Thema: Vagabundenleben? Nestbau? Familie? Freiheit? Wie glücklich werden?  (Gelesen 15343 mal)

querweltein

Moin ihr Lieben,

folgende Situation: gerade (vor ziemlich genau zwei Monaten) bin ich mit meinem Partner von unserer einjährigen Weltreise (SA, SOA, NZ, OZ) zurückgekehrt. Davor (zwischen Grund-und Hauptstudium) bin ich  schon einmal mit meinem Exfreund für sechs Monate in der Weltgeschichte (SOA) unterwegs gewesen und bin auch "zur Überbrückung", bis es wieder "richtig" losgeht, viel in Europa gereist, hauptsächlich Trekking- und Radwanderreisen, aber auch klassisches Backpacking. Ich bin mittlerweile fast 32 Jahre alt, mein Freund 35 Jahre, also im "besten Alter" um endlich mal seßhaft zu werden, eine Familie zu gründen usw. In meiner Umgebung passiert das auch überall. Ehemalige Kommilitonen, Schulkameraden und Freunde: überall wird eifrig an der Karriere gebastelt, Häuser gebaut und werden Kinder in die Welt gesetzt. Auf der einen Seite kann ich das bewundern und spüre auch ein gewisses Bedürfnis nach "einem Platz zum Wurzeln schlagen" und Wunsch nach Kindern und im beinahe selben Atemzug denke ich "Oh Gott, Hilfe, bloß nicht!"
 In mir wiederstreiten so stark Gefühle und Bedürfnisse, dass ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll und mir daraus ein weitergehendes Leben basteln soll. Einerseits der starke Wunsch, ja das Bedürfnis, zu reisen. Ich kann es eigentlich fast nicht rational begründen, ich will irgendwie einfach nur all das Großartige sehen und erleben, was es zu entdecken gibt. Ich sehe meine Mutter, die Zeit ihres Lebens zurückgesteckt hat und jetzt weiß, dass sie wahrscheinlich nicht mehr all das erleben kann, was sie gerne möchte und es nur in kleinen Schritten schafft, das Versäumte nachzuholen. Dazu kommt, dass mein Vater wegen einer Gehbehinderung extrem mobilitätseingeschränkt ist. Das bedeutet Einschränkungen für meine Mutter, aber vielleicht, oder sicher, auch mal für mich in einigen Jahren, wenn meine Eltern zunehmend hilfebedürftig sein werden. Mir ist klar, dass jeder sein Leben leben muss, aber eine gewisse soziale Verantwortung habe ich auch, nicht immer werde ich den Egoismus leben können, dem ich durch meine familiäre Ungebundenheit heute frönen kann.  Gleichzeitig kommt ein richtiggehendes Fluchtgefühl auf, wenn ich daran denke, sesshaft werden zu sollen, mich durch Kinder oder Immobilien zu binden, nicht oder nur eingeschränkt (Kurzzeitreisen, Jahresurlaub etc.) reisen zu können. Klar, ich habe bereits das Glück gehabt, unterwegs gewesen zu sein, habe bereits mehr gesehen, als andere in ihrem ganzen Leben sehen werden. Dafür bin ich auch nicht undankbar, ich kann diese Erfahrungen und Möglichkeiten, die ich hatte wertschätzen. Doch da ist dieser Drang nach mehr. Ich habe eine absolute Abneigung dagegen, mich festlegen zu sollen, meine Freiheit und Unabhängigkeit einzubüßen. Da reicht es schon, dass ich mir jetzt einen neuen Job suchen muss. Wie lange nagelt der mich wohl fest? Im Moment sitze ich über den 60 GB Fotos der Weltreise und könnte beim Sortieren auf die Tastatur des Notebooks heulen, aus Angst, dass es das jetzt gewesen sein könnte. Auf der anderen Seite stehen das Bedürfnis nach Familie, Partnerschaft. Schließlich ist man auch nicht immer jung und mobil. Wer ein Vagabundenleben wählt, zahlt der nicht irgendwann auch immer den Preis dafür in der Währung sozialer Unsicherheit und Nichteingebundenseins, in fehlenden Familienstrukturen und nicht zuletzt (finanzieller) Alterssicherheit?! Um das reine "Reisen können" mit Kindern geht es mir gar nicht- solche Aspekte wurden schon ausführlich und konstruktiv diskutiert und ich kann mich auch darin wiederfinden (z.B. der Thread von Mimmi: Reisen oder Kinder-Reisen mit Kindern?), ich denke nicht, dass mich eine Mutterschaft grundsätzlich am Reisen hindern würde. Mir geht es eher um den Widerspruch von Freiheit, Vagabundenleben, Unabhänigkeit kontra Arbeitsleben, Nestbau, Familiengründung. Was ist, wenn man alles will? Welchen Preis zahle ich? Was sind Lebenskonzepte, die vielleicht alles vereinen können? Als Sozialpädagogin verdiene ich nie das große Geld, d.h. Sparintervalle sind relativ lang, aber wenn ich schon hier sein "Muss", um Geld zu verdienen, bin ich in meiner Lebensführung auch nicht anspruchslos, vielleicht als Kompensation. So sind z.B. Klettern und Mountainbiken nicht gerade billige Hobbies. Und der "Geiz-ist-Geil"-Einkäufer bin ich auch nicht, fahre eher die Bio-Schiene. Beruflich bekomme ich das nächste Problem: in traditioneller Sozialarbeit (offene Jugendarbeit, Jugendamt, Soziale Hilfen, Kindeswohlgefährdung etc.) finde ich mich nicht wieder. Ich möchte im Bereich Umwelt-, Natur- und Erlebnispädagogik/Handwerk arbeiten. Da ist der Arbeitsmarkt aber grottig,  die Leute arbeiten meist selbstständig oder als Freelancer. Aber damit verdient man selten genug, um sich große Reisen (oder bei der seßhaften Variante so was wie ein Haus im Grünen) zu finanzieren und: man muss sich festlegen. Auf mehrere Jahre. Um überhaupt in schwarze Zahlen zu kommen. Grauslich.
 Also hab ich ein prima komplexes Gefühlswirrwarr konstruiert: eigentlich will ich nicht in Deutschland sein, weil ich noch so viel sehen will. Jetzt bin ich aber wieder da, mit leerem Konto, ohne irgendwelche reifen Bausparversträge oder andere Geldanlagen, fast 32 Jahre alt, will nicht auf Familie verzichten, kann mich aber auch nicht mit den Einschränkungen und dem Unabhängigkeitsverlust anfreunden, der mit Familie und einem "sicheren" Job einhergeht. Ich  habe gewisse Ansprüche an die Lebensführung und Gestaltung. Ich sehe mich in gewisser sozialer Verantwortung, will aber meinem Egoismus frönen können und mich nicht einschränken müssen. Wenn ich schon hier sein muss, und wenn ich einen Job machen will, der mich halbwegs glücklich werden lässt, dann erfordert der genau das, wovor ich den größten Horror habe: zeitliche und örtliche Festlegung auf längere Sicht und wahrscheinlich ziemlich wenig Geld, um mir nach einer Arbeitsphase wieder die Unabhängigkeit erkaufen zu können.
 Wie kann ich das Knäuel nur entwirren??? Gibt es nur Varianten, die einen Kompromiss darstellen und wo mehr oder weniger immer ein Bedürfnis unterdrückt wird?
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Raus2013

