Thema: Richtig übles Travel Burnout  (Gelesen 7155 mal)

White Fox

« am: 26. April 2018, 17:33 »
Hallo liebes Forum,

Im letzten Jahr oder so war ja nicht mehr wirklich viel von mir zu hören und das eine oder andere Langzeit-Mitglied hat sich vielleicht auch schon gewundert (oder auch nicht). Um es kurz zu machen: Ich hatte richtig krasses Travel Burnout und so ganz bin ich immer noch nicht darüber hinweg.

Ich bin in Sept/Okt 2016 zu meiner geplant einjährigen Weltreise durch Asien und Australien/Neuseeland aufgebrochen. Es lief eigentlich auch alles super. Die Reise hat mir großen Spaß gemacht und eigentlich hätte ich es auch problemlos bis zum Schluss „durchziehen“ können. Will damit sagen, dass ich keinen Travel Burnout hatte weil ich zu schnell gereist bin oder mir zu wenig Pausen gegönnt habe. Das hat eigentlich alles gepasst. Aber im Mai 2017 sind dann zwei ziemlich schlimme Sachen in meinem Privatleben passiert (auf die ich hier nicht näher eingehen werde) und damit war dann von einem Tag auf den nächsten meine Reise innerlich vorbei. Ich habe mich dann noch ein paar Wochen lang über Borneo geschleift weil ich nicht aufgeben wollte und weil ich mir die Freude an meiner Reise nicht nehmen lassen wollte. Gerade auf Borneo hatte ich mich schon so lange gefreut, das war seit vielen Jahren ganz weit oben auf meiner Bucketlist. Genießen konnte ich es aber nicht. Nichts machte mehr Spaß und ich war regelrecht depressiv verstimmt.

Von Borneo ging es weiter nach Taiwan wo ich zum einen eine taiwanesischen  Freundin besuchen wollte (wir hatten uns vor Jahren in Brasilien kennengelernt), auf der anderen Seite das Land entdecken wollte. Ich hatte so viel Tolles über Taiwan gehört und war auch total froh endlich wieder in einem Land zu sein das einen hohen Entwicklungsstand hat. Aber als ich dann in Taiwan ankam und nichts machen wollte als bei meiner Bekannten auf der Couch zu sitzen und Trübsal zu blasen war mir klar: Ich muss nach Hause, und zwar sofort. Ich bin dann also Mitte Juni nach Hause geflogen und habe mich erstmal bei meiner Familie erholt. Ich wollte dann erstmal überhaupt nichts mehr mit Reisen zu tun haben. Wobei ich natürlich trotzdem das eine oder andere unternommen habe – aber es ging dabei mehr darum Freunde und Familie zu besuchen sowie mir am Ende einen neuen Job zu besorgen als um das Reisen selbst, letzteres war mir einfach über.

Ich habe mir bewusst viel Zeit gelassen wieder einen Job zu suchen weil es mir innerlich wirklich nicht gut ging und ich mich erst wieder aufrappeln musste. Und bevor einer schreit: weil ich vor meiner Reise schon seit Jahren im Ausland gelebt habe habe ich in dieser Zeit KEIN Arbeitslosengeld oder sonstiges bezogen. Anyway, im Dezember habe ich dann eine neue Stelle angetreten – natürlich wieder im Ausland, war ja klar. Ich arbeite im Bereich humanitäre Hilfe und habe jetzt seit Dezember eine Stelle im Congo (DRC) wo ich nun lebe und arbeite. Auch mal was neues XD
Man kann hier natürlich nicht rumreisen und nach wie vor war mir nicht nach reisen. Letzten Monat hatte ich dann aber 2 Wochen Urlaub und bin mit einer lieben Freundin nach Kenia. Ich war sehr sehr froh, dass ich mit jemand anderem Reisen konnte, bis jetzt bin ich immer noch nicht wieder bereit fürs allein reisen wobei ich schon glaube, dass das mit der Zeit wieder kommt. Ich schmiede auch für den Herbst wieder Reisepläne, aber dieses Jahr steht wirklich noch alles im Zeichen von mit Freunden reisen bzw. Freunde im Ausland besuchen. (Falls es danach klingen sollte – mir ist auf der Reise selbst nichts Schlimmes passiert also kein Unfall und kein Verbrechen sondern es waren Dinge die mein Leben in Europa betroffen haben und die mich auf Grund ihrer Natur extrem mitgenommen haben).

