 1990er nach der ersten Langzeitreise gelegen. Die dritte und bisher letzt Langzeitreise kam gut 10 Jahre später mit Mitte 30. Wieder das selbe Spiel. Von den meisten Leuten nur besorgte Fragen, ob denn auch unsere Wohnungseinrichtng in guten Händen wäre. Das psoitivste und differenzierteste Feedback kam von einem Menschen, der zu dem Zeitpunkt schon Anfang 70 war. Der war so angetan, dass er mir und meiner Frau gleich eine persönliche Einladung für Bhutan ausgestellt hat. Ich werde ihm ewig dankbar sein.
Dass alle weg wollen, kann ich zwar irgendwo nachvollziehen, aber wie viele davon irgendetwas realisieren, bliebe abzuwarten.
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Surfy

« Antwort #4 am: 30. November 2022, 15:39 »

In meinen tendenziell hedonistisch veranlagten Umfeld wurde(n) meine Reisen eher weniger beachtet.

Es gab aber immer eine grosse Party wenn ich ging oder wieder kam, aber inhaltlich waren die Reisen nichts worüber ich tiefer gefragt/befragt wurde ausser ein eher oberflächliches "wie wars".

Ich denke auch nicht dass jemand meine Blogs verfolgt hat, auch nicht nahe Freunde. Nur die Famillie reiste da mit. 

Das ist nicht bösartig oder gar ignorant zu werten, wir funktionieren nun mal in der Masse so.

Das ist wie wenn Dir ein Freund erzählt das er eine Wohnung / Haus oder ein Auto gekauft, da geht es um die Eckdaten (Preis, Grösse, Zustand) und dann geht es wieder um alles andere.

Falls es sich ergibt schaut man es sich an, beim Auto falls man damit gefahren wird, oder wenn der Freund eine Einstandsparty in den eigenen 4 Wänden schmeisst - aber uns beschäftig so ein "Kauf" auch nicht weiter.

Genau so ist eine Reise etwas was jemand für sich macht, und als "Freund" prüft man dann mit ein paar Fragen nach, ob der Reisende die wichtigsten Sachen geklärt hat. DH Nachmieter / Untermieter etc.

Ganz anders, wenn ein anderer "Reisender" in der Runde ist, der/die/es hat dann durchaus Themen die zu langen Gesprächen führen.

Surfy








Marla

« Antwort #5 am: 01. Dezember 2022, 02:20 »
Ich finde das auch eine spannende Frage!

Wie haben andere Langzeitreisende auf eure Reise reagiert? Ich denke, das negative Feedback kam vorwiegend von zuhause gebliebenen?
In welcher Altersgruppe bewegt ihr euch, bzw. die der Feedback-Geber? Nestbaualter, Karriereplaner oder Sturm-und Drang?
Wann war eure Reise? Kürzlich oder schon länger her?
Bei mir (Mitte 40) kam noch nie negatives Feedback, seitdem ich Ende der 2000er Jahre mit den Langzeit-/Backpackingreisen begonnen habe. Das Negativste war wohl die Reaktion von einigen damaligen Kollegen vor meiner ersten Langzeitreise im Stil von "also ICH könnte mir das ja nicht leisten". Aber das fand ich eigentlich nur lustig, weil die meisten davon Haus, Auto, teure Wohnungseinrichtung etc. hatten.

In meinem Freundes-/Bekanntenkreis ist alles vertreten zwischen Leuten, die meine Reisen wohlwollend zur Kenntnis nehmen, aber bis auf das unoriginelle "Wie war's?" nicht groß nachfragen und nach 3 Sätzen das Thema wechseln :), und solchen, die selber individuell reisen und mit denen ich tagelang über meine Reisen rede, meistens auch schon während der Reise videotelefoniere. Nach meiner ersten Langzeitreise war ich noch ziemlich enttäuscht über die erste Gruppe, weil darunter auch sehr enge Freunde sind. Inzwischen hab ich mich total daran gewöhnt. Surfy hat das gut beschrieben mit dem Haus-/Autokauf-Vergleich, wobei es bei mir im Bekanntenkreis niemanden gibt, der sich so wenig fürs Reisen interessiert wie ich für Autos :D aber wenn es jemanden gäbe, würde ich den/die auch nicht mit Reiseerzählungen nerven.

Das hat sich auch über all die Jahre nicht verändert, also alterstechnisch erkenn ich da keinen Einfluss. Ich hab sogar einige (wenige) Freunde, die es schaffen Nestbau mit Langzeitreisen zu kombinieren. Und ich selber kombiniere Karriere mit Langzeitreisen :) Wichtig finde ich die gegenseitige Akzeptanz, und für die bin ich sehr dankbar, da ich immer wieder Storys von anderen Leuten höre, bei denen Freundschaften über unterschiedliche Lebensstile auseinander gegangen sind. OK, es gibt schon mal einen Spruch zu meiner Billo-Wohnungseinrichtung, die weder meinem Einkommen noch meinem Alter entspricht, aber ich lach da auch selber drüber.

Noch mal eine ganz andere Kiste finde ich die Reaktion von anderen auf der Reise. Hier hab ich wirklich immer positive Rückmeldungen bekommen. Meistens nach dem Motto "je länger, desto besser". Neulich hab ich selber etwas irrigiert reagiert, als ich jemanden getroffen hab, der eine 3-Monats-Weltreise (alle Kontinente) macht. Aber ich hab das versucht wieder wettzumachen und ihm zur Auswahl seiner Ziele gratuliert, die wirklich alle cool waren. Hab mir danach fest vorgenommen, mir solche Wertungen zukünftig zu verkneifen.

Dass man bei einzelnen Zielen unterschiedlicher Meinung ist, das ist ja wohl normal. Hier im Forum hatten wir dazu auch schon mal den kontroversen Überschätzt-Thread :)
https://weltreise-info.de/forum/index.php?topic=8311.0

Gerade auf der jetzigen Reise habe ich Leute mit sehr unterschiedlichen Reisestilen getroffen. Neben dem 3-Monats-Weltreisenden hab ich auch einige kennengelernt, die mehrere Jahre unterwegs waren, von 3 bis sogar 10 Jahren! Und die waren dann auch immer Wochen bis Monate an einem Ort. Und weder bei den Superkurzzeit- noch bei den Langzeit-Reisenden habe ich negative Reaktionen von anderer Seite mitbekommen.
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