Thema: Niger: mit der Salzkarawane durch die Ténéré und Air  (Gelesen 9824 mal)

WSAlexander

« Antwort #15 am: 06. April 2017, 21:32 »
Die Nigeriner ernähren sich natürlich nicht nur von Fleisch ;) Seit einem Jahr gibt es eine Schule, auf deren Lehrplan u.a. Landwirtschaft steht.




Fischzucht dient hier nur der Ernährung des Verwalters ;) Irgend jemand hatte uns erzählt, dass in diesem Becken Fische gezüchtet werden. Wir machen uns auf die Suche, beobachten das Wasser, sehen aber keinen Fisch. Nach einer halben Stunde der ergebnislosen Suche kommt der Verwalter vorbei und wirft Fischfutter ins Wasser. Doch nichts rührt sich im Wasser. Ich möchte nicht wissen, was der Verwalter hier jeden Tag füttert.   :D



In dem Garten wächst Henna, die Frucht, aus der für Frauen, die Farbe hergestellt wird, mit der sie sich kunstvolle Malereien auf die Haut zaubern.




Aus diesem Brunnen werden die Felder bewässert. Brunnentiefe ca. 12 Meter.




Das Gebiet ist in Parzellen aufgeteilt. In jeder Parzelle werden die verschiedenen Schritte der Landwirtschaft gelehrt und praktisch geübt. Anpflanzung, Düngen, Kompostierung, Umweltschutz...




Die Schule wird durch eine nigriner aus Agadez und seiner schweizer Frau geleitet.






Baumwolle wird hier auch angepflanzt. Eigentlich könnte das Land von Textilimporten zumindest teilweise unabhängig werden.



Das war der vorläufig letzte Tag in Agadez. Morgen breche ich auf nach Bilma, um die Salzkarawane zu treffen :)



WSAlexander

« Antwort #16 am: 06. April 2017, 21:33 »
Am nächsten Morgen holen Omar, mein Begleiter und Moma, der Fahrer mich im Hotel ab. Endlich geht es nach Bilma, wo ich mich mit der Salzkarawane treffe.

Zunächst müssen wir zu Militärgarnison, wo wir uns mit der Militäreskorte treffen. Es gibt nur ein Problem. In Agadez wird die Strasse, die nach Arlit führt neu gebaut. Die Straße sieht schon ganz gut aus und man hat sie auch sauber mit Randsteinen eingefaßt. Anscheinend wurden einige Randsteine zuviel eingebaut, denn es gibt jetzt keine Möglichkeit von der einen Straßenseite auf die andere zu fahren. Also fahren wir einen größeren Umweg zum Treffpunkt in der Kaserne.



Relativ schnell velassen wir Agadez in Richtung Osten. Zunächst fahren wir durch Buschlandschaft. Im Busch leben teilweise Tuaregfamilien mit ihren Ziegenherden. Teilweise herrscht unter den Buschbewohnern große Armut.




Ein Zwiebeltransporter en panne.



Die ersten Hütten, die als Wohnung und Vorratspeicher dienen.




Die erste Pause. Wir werden viele Pausen machen müssen, denn der Toyota hat ein Problem mit der Kühlung  und überhitzt. Wir müssen alle 30 Minuten anhalten, den Kühler abkühlen, Wasser nachfüllen...



Da Militär sieht es gelassen. Ich habe den Eindruck, sie sind ganz froh über die Abwechslung.



Auf dieser Piste wurden die Flüchtlingsströme nach Libyen geschleust. Die nigrische Regierung hat die Flüchtlingstransporte verboten. Seit dem ist die Piste weniger frequentiert.




Die Pause wird zum Beten oder Ausruhen genutzt.



Aus Libyen kommen uns nicht nur LKWs entgegen. Auffällig viele weiße Fahrzeuge mit nur einer Person besetzt fahren in Richtung Agadez.




WSAlexander

« Antwort #17 am: 06. April 2017, 21:36 »
Etwas östlich von Agadez stoßen wir auf diesen "Außenposten". Hier wird gehandelt, geschmuggelt und Informationen ausgetauscht.



Für das leibliche Wohl wird auch überall gesorgt auf die typische Art und Weise. ;)



Der Grillmeister läßt mich sein Fleisch testen. Es ist scharf gewürzt und schmeckt super!  8)





Haupthandelsware ist Holzkohle. Es kommt überall zum Einsatz: beim Grillen, der mobile Teekocher wird damit angefeuert...