Ich kann deinen Zwiespalt sehr gut verstehen. Aber ich glaube, diese Entscheidung wird dir niemand abnehmen können. Aber was ich zu bedenken geben möchte: Muss es denn wirklich ein Entweder oder ein Oder sein?

Kann man nicht auch Familie haben und keinen Bausparvertrag füttern oder einen Kredit abzahlen, sondern das Geld in Reisen investieren? Ich habe mein Kind relativ früh bekommen, bin nun Mitte 30 und somit ist der Nachwuchs "aus dem Gröbsten" raus, jobmäßig hat sich auch alles sehr gut entwickelt und so bleiben jedes Jahr einige Tausender für Reisen übrig und nahezu jeder Urlaubstag wird auch "außer Landes" verbracht. Vor zwei Jahren waren wir in Thailand, dieses Jahr in Kenia und nächstes Jahr geht es für 3 Monate nach Südostasien.

Die erste "größere" Reise (Radreise mit Zelt und Kind im Hänger) habe ich gemacht, als meine Tochter gerade zwei geworden war. Und man liest ja auch durchaus häufig von Fern- oder Langzeitreisenden mit Klein(st)kindern. Mir war das so früh nichts, da ich doch ein wenig vorsichtig bin und zudem alleine mit Kind unterwegs war. Da wollte ich sichergehen, dass sich im Falle einer Erkrankung meinerseits irgendwie schnell "geordnete Verhältnisse" für sie schaffen lassen. Und das ließe sich mit 3000 km Distanz zur Familie u.U. nur schwerlich realisieren.
Nun ist sie 10 und ich traue mich allein mit ihr in die weite Welt.

