Hallo,
tja, das Interesse kann ich verstehen. Aber ich kann die Neugier nur bedingt befriedigen, denn einen Blog hatte ich auf meinen bisherigen Reisen nicht.
Was meine Reiseerfahrung betrifft, muss ich eins mal vorweg schicken:
Ich bin auf gar keinen Fall der Oberguru, dessen Erfahrung alle anderen in den Schatten stellt. Tatsächlich wird es sogar sehr viele Leute geben, die wesentlich mehr Erfahrung gesammelt haben als ich. Bloß haben sie sich nicht die Mühe gemacht, alles aufzuschreiben. Hätte ich wahrscheinlich auch nicht, wenn ich am Anfang schon gewusst hätte, wie viel Arbeit das ist.
Aber wie kam der Karoshi denn nun zum Reisen, und wo ist er schon überall rumgekrochen? Wollt Ihr das wirklich lesen? Na gut, dauert aber etwas. Denn bevor ich zum Wunder meiner Geburt komme, möchte ich noch kurz die Geschichte meines Volkes erzählen.
Just kidding.
Nein, ich möchte Euch erzählen, wie ich zum Backpacker wurde. War ja nicht ganz selbstverständlich, denn ich hatte in meinem Umfeld keine Vorbilder. Statt dessen habe ich erst mal eine ganz klassische Urlaubskarriere hingelegt: ein paar Pauschalreisen mit den Eltern. Familienurlaub in den deutschen Mittelgebirgen, Österreich oder auch mal Holland oder Südtirol. Später Jugendfreizeiten und Radtouren nach Holland, England und Frankreich. Abfeiern auf Malle mit unserem Drummer (boah ey). Last minute nach Rhodos.
So hätte es weiter gehen können, aber dann kam Nicole. Genau genommen war ihre Schwester Claudia im Rückblick betrachtet in meinem Leben viel wichtiger, denn die machte im Rahmen ihres Studiums einen Auslandsaufenthalt in Brasilien und schrieb eines Tages einen Brief, dass sie im Anschluss noch eine Rundreise durchs Land plante -- und ob wir nicht mitkommen wollten. Da saßen wir also im Studentenwohnheim, schauten uns nur kurz an und sagten: na klar doch! Wann kriegt man denn noch mal die Gelegenheit, nach Brasilien zu kommen, und jemand vor Ort organisiert das alles? So dachten wir damals wirklich. An diesem Tag wurde ich also noch nicht zum Backpacker.
Als nächstes haben wir unsere Flüge gebucht. Das billigste, was damals zu haben war: mit Lineas Aereas Paraguayas nach Rio. Außerdem einen Brazil Airpass, mit dem man damals jede Inlandsverbindung von Varig einmal abfliegen durfte.
Dann unsere Eltern eingeweiht.
"Wir haben einen Flug nach Rio gebucht" klang zwar ganz schön cool, aber zum Backpacker wurde ich an diesem Tag ebenfalls noch nicht.
Tatsächlich haben wir Claudia schließlich in Fortaleza getroffen, das liegt an der Nordostküste. Bis dahin hatten wir bereits 35 Stunden Anreise und je 8 Starts und Landungen hinter uns, unter anderem in Dakar, Asunción, Sao Paulo, Rio... Die Lernkurve hatte bereits eingesetzt. Lektion 1: um in einem sehr großen Land an eine bestimmte Stelle zu kommen, gibt es günstige und ungünstige Flughäfen. Rio war für die Nordostküste eher ungünstig. Lektion 2: es gibt große und kleine, reiche und arme Fluggesellschaften. (Wer von Euch ist schon mal mit einer Boeing 707 geflogen?) Aber zum Backpacker wurde ich sogar auf der Hinreise immer noch nicht.
Zum Backpacker wurde ich erst nach der Landung. Wir standen abends gegen 21 Uhr auf dem Flughafen dieser Millionenstadt, und Claudia sagt nach der ersten Begrüßung: "dann wollen wir mal sehen, ob wir ein Hotel kriegen." Ok, jetzt nichts anmerken lassen. Keinen Satz sagen, der mit "Ich dachte" anfängt. Mitspielen und sehen, ob das funktioniert. Und siehe da: es funktioniert tatsächlich. Kaum eine Stunde später sitzen wir frisch geduscht (Lektion 3: in Südamerika nicht den elektrischen Duschkopf anfassen, wenn das Wasser schon läuft) bei einer Caipirinha in einem Strandcafé. Wir besprechen, was wir in den nächsten Tagen machen wollen (nämlich mit dem Strandbuggy die Küste rauf fahren und da bleiben, wo es schön ist), und erfahren bei der Gelegenheit, dass wir die letzten zwei Wochen alleine unterwegs sein werden, weil Claudia dann schon wieder heim fliegt. Willkommen im Backpackerleben, wenn auch nicht ganz freiwillig!
Ihr habt warscheinlich schon erraten, dass mich diese Erfahrung nicht traumatisiert hat, sondern das genaue Gegenteil bewirkt hat. Es war nämlich richtig, richtig klasse. Seit dieser Reise habe ich fast jede Gelegenheit genutzt, mich in der Ferne rumzutreiben. Der Wunsch nach einer Weltreise kam allerdings erst nach und nach auf, nachdem ich immer mehr Leute getroffen hatte, die eben
nicht nach einem oder zwei Monaten wieder nach Hause mussten. (Neid!)
Tja, und irgendwann war es dann so weit: die Prioritäten im Kopf waren so weit justiert, dass ich meinen Job gekündigt habe und alleine ein Jahr durch Süd- und Mittelamerika, Ozeanien und Südostasien gereist bin. Später dann noch mal für ein halbes Jahr mit meiner Freundin von Mexico bis Argentinien. In beiden Fällen das volle Programm, also Wohnungsauflösung, Behördenmarathon, Möbeleinlagerung, Jobsuche... Ich möcht's trotzdem nicht missen.
Mein inzwischen abgelaufener Reisepass aus der Zeit enthält Stempel aus Ecuador, Peru, Bolivien, Chile, Argentinien, Brasilien, Mittelamerika (alle Länder außer El Salvador), Südostasien (alle Länder außer Brunei, Osttimor und den Philippinen), Australien, Tahiti, Fiji, Tansania und der Türkei.
Inzwischen stecken wir leider wieder im Berufsleben fest, so dass im Moment eher kürzere Reisen angesagt sind. Der Fokus liegt derzeit ganz klar auf Asien. In meinem aktuellen Pass finden sich Stempel von Indien, Jordanien, Nepal und -demnächst- China.
Der Traum, irgendwann noch einmal auf eine ganz lange Reise zu gehen, ist aber auch bei mir nicht erloschen. Irgendwann wird sich unverhofft eine Gelegenheit ergeben, und vielleicht geht es ja dann mit Open End los??
LG, Karoshi