Nun zum Thema mit dem Essen. Es stimmt: nennenswerter Sinn fuer Esskultur - im Alltag wie fuer Festessen - ist ueberhaupt nur da vorhanden, wo dafuer traditionell Zeit und Rohstoffe uebrig sind, je nachdem wie auch Geld. Das merkt man ja schon, wenn man die deutsche mit der italienischen Kueche vergleicht, oder eine bayrische Schweinshaxe an Sauerkraut mit einem Hamburger und Pommes.
Je nach Region gibt es in Suedamerika einige im Grunde einfache, aber aus sehr guten Grundmaterialien bestehende und manchmal hervorragend zubereitete Spezialitaeten, z.B. Steaks und Grillspiesse im Cono Sur, Churrasco in Brasilien, Carne a la Llanera in der kolumbianischen Praerie, einige Fischgerichte an den Kuesten, wie z.B. peruanisches Ceviche oder gekochter Hummer in Chile, einige in Bananenblaettern gebackene Flussfischgerichte, hausgemachte Teigtaschen mit Fleischfuellung, in Kolumbien ein Reisgericht mit Schweinefleisch, das in der knusprigen Haut des ausgehoehlten Ferkels im Lehmofen gebacken wird, in den Anden exotische Knollenfruechte wie verschiedene Kartoffel-, Bananen- oder Maniokarten, alle moeglichen Huelsenfruechte, Saefte und Suess-Speisen aus Tropenfruechten, frischer oder zu Melasse gekochter Zuckerrohrsaft mit Weisskaese, Getranke oder Speisen aus beim Bauern gekauften und selbst auf Holzfeuer geroestetem Kakao oder Kaffee - ganz hervorragende Sachen, die man aus den vorhandenen Rohstoffen mit etwas Muehe und know-how herstellen kann. Viel besser als aus teuren Feinkostgeschaeften.
Das Problem ist nur: fuer den Alltag ist das zu aufwaendig, da schmeisst man lieber das vorher ausgekochte Huhn oder das zaehe Rind in die Fritteuse, kocht im Sud ein paar Kartoffeln, Bohnen und Reis kaputt, trinkt ein ekelhaft suessen Sprudelgetraenk und isst fabrikgefertigte Kekse aus der Packung - und fertig. Zu Festtagen kochen einige wenige dann wirklich. Zwar baeuerlich, aber gut - nur das bekommt man als Tourist nicht so mit, weil es sich v.a. um Familienzusammenkuenfte in Privathaeusern oder Bauernhoefen handelt, und weil auch - und dafuer habe auch ich kein grosses Verstaendnis - das Essen an einem gepflegt gedeckten Tisch in den Koepfen der Einheimischen hauptsaechlich mit Fertiggerichten, Nouvelle Cuisine und Mikrowellenherd-Kultur assoziiert ist, und weil - das ist wiederum verstaendlich - die Alltagsmenues in Strassenrestaurants selten ueber das schnelle hineinschaufeln zwischen Fernseh-Nachrichten, Latino-Musik und Plastikmoebeln hinausgehen.
Fuer Reisende mit Anspurchen, die ueber Fast-Food hianusgehen, heisst das: ihr muesst eben entweder euch damit abfinden, oder in groesseren und kleineren Staedten nach dem urigen Rindfleischgrill intensiver suchen. Wo es oft einfache, aber gute und urige Kost gibt ist in einer Ecke der Frischmaerkte, vor allem morgens bis mittags. Da wird man dann zwar als Tourist komisch angeschaut und manch einen stoesst es ab, dass der Boden schmutzig ist und draussen von Eselskarren abgeladen wird, aber das ist richtig lecker, mit heissen und nahhaften Kakaotassen, frisch gekochter Kuhmilch, Zerbroeckelten Zuckerrohrbloecken, Kaese, kraeftiger Rindfleischbruehe, hausgemachten, in Bananenblaettern gepressten Meismehlkuchen, usw.