Für mich hätte sich die Frage "Kind oder Reisen" aber nie gestellt, ich hätte mich immer für das Kind entschieden. Vielleicht solltest du dich also erstmal fragen, ob das Familienleben deiner Vorstellung eines erfüllten Lebens entspricht? Undabhängig von der Realisierung anderer Ziele. Möchtest du Mutter sein?

Du müsstest dir einen Job suchen, der dir ermöglicht in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen. Dann ließe sich Familienleben und Reiselust sicher gut verbinden. Aber da stellt sich wieder die Frage, ob dein Job (der ja zwischen den Reisen doch viel Raum einnehmen wird ;-)) dich dann noch glücklich macht ...

Alles nicht so einfach ...

Ich wünsche dir, dass du den für dich richtigen Weg findest und nicht in 30 Jahren sagst: "Ach hätte ich doch ...". Reisen lässt sich auch mit 50 oder 60 noch. Für die Entscheidung für ein Kind ist es dann zu spät.

LG
Sunny
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Sebastian81

Ein sehr laaaaaanger Text. Mit sehr wenigen Absätzen (ächtz) und sehr vielen Fragen.
Die entscheidende Frage aber und so zieht es sich in einem durch, dass es dir recht schwer zu fallen scheint den Wald vor Bäumen zu sehen. So bringst du 60 GB Fotos mit, was - aus meiner Sicht viel zu viel ist - und wenn du sie durchschaust ist dein Gedanke "das war es jetzt"??? Sorry, aber ihr habt gerade die Reise hinter euch, wenn du da keine Freude und Bestätigung aus dem Betrachten der Fotos ziehen kannst, ist das sehr sehr schade.

Die Frage auf die ich anspiele ist schlicht und ergreifend: "Was ist der Sinn des Lebens (für dich)?". Gemeinhin gilt die Beantwortung dieser Frage ja als recht schwer und so versuchst du sie auf einfachere, einzelne Fragestellungen, in diesem Fall isb. auf das dir wohlbekannte Thema Reisen herunter zu brechen. Aus meiner Sicht funktioniert das nicht.
Genau wie Raus2013 schreibt, ergibt sich daraus dann u.a. die essentielle Frage: Willst du Kinder haben? UND bist du davon Überzeugt, dass es dich glücklich machen würde diese groß zu ziehen?
Falls die Antwort auf diese Frage ja ist, dann finde ich solltest du das Gejammer sein lassen, auf Reisen und ein gewisses Maß an Freiheit verzichten, Kraft aus den Reisen der Vergangenheit ziehen und dich darauf freuen, dass deine Kinder dies in Zunkunft vielleicht auch genießen können und für euch auch wieder reisen kommen.
Wenn die Antwort ein Nein ist, wäre es wohl besser keine Kinder in die Welt zu setzten. Allerdings musst du dafür stark genug sein dir bis zu deinem Sterbebett zu sagen: Ich habe dieses Lebensziel bewusst nicht gewählt und es hat mich glücklich gemacht.

Diggidi

Ich kann das Gefühl nachvollziehen, bin auch an einem Punkt wo ich mich frage und nun? Ja die Antwort war die Reise und ich hoffe, ein wenig entspannter wieder zukommen und vielleicht auch etwas klarer zu sehen was ich will vom Leben. Eigentlich möchte ich gerne Kinder aber irgendwie fühle ich  mich nicht bereit aber wenn ich wieder komme bin ich schon 35 etc.

ABER ich denke Antworten bekommen wir nie. Die Zeit für ein Kind ist wahrscheinlich nie der richtige. Und auch wenn das reisen mit Kindern sicherlich anders ist, haben von mir reisende Freunde auf ihrer Weltreise viele Paare mit Kinder gesehen, wenn man will geht alles,.

Wichtig ist natürlich auch die Meinung deines Freundes. Ich glaube einfach, dass du vielleicht durch die berufliche Unsicherheit derzeit vieles andere auch in Frage stellst- Fügt sich das eine fügt sich bestimmt auch der Rest...

lg diggidi
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alex

Die Frage, die sich für mich immer gestellt hat und irgendwie auch immer noch stellt (bin 30) ist doch ob man diesen klassischen Weg mit Heiraten-Kinder-Haus selber will oder ob man es einfach so macht, weil es von der Gesellschaft, Eltern oder sonstwem gefordert wird und immer schon so war.

