Zugegeben, ich habe da etwas kräftig auf den Putz gehauen - andererseits geht mir dieses Sicherheitsgeschwafel mächtig auf den Zeiger. Ist das ganze Leben ruiniert, wenn man sich mit 18 einen Traum erfüllt, der viel prägender und richtungsweisender ist als ein ödes Reihenaus, das einen für die nächsten 60 Jahre festnagelt, bis der Bestatter kommt? Gerade in diesem Forum finde ich solche materialistischen, kleinbürgerlichen, engstirnigen Argumentationen wie die von Jens und Farmerjohn mehr als traurig.
Zum Thema Sicherheit: Ich bin in den letzten 15 Jahren deutlich über 100.000 Kilometer Fahrrad gefahren, unter anderem in Pakistan, Indien, Bolivien, Chile, Marokko ... Passiert ist mir nie etwas. Aber: Vor ein paar Monaten wurde eine Arbeitskollegin auf dem Weg zur Arbeit auf dem Isarradweg von einem anderen Fahrradfahrer so übel gerammt, dass sie mehrere Zähne verloren hat. Der Typ hat sich aus dem Staub gemacht, nebenbei bemerkt.
Ich blicke mittlerweile auf drei Langzeitreisen zurück (24, 15 und 12 Monate), von denen ich keine einzige gegen ein Häuschen im Grünen oder sonstwas Materielles eintauschen würde. Die erste Tour habe ich direkt nach dem Zividienst gemacht - und zwar selbst finanziert. Geht alles, wenn man vernünftig plant, und meine Eltern haben mich damals sehr unterstützt. Nicht finanziell, wohlgemerkt.
Die zweite Tour kam während des Studiums und die dritte, nachdem mir mein ehemaliger Chef so sehr auf den Senkel gegangen ist, dass sich da nichts mehr kitten ließ und ich gekündigt habe. Mittlerweile habe ich einen neuen Job, den ich als deutlich besser bezeichnen würde als den früheren, und das in einer Branche, in der vernünftig bezahlte Festanstellungen eher die Ausnahme sind. Ich könnte mich kaputtlachen, wenn ich mir überlege, dass der Streit mit dem alten Trottel im Endeffekt so viel Positives bewirkt hat. An dieser Stelle sei zumindest die Frage erlaubt, ob es wirklich so erstrebenswert ist, mit Sicherheit ein furchtbar ödes Leben zu leben.
Meine Frau ist übrigens deutlich jünger als ich - sie war 16, als wir uns kennengelernt haben, ich 24. Der Altersunterschied war für Ihre Eltern nie ein Thema, noch nicht einmal ansatzweise. Als wir im letzten Jahr zu unserer Tour aufgebrochen sind (sie hatte gerade ihr Studium beendet, als mein Chef so am Rad gedreht hat, hätte kaum besser passen können), gab es von denen ausschließlich Unterstützung und bewundernde Worte. Wäre das anders gewesen, hätte es unsere Entscheidung nicht im Mindesten beeinflusst.
Wenn man etwas wirklich erreichen will, dann kann man es auch erreichen - man muss eben wissen, was man will, und sich zur Not gegen Widerstände durchboxen, und da liegt bei den meisten der Hase im Pfeffer.
Zum Abschluss: In so gut wie allen Ländern, die ich bereist habe, - und Deutschland ist da bestimmt keine Ausnahme - gucken die Menschen umso unzufriedener und verdrießlicher, je besser sie materiell gestellt sind. Klar fände ich es auch nicht schlecht, ein bisschen mehr Geld zur Verfügung zu haben - aber ich werde mich ganz bestimmt nicht verbiegen, um durch irgendwelche Schablonen zu passen. Wie gesagt: Jeder soll nach seiner Facon selig werden - und wie selig wir alle so sind, sehen wir jeden Morgen, wenn wir in den Spiegel gucken. Wie selig die ganzen Miesepeter in deutschen Landen so aussehen, kommentiere ich an dieser Stelle lieber nicht. Und was ich von den Backpackerhorden halte, die alle auf den immergleichen Pfaden rumtrampeln und sich keinen Deut auf das Land, in dem sie sich befinden, einlassen, auch nicht.