Über den Erfahrungsaustausch mit Sidi verflog die Zeit. Mittlerweile hat die Sonne fast den Zenit erreicht. Die Temperaturen steigen weit über 50 Grad. Ich habe in den letzten sieben Stunden etwas 25 Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Meine Beine sind noch fit. Aber ich fühle eine tiefe Müdigkeit, wozu die Hitze noch beiträgt.
Karim, der vor allem für die Verpflegung zuständig ist, bereitet unsere tägliche - ich nenne sie Nußsuppe - zu. In einer Schüssel gibt er gemalene Nüsse. Dazu kommt etwas, was wie Kakao schmeckt. Das ganze wird mit herrlich kühlem Wasser aus der Gerba aufgerührt. Eine weitere Kalorienbombe. Die Suppe schmeckt eigentlich kaum nach etwas. Aber ich esse sie schon alleine wegen dem kühlen Wasser.
Nach dem Nußgericht verteilt Sidi an uns immer noch einen Keks. Er besteht ebenfalls aus ganzen und gemahlenen Nüssen, zerhackten Datteln und Sand ;-) Und der Keks ist steinhart.
Man muss Wasser dazu trinken, um ihn aufzuweichen. Gelegentlich gibt es auch ein Stück Käse dazu, dessen Geruch ich nicht zu meinen bevorzugten Gerüchen zähle. Auch der Käse ist hart. Nicht ganz so hart wie der Nußkeks. Ich esse ihn schon alleine aus Respekt für meine Gastgeber.
Um den etwas ungewöhnlichen Geschmack des Käses herunterzuspühlen gibt es die übliche Runde Chai, also den traditionellen Tee.
Jetzt bemerke ich, dass Sidi und ich die letzten sind, die ihren Weg noch zu Fuß fortsetzen. Die anderen sitzen schon alle auf ihrem Kamel und schaukeln synchron mit dem Schritt ihrer Reittiere.
Sidi fragt zum wiederholten Male, ob ich mich nicht auch auf mein Kamel setzen möchte. Er kann meine Kondition noch nicht einschätzen und fragt immer wieder nach, ob es mir gut gehe. Da mir jetzt aber die Müdigkeit auch in den Knochen steckt, werde ich mich jetzt auch ein Stück durch die Wüste tragen lassen.
Wie besteige ich nun mein Kamel? Sabrilla hilft mir dabei. Er löst das Seil des Kamels vom Vordertier und zieht den Strick leicht nach unten links, damit das Kamel die Geschwindigkeit reduziert und seinen Hals senkt. Ich muss nun mit einem Schwung meinen linken Fuß so über den Hals des Kamels werfen, sodass der Fuß sich auf der rechten Seite einhakt und das Knie sich aber noch auf der linken Seite befindet. Ich versuche mit den Händen am Gepäck Halt zu bekommen und ziehe mein zweites Bein nach. Mit diesem steige ich dann auch auf den Hals und ziehe mich auf das Kamel. Dabei muss ich mich umdrehen, damit ich dann auch in Sitzposition einnehmen kann. Die Kletterei auf dem Kamel ist nicht ganz einfach, wenn man weite Tuaregkleidung trägt. Schnell tritt man auf den Stoff und man muss aufpassen, dass man nicht wieder herunterfällt.
Etwas umständlich lande ich auf dem Kamel. Eigentlich nicht schlecht für das erste Mal. Die Tuaregs haben das Geschehen gespannt verfolgt und jubeln mir zu, als ich endlich oben sitze.
Durch meine Gestig gebe ich zum Ausdruck, dass der Aufstieg ganz schön schwierig war, worauf die Tuareg in ein schallendes Gelächter ausbrechen. Den Humor der Tuareg lernte ich sehr schnell kennen. Sie lachen gerne über andere, aber sie sehen es auch gerne, wenn man in der Lage ist, über sich selbst zu lachen. Damit schlägt man sehr schnell eine solide Brücke zur Kultur der Gastgeber.