Im Nachhinein bin ich dankbar für 9 tolle Monate unterwegs und im Anschluss 6 Monate mit Familie und Freunden – ich bin viel zu selten in Deutschland und die Zeit daheim hat mir sehr gut getan. In der Zeit konnte ich viel nachdenken, auch darueber ob mein Lebensstil (dauernd im Ausland, alle paar Tage/Monate/Jahre in einem anderen Land) das richtige ist.
Ich bin froh mir das jetzt hier einfach mal von der Seele schreiben zu können. Mittlerweile ist ja schon fast ein Jahr vergangen und ich erhole mich immer mehr. Vielleicht hilft der Beitrag auch jemandem der auch seine Reise früher als geplant abgebrochen hat oder darüber nachdenkt, aus welchen Gründen auch immer. Das kommt ja immer wieder vor.
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Degna

« Antwort #1 am: 27. April 2018, 14:31 »
Danke für deinen Bericht,.....klasse auch mal sowas zu lesen!

Ich möchte auf keinen Fall ein Urteil abgeben,sondern nur meine Meinung zum Ausdruck bringen:
Ich glaube garnicht mal ,das du travel müde bist,sondern,wie du 2x erwähnt hast ein paar private ,echt schlimme Erlebnisse hattest,die sich auf deine Gesamtstimmung ausgewirkt haben.

Klasse ,du bist trotz allem nach DRC gegangen,bist nach Kenya gereist,.....da sieht man doch,das es mit dem Reisen direkt nichts zu tun hatte.

Also,ich bin echt travel müde,.....alleine der Gedanke an Flughäfen,Hotels und öff.Verkehsmittel erzeugt bei mir ein starke Ablehnung. Ich bin ja nicht mal bereit mir England,wo ich seit gut einem Jahr lebe,näher anzusehen. Cornwall würde mich echt interessieren,habe viele Bücher darüber gelesen,aber nur der Gedanke wieder irgendwie en route zu sein behagt mir nicht.

Mach dir nicht zuviele Gedanken,.....das Tief in dem du dich befindest,wird auch irgendwann wieder nachlassen. Es gibt halt Dinge im Leben,die man nicht so leicht weg steckt.

Alles Liebe für dich!
Claudia
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dirtsA

« Antwort #2 am: 27. April 2018, 21:24 »
Ja, stimmt, irgendwie hatte ich mich schon gefragt was aus dir geworden ist ;)
Als Außenstehende würde ich es wohl aber auch eher so wie Claudia beurteilen - ganz klar: wenn so schlimme Dinge privat passieren, hat man auf gar nichts Lust, auch die tollsten Reisen nicht. Ich war damals übrigens mit Liebeskummer in Borneo und konnte es auch nicht so richtig genießen auch wenn Teile eigentlich richtig toll waren - damit bist du also schon mal nicht allein ;)

Was du auch ansprichst - dass du momentan lieber in Gesellschaft reist - kann ich total verstehen. Das Alleinreisen wird irgendwie gerne so verherrlicht v.a. von Vielreisenden, so als ob es das Tollste überhaupt wäre. Mittlerweile hab ich immer weniger Lust drauf. Meine letzten 3 langen Reisen alleine haben mir gezeigt, dass ich eigentlich viel lieber zusammen mit meinem Freund unterwegs wäre, oder auch einer guten Freundin (wobei mein Freund und ich schon das beste Team sind...hehe). Glaub, dass das Alleinreisen bei mir nach dem nächsten Monat (einmal noch allein los, bevor wir uns in Australien treffen) eher der Vergangenheit angehören wird.