Ich habe in den letzten Jahren in meinem Bekanntenkreis so einige gesehen, die es so gemacht haben und dann nach 2-3 Jahren gesehen haben, dass es doch nicht das ist was sie wollen. Was folgt war Scheidung, Haus verkaufen, usw. Natürlich ist man am Ende immer schlauer und ich sage nicht, dass es bei allen Personen so abläuft, aber ich denke heute ist es nichts schlimmes mehr sich gegen Kinder/Ehe zu entscheiden.
Ich finde es wird auch überschätzt, dass man mit Kindern ein glückliches und erfülltes Leben hat. Wenn ich mir die Einschränkungen vorstelle, die ich mit Kindern hätte, dann bin ich froh keine zu haben und auch keine zu wollen.

Im Endeffekt muss man diese Entscheidung einmal treffen und dann damit leben. Ein Zurück gibs bei Kindern eben nicht.
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Diggidi

Es kann ja auch nur Heirat oder nur Kinder geben! Und ein zurück von "ich will keine Kinder" gibt es eben auch irgendwann nicht mehr. Ich habe einige Leute im Bekanntenkreis die auch nie Kinder wollten u heute sehr glücklich mit welchen sind ;-) Mit 30 hast du ja noch ein wenig Zeit ;-)
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elhebro

Ich bin eher in die konservative Lebensvariante reingerutscht. Letztes Jahr geheiratet und mein Babysohn liegt gerade schlafend neben mir.
Damit ist klar, dass es mit einer Weltreise erstmal nichts wird, dass wir in nächster Zukunft alle Reiseziele streichen, die zum Beispiel Malaria-Prophylaxe erfordern, oder wo die medizinische Versorgung nicht ausreichend ist.
Das heißt aber nicht, dass wir das reisen jetzt aufgeben - oder aufhören Individuen zu sein. Elternzeit muss man zum Beispiel nicht in Deutschland verbringen.
Für mich war bis vor ein paar Jahren eine richtige Weltreise (habe mich bisher immer pro Reise auf einer Region / Land festgelegt) immer ein Traum - aber auch Träume ändern sich.
Natürlich ist die Entscheidung für Kinder immer eine Einschränkung der Freiheit, denn man trägt eine riesige Verantwortung. Blöd ist eben, dass man diese Entscheidung nicht ewig aufschieben kann - und selbst wenn man eine Entscheidung für das Kinderkriegen getroffen hat, heißt das ja nicht, dass es dann auch klappt.
Es bleibt dabei, wenn man enge soziale Beziehungen pflegt, sei es zu Freunden, Familie, Kindern oder einem Partner muss man Kompromisse eingehen. Alles geht nicht. Wenn man diese Kompromisse als Verluste empfindet, ist das vielleicht nicht das Richtige.

Noch eins: Vielleicht ist ja ein Job in der Entwicklungszusammenarbeit was für dich?
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Radlerin

Hallo querweltein,

was sagt denn dein Freund zu dem Thema? Man trifft doch solche Entscheidungen auch als Paar.

Wie wäre es denn, wenn du dir ein Zeitlimit setzt, z.B. deinen 35. Geburtstag.
Stell dir vor, du kannst bis dahin machen, was du willst. Was würdest du tun? Welche Reisen würdest du machen? oder würdest erstmal bis dahin arbeiten und sparen? Vielleicht hilft dir die Aufteilung in einen überschaubaren Zeitraum, dir klarer zu werden.

Ich hatte mich mit Anfang 30 für Kinder entschieden und so sind wir da auch nicht in Länder mit Malariarisiko gefahren etc., das war aber OK in dem Moment und wir haben trotzdem schon einiges von der Welt gesehen. Nun hat es bei uns nicht geklappt mit dem Nachwuchs und jetzt hane wir wieder alle Freiheiten, aber ich bin froh, dass ich es probiert habe, so habe ich nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Angenehmer Nebeneffekt ist, dass ich nun durch das "geregelte Leben" etwas Geld habe und nun neben den jährlichen Urlaubsreisen auch mal eine längere Reise angehen möchte. Ausserdem, Kinder werden auch grösser und da kommen die Freiheiten wieder. Meine Mutter war mal 6 Wochen alleine in Südamerika und wir Kinder bei Oma und Tante in den Ferien, geht alles.

Ich finde, man kann eh nicht sein ganzes Leben planen, sondern sollte tun, wozu man jetzt Lust hat, der Rest findet sich.

