Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt für überheblich oder so gehalten werde: so schwer ist "auswandern" doch wohl auch nicht, oder? (Ich mag übrigens diesen Begriff überhaupt nicht, der wurde kaum genutzt, bevor diese ganzen Serien im TV anfingen) Außerdem heißt es ja nicht, dass man sich auf Nimmer-Wiedersehen von Deutschland verabschiedet. Die Option, zurückzukommen, besteht doch immer.
Ich habe mit 23 alle meine Zelte in Deutschland abgebrochen, alles verkauft oder eingelagert und bin nach Chile gezogen. Ja, ich habe chilenische Wurzeln, spreche die Sprache und meine Familie lebt in Santiago und Vina, aber ich bin nicht dorthin, sondern in das 1300km nördlich gelegen Antofagasta gezogen, eine Stadt, in der ich vorher nie gewesen war. Nach zwei Bewerbungen hatte ich einen Job, für den ich zwar überqualifiziert war und für den die Bezahlung einen Bruchteil des Gehalts in Deutschland war, aber was soll's. Man muss eben Abstriche machen und ich war glücklich
Völlig entgegen meiner Planung musste ich schließlich doch zurück nach Deutschland kommen, habe es aber immer nur als Übergangszeit gesehen. Nach einigen Jahren habe ich mich dann wieder bereit zum Abflug gemacht, bin ein Jahr durch die Welt gegondelt und sitze jetzt für ein Jahr in England (übrigens ebenfalls in einer Kleinstadt, in der ich vorher nie gewesen war). Wohin es mich danach zieht, weiß ich noch nicht so genau. Vielleicht bleibe ich hier, vielleicht ziehe ich woanders hin.
Und damit bin ich beim Punkt des Fragestellers: "aber wohin?" Ich muss sagen, dass ist auch bei mir das große Fragezeichen. Ich weiß, dass ich auf keinen Fall nach Deutschland zurück will. Nach Chile auch nicht. Eigentlich irgendwohin, wo ganz viel die Sonne scheint. Der Nahe Osten steht hoch im Kurs, allerdings wahrscheinlich nur für einige Jahre. Ich habe festgestellt, je mehr ich reise, desto weniger weiß ich, wo ich bleiben möchte, denn je mehr Alternativen man kennt, desto mehr sieht man die Nachteile von bestimmten Orten. Am Ende bleibt für mich die Erkenntnis, mich vom Leben treiben zu lassen und einfach über die nächste Etappe nachzudenken, anstatt nach dem Ort zu suchen, an dem ich den Rest meines Lebens verbringen will. Ich werde schon irgendwo landen. Und das ist auch ein bisschen das Problem, das ich bei den meisten Beiträgen hier sehe: viele sprechen über das Thema als wäre es eine nicht rückgängig zu machende Entscheidung. Dabei kann ich doch woanders oder auch zurück nach Deutschland ziehen, wenn es mir in meinem neuen Land nicht gefällt. Alles nicht so dramatisch. Oder?
Und bezüglich Jobs denke ich, dass man mit einer guten Ausbildung meistens etwas findet. Man muss sich nur damit abfinden, dass es womöglich weder der Qualifikation noch der Gehaltsvorstellung entspricht, aber dafür hat man ja dann andere Vorteile.
Natürlich lässt in vielen Ländern auch das Sozialsystem zu wünschen übrig, aber darüber mache ich mir keine allzu großen Gedanken. Hinziehen - kucken