Vielleicht entwickelt sich auch einfach dein Reisestil bzw. deine Vorlieben in eine andere Richtung? Andere Länder scheinen dich ja nach wie vor sehr zu reizen. Wow, DRC, das muss schon auch eine eigene Erfahrung sein!?

Lass dir doch einfach Zeit. Wie es für dich passt, so ist es gut. Wenn du grad nicht mehr so viel reisen willst... ist es halt so. Kommt vielleicht mal wieder. Oder auch nicht und du findest andere Hobbies, die mehr Zeit und Platz einnehmen :)
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White Fox

« Antwort #3 am: 28. April 2018, 12:00 »
@Claudia:
Danke dir :)
Ich hab den Beitrag eben auch deshalb geschrieben, weil es eben auf Weltreise nicht immer eitel Sonnenschein ist und diese Seite auch gezeigt werden sollte. Du hast natürlich recht damit, dass ich nicht wegen der Reisen selbst der Sache müde war. Auf der anderen Seite kann ich es total nachvollziehen wenn du schreibst du kannst keine Flughäfen und öffentlichen Verkehrsmittel sehen, so ging es mir lange auch. Mir geht es in dieser Hinsicht auch schon wieder viel besser – ich habe eben eine Pause gebraucht.
Warst du vor England auf einer Langzeitreise? Das kann natürlich schon noch länger nachwirken.


@Astrid:
Schön von dir zu hören :) Dann bin ich doch nicht völlig in Vergessenheit graten  ;)
Du hast mit deiner Einschätzung natürlich völlig Recht – mir hat es damals einfach die Freude verdorben. Ich merke langsam wie die Lust auf’s Reisen zurückkommt. Ich glaube das war meine größte Angst – dass ich nie wieder richtig reisen will. Das wär für mich irgendwie ein gigantischer Identitätsverlust weil mir klar geworden ist wie sehr ich mich eigentlich über meine Reisen und ständigen Auslandsaufenthalte identifiziert und verwirklicht habe. Zum Glück habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass das wieder zurück kommt. Ich schmiede jetzt schon Pläne für den Herbst. Das meiste davon mir Freunden, Manches zeitweise alleine – da wird sich zeigen wie ich es bis dahin wieder vertrage.
Ziehst du jetzt nach Australien? Wenn ich mich recht erinnere hast du ja mal drüber nachgedacht.
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Degna

« Antwort #4 am: 28. April 2018, 12:37 »
Hi White Fox,

Langzeitreise ist wohl falsch ausgedrückt.
Ich habe 2014 beschlossen Dtld zu verlassen und in die Karibik (Trinidad& Tobago)auszuwandern,wo mein brit. Lebenspartner eine Wohnung hat.
Naja,um es kurz zu machen,ich bin viel gereist,war damals 46 und bin kein Traumtänzer mit einer rosa-roten Brille,die ganze sache war lange und solide geplant und auch finanziell sehr realistisch,ABER
es entpuppte sich für mich zum Alptraum,weil es unendlich viele Dinge gab,die man einfach nicht wissen kann und die man dann vor Ort feststellt,die man auch nicht planen kann ,tja und dazu noch etwas Karma,.....

Aufgrund der falschen Information,das wir in Trinidad jederzeit und ohne Probleme eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben können (wir waren in Trinidad vorjher beim Rechtsanwalt diesbzgl) waren wir dann gezwungenermaßen ständig auf reisen,.....und das 3J lang.
Mein Lebenspartner fand es eigentlich recht cool,aber der lebt sein Leben lang zwischen Südamerika und Indonesien ,halt irgendwo (?)für mich wurde es zum absolutem persönlichem Drama.
Irgendwann hab ich die Reißleine gezogen und hab ihn vor die Wahl gestellt,entweder in Europa ein Haus für uns zu kaufen ,oder ich gehe alleine zurück nach Dtld.