Vielleicht hilft auch die Überlegung, was du auf dem Sterbebett eher bereuen würdest: auf Familie verzichtet zu haben oder auf eine bestimmte Reise. Oder auf eine andere Lebensform.

Alles Gute!
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paulinchen

Hi,
Deine Zerissenheit verstehe ich durchaus, einige Grundsatzentscheidungen im Leben muss man treffen. Kinder ja/nein sind da natürlich entscheidend wichtig, aber DAS ist wirklich deine ganz persönliche Entscheidung, die dir auch niemand nehmen kann.
Ansonsten verquickst du zu viele Elemente miteinander, die NICHT untrennbar miteinander verbunden sind. Es gibt so viele Varianten, da ist deine Kreativität gefragt.
Kinder bedeuten nicht zwangsläufig Ehe, Haus, Kredit, Zwänge.
Beruf bedeutet nicht nur Pflicht, Zwang, etc.
Man kann mit etwas Glück, Phantasie und Flexibilität einige Dinge vermischen.
Berufe kann man mit Reisen und Auslandsaufenthalten vermischen, es gibt Möglichkeiten, die du vielleicht noch gar nicht kennst. Also Reiseleidenschaft mit dem Job verbinden zu können ist schon optimal, spreche aus Erfahrung...
Weltreisen, Umsegelungen etc. gibt es mit Mann und Kind zu Hauf, also es geht, wenn man wirklich will.
Es ist und bleibt ein Spagat, du musst einige Grundsatzentscheidungen treffen, diedir keiner abnehmen kann. Aber wenn du z.B. Familie wählst, musst du nicht auf alle Freiheiten verzichten. Es gibt ein Leben ohne Eigentum und Schulden.

Für mich persönlich hatte immer mein Partner und meine enge Familie die absolute Priorität. Ansonsten war und bin ich recht egoistisch und lebe es bis heute.
Kinderwunsch hatte ich nie, Reisen und Abwechslung ziehen sich durch mein Leben und Stand heute bereue ich nichts.
Die meisten meiner Freunde haben Familie, einige sind Weltreisende und leiden schon immer ein bisschen oder auch heftig.
Mach dir nichts vor, du musst die Weichen stellen, höre tief in dich hinein und spiele auch mal einige unkonventionelle Lebenskonzepte durch, die gibt es zu Hauf.
Haus, Kind, Mann, Arbeit, Routine....nöööö....das geht auch anders...

lg
paulinchen
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southern_cross

« Antwort #9 am: 01. September 2012, 22:05 »
Hi querweltein,

ich (w, 31) verstehe dich sehr gut. Bei mir war das auch lange Thema, ich war auch lange Single, weil ich mich nicht mal auf einen Mann (!) - wenn auch nur als Lebensabschnittspartner - festlegen konnte. Alles gleich zu eng, zu fix und überhaupt, wann darf ich endlich wieder in ein Flugzeug steigen?  ::)

Grundsätzlich habe ich definitiv den Kinderwunsch und heuer auch endlich einen Mann getroffen, der inzwischen schon meine zweitlängste Beziehung ist (glaub es ja selbst zeitenweise nicht ;D). Es gab außerdem einen Todesfall in meiner Familie und just am Tag des Begräbnisses konfrontierte mich mein Frauenarzt auch noch mit der Tatsache, dass die Uhr tickt und ich für eine Erstgebärende im fortgeschrittenen Alter bin. Autsch. Aber das hat was getan mit mir.

Die Antwort für mich lautet also: Ja, ich will Familie, einen Mann und ein, zwei Kinder. Das will ich einfach. Ergo hat das auch einen Preis. Der Preis, mich für einige Jahre - für meine Verhältnisse - festzulegen. Ich spare derzeit auch nicht auf eine Reise, sondern - erstmals im meinem Leben - auf meinen finanziellen Polster.

Konkrete Antwort kann ich dir keine geben. Ich kenn den Druck gut, den du spürst. Bei mir war es einfach eines Tages so, dass ich mich EHER (sicher nicht für den Rest meines Lebens) und JETZT MAL für ein "gesittetes" Leben entschieden habe. Jetzt mal für die nächsten Jahre. Bis ich tatsächlich Nachwuchs habe, nütze ich naürlich weiterhin gute Gelegenheiten für Reisen. Logo... Und ich werde mich auch sicher nicht in Megaschulden stürzen, um ein Haus mit Garten anzuschaffen, nur weil man das so haben sollte. Sicher nicht.