Wenn ich schon meine Begleiter fotografiere, dann muss auch ich mich fotografieren lassen
Die Kamera wird natürlich herumgereicht, denn jeder will das Bild sehen, was wieder in lautem Lachen und Diskussionen resultiert.
Wer nun meint, dass es bequem ist, auf einem Kamel zu reiten, der täuscht sich gewaltig. Dieses Kamel hat keinen Sattel. Ich sitze unbequem auf dem Gepäck. Man kann sich nicht anlehnen und man hat kaum Halt. Den einzigen Halt bieten die Stricke, mit denen die Ladung befestigt ist.
Nach zwei Stunden Schaukeln auf dem Kamel steige ich wieder ab. Ok, runter komme ich schon irgendwie. Dafür sorgt schon die Schwerkraft.
Aber wie schaffe ich es von meinem 2,20 Meter hohem Sitzplatz so auf dem Boden aufzukommen, dass ich mir nicht die Knochen breche? Sabrilla macht es mir vor. Er wendet sich nach rechts und stützt sich mit dem linken Arm am Hals ab und mit dem rechten Arm, hmmmm... Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Ich versuche es einfach. Also mit dem linken Arm auf dem Hals des Kamels und mit der rechten Hand stütze ich mich irgendwie ab und lasse mich langsam herab. Allerdings rutsche ich plötzlich ab und ich falle, ich falle und falle und man möchte nicht meinen, wie hoch 2,20 Meter sind. :roll: Ich komme hart auf dem Sand mit meinem Hintern auf. Als die Tuareg merken, dass mir nichts passiert ist, liegen sie fast im Sand vor lachen. Auch ich stimme in das Gelächter ein.
Meine Beine, nein mein ganzer Körper ist noch total verspannt von der Reiterei und ich muss erst ein paar Schritte machen, bis sich mein Bewegungsapparat wieder synchronisiert hat.
It is Tea Time. Ich freue mich auf etwas Flüssiges mit Geschmack. Das Wasser in meiner Flasche ist mittlerweile so warm, dass man fast den Tee damit aufbrühen könnte.
Ich laufe wieder einige Stunden. Als die Sonne sich dem Horizont nähert, steige ich wieder auf das Kamel auf. Ich bin total erschöpft. Es ist 17:30 Uhr und wir haben noch etwa dreieinhalb Stunden vor uns. Die letzten Stunden bis zum Lager sind eine Qual. Es ist ein Kampf zwischen der Hoffnung, bald das Lager zu erreichen und nicht auf dem Kamel einzuschlafen.
Gegen 21:00 Uhr kommen wir am Lager an. Ich lasse mich einfach vom Kamel herunterfallen. Im Dunkeln erkennt man eh nicht, wie weit und wohin man fällt. Hauptsache, man kommt unten unbeschädigt an.
Die Kamele werden abgeladen. Mein Gepäck liegt irgendwo verteilt zwischen den Kamelen. Sidi führt mich zu einem Teil und deutet mir an, dass ich hier warten soll. Ich setzt mich auf den Boden und habe damit zu tun, gegen das Zufallen meiner Augen anzukämpfen. Sidi, Sabrilla, Kamir und ich richten uns einen gemeinsamen Übernachtungsplatz ein. Während ich meine Matratze ausrichte und meinen Schlafsackausbreite, bereitet Kamir das Abendessen zu. Es gibt Nudeln mit angerösteten Zwiebeln. Omar hatte mir auch noch Nudeln, Zwiebeln und Kartoffeln zurück gelassen, die ich unserer Küche beisteuere.
Eigentlich war ich schon damit beschäftigt einzuschlafen, als ich einen Teller mit Penne gereicht bekam. Danach gab es wieder Tee. Ich sehnte den Moment herbei und ich mich endlich in meinen Schlafsack kuscheln konnte. Als ich versuchte, mich am Sternenhimmel zurechtzufinden war ich schon eingeschlafen.