Habe mehrere solche Orte besucht; mehrere in Rio Grande do Sul / Brasilien (Gramado, Canela, Sta. Cruz do Sul...); ein paar in Chile, Mennoniten in Belize, Deutsche in Spanien o. anderen Laendern Suedamerikas.
Die kann man wirklich nicht ueber einen Kamm scheren - zu unterschiedlich sind die Epochen, Ursachen und Personenkreise der Aus- bzw. Einwanderungen bzw. der ortsspezifischen Entwicklungen danach.
Eine (nicht ausnahmslos aber nahezu durchgaengige) Gemeinsamkeit und Staerke: kaum einer anderen Kultur ist ein derartig gewaltiger und gutbuergerlicher Sach-Essenzialismus zu eigen wie der deutschen: Es klappert die Muehle am rauschenden Bach - klip-klap, klip-klap, klip-klap. Meist fuehrt das selbst unter widrigsten Umstaenden zur Abwesenheit von Not und Unfrieden, und zwar ohne dass dies uebermaessig nur auf Kosten von anderen ginge - aber eben auch selten zu maerchenhaftem Schlossherrendasein. Kehrseiten sind 'furor teutonicus' und ueberhebliche Haeme.
In Rio Grande do Sul besinnen sich viele auf ihre Wurzeln, lernen neben Englisch professionell (das in und nach der NS-Zeit wegen Befuerchtung politischer Unruhen teilweise verbotene) Deutsch, machen Studienaustausch mit D. und finden dank Internet die Nachkommen der Geschwister ihrer Grosseltern und Urgrosseltern wieder, die - ohne viel Wissen ueber Geografie - einst gemeinsam 'nach Amerika' aufbrachen, durch Schiffspassagen getrennt wurden und von denen die einen in USA, die anderen in Brasilien gelandet waren.
Viele ehemals in erster Linie deutschstaemmig besiedelte Orte in Brasilien und Chile sind heute weit besser verwaltet, und die mittlerweile stark kulturell und genetisch durchmischte Bevoelkerung fuehrt sich gesitteter auf, als das in manchem Bundesland in Deutschland der Fall ist.
Die Menoniten in Belize sieht man auf der Strasse/beim Einkaufen in Trachten und mit Pferdewagen; sie sprechen aber nicht mit Fremden - bzw. sie sprechen ueberhaupt kaum: 'Eure Rede sei nein, nein; ja,ja - was darueber ist, ist von uebel.' Deren grosse Zeit ist aber glaube ich vorbei; harte aber friedliche Urbarmacher und Kolonisatoren von Aeckern braucht kein Land der Welt mehr, und die Fortfuehrung von Traditionen in einer voellig umgedrehten Umwelt muss nicht unbedingt die Rettung der Wert-Inhalte mit sich bringen.
Was mich jetzt mal als Gegenfrage interessiert: wie sind die Leute von der Colonia Tovar denn mit dem bolivarianischen Chavez-Sozialismus zurandegekommen, bzw. mit der moeglicherweise totalen Korruption der Regierung vorher? Haben die einfach weiter ihren gedeckten Apfelkuchen gebacken und haben schulterzuckend auf den Regierungskram verwiesen - oder mussten die ihre Existenen aufgeben und weg?