Der eine Lebensstil schließt den anderen nicht aus! Nur weil wir nicht dem konventionellen Rollenbild entsprechen, heißt das nicht, dass es keine Alternativen gibt.

Und noch eine Anmerkung am Rande, ich bin das volle Freiheits-Tier und darf mir innerhalb meiner Beziehung Raum und Zeit für mich alleine nehmen (zB mal ein Wochenende alleine und nuuuuuuur das tun, was iiiiiiiich will, ohne Fragen), das nimmt auch viel Freiheitsdrang raus bei mir. Wenn wir mal zusammenziehen krieg ich mein eigenes Zimmer und ich darf auch immer reisen wenn mir danach ist (das ist der Preis den ich koste  ;)).

LG
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Nausikaa

« Antwort #10 am: 02. September 2012, 14:31 »
Hallo Querweltein,

ganz offensichtlich hast Du Dich in Deinem Gefühlsknäuel echt ganz schön verstrickt! Das neide ich Dir nicht, weil ich weiß, wie man in solchen Situationen leidet, und ich bin wahnsinnig froh, dass ich (w, 31) endlich einen Lebensentwurf gefunden habe, mit dem ich glücklich werden kann. Trotzdem weiß ich natürlich, dass auch dieser Entwurf nur ein Entwurf ist. Das Gefühl, "endgültige" Entscheidungen abwägen zu müssen, kann einen echt fertig machen. Aber, wie ja schon oft erwähnt wurde, Deine Entscheidungen sind gar nicht so endgültig, wie Du meinst. Und vor allem nicht so einseitig. Und das Tolle ist: Du bist erst 32. Du hast noch Zeit!!  :)

Viele haben Dir ja schon geraten, erst mal innezuhalten und zu prüfen, ob Du eigentlich von ganzem Herzen Kinder haben willst - und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Kinder können schließlich unter allen möglichen Voraussetzungen glücklich werden - nur nicht unter der, dass sie eigentlich ungewollt sind. Das ist so ziemlich das schlimmste Gefühl, dass man einem Kind vermitteln kann.

Wenn Dich der Gedanke an ein eigenes Haus fast umbringt, dann kauf Dir keins. Wozu? Ich zum Beispiel wünsche mir genau das: Ein ureigenes Zuhause mit Garten, in dem ich schalten und walten kann, wie ich will, in dem mir keiner verbieten kann, Hunde zu halten, einen Sandkasten für meine Kinder zu bauen oder das Wohnzimmer zu vergrößern. Mir wird ganz leicht ums Herz bei dem Gedanken an so viel FREIHEIT! :D Wenn Dir daran aber nichts liegt, kannst Du jederzeit in einer Mietswohnung oder einem Mietshaus mit dreimonatiger Kündigungsfrist glücklich werden. Sowas gibts übrigens auch im Grünen.

Zu Deiner Arbeitsproblematik fällt mir leider auch nicht viel mehr ein als die bereits erwähnte Entwicklungshilfe. Da legt man sich im Allgemeinen aber auch für zwei Jahre fest, glaube ich. Wie sieht es aus mit erlebnispädagogischen Projekten für z. B. schwererziehbare Jugendliche im In- und Ausland, gehört das zum Bereich der grotttigen Aussichten?

So, nachdem jetzt schon so viel von unserer Seite geschrieben wurde, wüsste ich total gerne, was Dir beim Lesen so durch den Kopf gegangen ist. Achja, und die Meinung Deines Freundes würde mich auch sehr interessieren! :)

LG
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querweltein

« Antwort #11 am: 04. September 2012, 13:53 »
Hey,

erstmal vielen Dank an alle, die sich die Zeit genommen haben, ihre Gedanken beizutragen.
Ich habe die Antworten gerade gesammelt gelesen, da ich einige Tage keine Gelegenheit hatte, online zu sein.