So,bin ich dann in England (Yorkshire) gelandet.
Hab mich von meinem Trauma noch nicht erholt,.....als mich meine Chefin fragte,wo ich im Urlaub dann hinfliege,hatte ich glaube ich einen etwas panischen Gesichtsausdruck,..... ;D

So,das nur zur Erklärung.

LG Claudia
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dirtsA

« Antwort #5 am: 28. April 2018, 15:47 »
@WhiteFox - ich kann total nachvollziehen was du mit Identitätsverlust schreibst. Da würde es mir denke ich ähnlich gehen. Aber schön, dass es bei dir schön langsam wieder wird!

Erst mal gehen mein Freund und ich auf unsere 2. Weltreise :) Bzw ich hab eigentlich schon ein bisschen angefangen - mit ein paar Reisen alleine seit Januar. Danach werden wir das mit Australien probieren - hängt aber ganz davon ab ob ich ein Sponsorship bekomme oder nicht. Aber das ist erst mal noch in weiter Ferne ;)
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Marla

« Antwort #6 am: 29. April 2018, 13:31 »
Auch von meiner Seite vielen Dank für deinen interessanten und sehr offenen Bericht! Hat mir auch gut getan, den zu lesen. Ich hab so etwas zwar in dieser Form selber noch nicht erlebt, aber ich hatte ebenfalls schon kleinere und größere Durchhänger auf meinen langen Reisen, an denen ich teilweise auch ans Aufhören gedacht habe (sowie andere Lebenssituationen, in denen ich begonnene 'Projekte' aufgegeben habe, weil ich einfach nicht mehr konnte). Von daher kann ich ein bisschen nachvollziehen, wie es dir ging. Und ich freu mich auch für dich, dass es dir jetzt besser geht und du wieder mehr Lust auf das Reisen hast.

Ich denke auch wie Astrid, dass das Alleinreisen und vor allem auch das Langzeit-Alleinreisen von vielen glorifiziert wird. Ich hab neulich einen Traveller getroffen, der insgesamt 3 Jahre unterwegs war und davon das erste Jahr ohne wirklich Kontakt zu seiner Heimat, Freunde und Familie, zu halten. Erst danach hat er angefangen, alle paar Wochen mal ein Lebenszeichen nach Hause zu senden... Und er schien auch noch unglaublich stolz auf seinen unabhängigen Reisestil zu sein. Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber mir hat das mal wieder deutlich vor Augen geführt, was ich auf gar keinen Fall will. Für mich ist eine Balance wichtig zwischen Reisen alleine und mit anderen, aber auch zwischen Reisen und anderen Hobbys bzw. Dingen, die mir wichtig sind, vor allem Freundschaften. Was nicht heißt, dass ich das immer gut hinbekomme oder dass es mir leicht fällt.

Bin auf jeden Fall gespannt, wie es bei dir weiter geht, und drück dir die Daumen :)

Liebe Grüße
Marla
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White Fox

« Antwort #7 am: 01. Mai 2018, 16:16 »
@Claudia – ah okay, ich verstehe. Ich glaube für die allermeisten Menschen wäre das eine schwierige Situation. Ich hoffe aber, dass du dich gut in dein neues Leben in England einlebst und irgendwann auch wieder die Freunde am Reisen findest :)

@Astrid – sehr cool, dann wünsche ich mal viel Spaß!

@Marla – danke dir! Als ich angefangen habe im Ausland zu leben und viel zu reisen hatte ich auch nicht so viel Kontakt immer zu daheim wobei das vielleicht auch mit dem Bedürfnis zu tun gehabt hat mich von daheim loszulösen, ich war damals noch sehr jung. Inzwischen ist mir der Kontakt nach Hause sehr wichtig geworden
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