In der Zwischenzeit habe ich einige Eltern und  Schwangere "gelöchert" (was einfach war, da ich auf einer kinderreichen Hochzeitsveranstaltung und einem Geburtstag war...), und mich mit einigen Leuten ausgetauscht. Unter anderem mit einem schwedischen Paar, welches samt gerade 5 Monate altem Sohn ihre Elternzeit im nächsten Jahr gemeinsam als Sprachlehrer in Ecuador verbringen wird, meiner besten Freundin, die "zufällig" nun auch gerade im dritten Monat schwanger ist (und mit der ich "eigentlich" eine gemeinsame berufliche Selbstständigkeit aufbauen wollte/will sowie einer Frau Anfang vierzig, für die zwar das Reisen keine so große Rolle spielt, jedoch schmerzlich einen unerfüllten Kinderwunsch mit sich herumschleppt. Am Anfang hat mich gestört, dass die Diskussion sich sehr schnell auf den Punkt "Kinder kriegen" fokussierte. Aber klar- es ist der einzige Punkt, in welchem eine Entscheidung getroffen werden muss, die irgendwann (und dass innerhalb der nächsten höchstens zehn Jahre) eine Entscheidung irreversibel wird. Das ist mir klar. Gleichzeitig ist das für mich nur ein Aspekt von vielen.

Der Gedanke mit dem "Sterbebett" und den bereuten Entscheidungen gefällt mir. Das werde ich sicher aufgreifen, um klarer zu sehen.

Ich hatte außerdem gehofft, von Leuten zu hören, die in einer ähnlichen Gefühlslage waren oder sind und wie diejenigen es geschafft haben ihre unkonventionellen oder nichtzusammenpassenden Wünsche und Lebensvorstellungen zusammenzubasteln. Gibt es jemanden, der die "eierlegende Wollmilchsau" für sich entdeckt hat??? >:(

Die größte Schwierigkeit ist es für mich, ein Konzept zu entwickeln, nach dem ich zufrieden leben kann, ohne das Gefühl, etwas zu verpassen. Meine Freundin meinte noch, dass man sich entscheiden muss und vielleicht (mal abgesehen von der Kinderfrage) man die Dinge einfach nicht alle im selben Lebensabschnitt haben kann. Sondern, dass einige Sachen einfach nur nacheinander möglich sind. Klar, sehe ich die Wahrheit in dieser Aussage- nur so richtig einsehen will ich sie nicht. Irgendwie stemmt sich in mir alles dagegen und ich habe dieses "Alles-gleich-jetzt-sofort"-Gefühl. Ich weiß selbst, dass sich das nicht besonders erwachsen anhört. Aber ich mag mich nicht so richtig damit abfinden, dass es keine "All-in"-Lösung geben soll.

Mein Freund meint übrigens, (zumindest sofern die finanziellen Gegebenheiten entsprechend wären) eher jetzt bis in zwei Jahren Kids als in zehn Jahren. Mein Freund ist aber mit dem Thema Langzeitreise auch erstmal durch. Er hat nicht dieses unbedingte Fernweh und mehr als ich das Bedürfnis nach finanzieller Absicherung. Für ihn wäre ein Reisekonzept mit vier-Wochen bis zwei-Monatsformaten zukünftig auch erstmal ausreichend, während für mich das Reisen erst so richtig ab zwei Monaten losgeht.

Vielleicht ist es auch so, dass ich einfach noch nicht richtig hier bin. Es ist halt auch so, dass nicht nur gerade die "Freiheit" der Reise zu Ende ist, sondern auch, dass ich jetzt gerade zum Übergang wieder bei meinen Eltern in ein Zimmer eingezogen bin, was natürlich, obwohl wir uns sehr gut verstehen ein krasses Kontrastprogramm ist (aber auch nicht anders möglich, solange kein neues Einkommen vorhanden ist, weshalb da eine Entscheidung halt auch pressiert). Und dann habe ich es noch geschafft, mir zwei Wochen nach unserer Rückkehr beim Klettern den Meniskus zu reißen, vor drei Wochen war Knie-OP- tja und damit ist gerade auch viel von dem nicht möglich, was ich gerne tue und brauche (nämlich körperliche Bewegung und die Freiheit, mich flexibel zu bewegen). Also noch ein Punkt, wo mir gerade die Flügel gestutzt sind, was ich gerade so gar nicht gebrauchen kann...

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Diggidi

« Antwort #12 am: 04. September 2012, 14:03 »
Ich glaub du machst dir zuviele Gedanken, du sagst "Die größte Schwierigkeit ist es für mich, ein Konzept zu entwickeln, nach dem ich zufrieden leben kann, ohne das Gefühl, etwas zu verpassen." Für das Leben gibt es kein Konzept man muss manczhe Dinge auch einfach ausprobieren, das macht es ja eben spannend. Klar einen Kinderwunsch sollte man irgendwann umsetzen aber ansonsten...  Ist natürlich schwierig wenn dein Freund Sicherheit, kürzere Reisen und Kinder möchte und du nicht..das wäre glaube ich die erste baustelle die es zu beheben heißt.


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southern_cross

« Antwort #13 am: 04. September 2012, 14:41 »
Das nagende Gefühl kenne ich. Ich verstehe aber auch deinen Freund, weil ich in diesem Denken inzwischen auch angekommen bin. Das konnte ich aber nur, weil ich die letzten Jahre BEDINGUNGSLOS und komplett EGOISTISCH verschiedenes ausprobiert habe, u.a. eben das Reisen.

Wenn du jetzt reisen möchtest, dann tu es.

Es wird erst aufhören, wenn du "genug" hast und dich der Gedanke, in welcher Form auch immer sesshaft zu werden, nicht mehr in die Flucht schlägt. Wenn der Kinderwunsch oder der Wunsch nach Sicherheit größer wird, rückt der Wunsch nach Reisen nach hinten.

Du bist 32. Für Kinder hast du noch Zeit. Nicht ewig, aber du hast Zeit. In fünf Jahren kann alles ganz anders aussehen.

"Life is a journey, not a destination" - das Konzept gibt es nicht. Aber es gibt Abschnitte. Bei dir ist der jetzige Abschnitt eben noch das Reisen. In fünf Jahren ist es vielleicht Kinder. Auch vielleicht in 10 Jahren noch. Und in 15 Jahren - bist du wieder in der Welt unterwegs. Du hast kein Haus, du hast eine Mietwohnung, damit du flexibel bleibst. Du hast ein Netzwerk an Freunden und Bekannten statt Großfamilie, mit denen du zusammenarbeitest, die dir zuhause die Stellung halten. Usw. Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten, sein Leben flexibel zu halten, sodass man immer mal wieder weg kann, auch mit Kindern.

Jetzt werd erstmal wieder fit und komm wieder auf Reiseflughöhe, wenn dein Knie wieder gesundet ist. Dann schaut die Welt schon wieder anders aus.

Ich hatte letzte Woche ein Bewerbungsgespräch. Ich hatte vor ein paar Jahren einen sicheren, gutbezahlten Job in einer Bank. Man fragte mich, warum in aller Welt ich dort gekündigt habe. Meine Antwort: "Weil ich musste. Ich habe meinen Lebenstraum erfüllt und das getan, was ich eigentlich schon 10 Jahre vorher hätte machen sollen: Ich wollte schon immer mit dem Rucksack durch Australien. Und das war der perfekte Zeitpunkt." Die Antwort war nur: "Das zählt. Richtige Entscheidung." Nix und niemand hätte mich in der Bank gehalten, und es war GUT SO.

LG  :)
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Nausikaa

« Antwort #14 am: 04. September 2012, 16:49 »
Habe ich die eierlegende Wollmilchsau entdeckt? - Nein. Deine Freundin und die letzten Kommentare haben Recht: Das Leben verläuft phasenweise. Zum Glück! So habe ich die Möglichkeit, viele meiner völlig widerstreitenden Facetten auszuleben: mit dem Rucksack durch Laos reisen, im Ferienhaus in Frankreich entspannen, Elternzeit nehmen, im Beruf aufgehen und viele tolle Fortbildungen machen, mit dem VW-Bus durch den Osten touren, Rosen pflanzen, mich im Tierschutz engagieren, Entwicklungshilfe leisten, mal ausruhen, Eltern pflegen, Klavierspielen lernen oder Bücher schreiben - vieles geht nacheinander, gleichzeitig, später wieder, vielleicht gar nicht. Prioritäten verschieben sich, neue Ideen tauchen auf, das Leben stellt die Weichen plötzlich neu... So viele verschiedene Dinge zu wollen, muss kein Fluch sein; es ist auch eine Kraft, die Dich antreibt.

Ich bin gespannt, wie Du die Dinge in einigen Monaten betrachtest. Dann bist Du schon wieder angekommen und wirst bei Deiner Freundin und ihrem neugeborenen Kind sehr schnell spüren, ob Du "das alles" willst oder nicht.
Wenn Du wieder los willst und Dein Freund nicht, solltest Du mal prüfen, ob es nicht ein Option wäre, eine Weile ohne ihn zu reisen oder im Ausland zu arbeiten. Im Moment bist Du offenbar noch nicht so weit, dass Du sesshaft werden möchtest - dann solltest Du Dich auch nicht dazu zwingen, wie Southern_Cross treffend begründet hat. Wer weiß - in zwei, vier, sechs Jahren wirst Du vielleicht ganz andere Wünsche haben. Oder eben auch nicht.  ;D
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