Nach der kurzen Pause geht es weiter in Richtung Bilma.



Jemand hat seinen Wasserkanister verloren. Er war in einen Sack eingewickelt, damit das Wasser vom Fahrtwind gekühlt wird.



Das Binden des Tagelmoust habe ich langsam ganz gut drauf. Mein Erscheinungsbild wird immer authentischer, wäre da nicht die weiße Hautfarbe ;-)



Der Tag neigt sich dem Ende zu und es dauert etwas, bis wir einen Lagerplatz abseitz der Hauptpiste finden. Mittlerweile stehen millionen Sterne am Himmel und der Militärchef rätselt, wo Osten liegt. Omar will mich testen und fragt, in welche Richtung wir morgen fahren müssen. Ich orientiere mich kurz an den Sternbildern und zeige danach nach Osten. Omar meint, ich liege falsch und er zeigt nach Norden und meint, dass dort Osten liegt. Ich aktiviere mein GPS und zeige den Jungs, dass ich nicht ganz so falsch lag. ;) Omar meinte nur: keine Angst, der Karawanenführer braucht kein GPS.  8) 

Nun, da jeder nun weiß, dass ich ein GPS Gerät dabei habe erhalte ich alle 30 Minuten die Frage: wie weit nach Bilma? Wie weit nach Agadez? Weißt du auch, wie weit es nach Dirkou ist? Ich bin geduldig, freue mich aber trotzdem, wenn wir in Bilma eintreffen werden. ;)

Nachts läuft immer ein Soldat Streife um unser Lager. Man weiß ja nie... Ich schlafe auf jeden Fall wie ein Murmeltier.


WSAlexander

« Antwort #18 am: 06. April 2017, 21:40 »
Gestern Abend fuhren wir noch weit in die Nach hinein, sodaß wir nicht genau sehen konnten, wo wir gelandet waren. Am Morgen wurde es klar. Wir hatten in der Nähe der Piste übernachtet, aber...



...nicht weit entfernt von den ersten Dünen.



Endlich richtige Wüste :)




Zwangsweise legen wir unseren Halb-Stunden-Halt ein, um den Kühler des Toyotas zu kühlen. Eigentlich sollte er sich ja selbst kühlen...



Wir nutzen die Pause für ein Fotoshooting in den Dünen :) Unsere Begleitmanschaft mit ihren AK 47. Den Stahlhelm und die Splitterweste trägt immer derjenige, der gerade Dienst am Manschinengewehr hat.



Meine Haut ist noch etwas zu weiß und bildet einen guten Kontrast zu den Jungs ;)



Omar. Er sollte mich eigentlich auf der Karawane begleiten, musste aber kurzfristig umdisponieren. Mit interessanten Konsequenten, wie ich später sehen sollte.






Nicht alles Fahrzeuge haben es aus der Wüste wieder rausgeschafft. Einige blieben liegen, wurden ausgeschlachtet und werden wohl noch einige hundert Jahre dort liegen, bis Sand und Wind es geschafft haben, das Blech in Staub zu zerlegen.



Die Soldaten machen es sich im Sand bequem. Wir haben Zeit, denn wir wollen nicht vor Sonnenuntergang in Dirkou eintreffen.


WSAlexander

« Antwort #19 am: 06. April 2017, 21:44 »
Die Spuren im Sand sind Zeugen aus einer Zeit, als die Wüste noch unter Wasser lag. Kleine Kegelmuscheln findet man in noch sehr gutem Zustand, obwohl sie schon viele Millionen Jahre hier herumliegen. Von den rotbraunen Röhren vermute ich, dass es sich um Pseudofulgurite handelt, also Röhren, die von den früheren Meeresbewohnern gegraben wurden.





Gegen Mittag treffen wir bei dieser Oase ein. Genau der richtige Ort, um ein Mittagsschläfchen zu machen und den Toyota auskühlen zu lassen.



Während Omar eine leckere Pasta zaubert und zeigt, dass man Spaghetti auch ohne große Mengen Wasser kochen kann erkunde ich die Umgebung.



Bis hierhin und nicht weiter, dachte sich der Fahrer dieses Fahrzeugs, dessen Marke mir nicht erschließt.




Ein Brunnen mit köstlich, kühlem Wasser. Die Soldaten waschen sich, um anschließend zu beten. Sie raten mir mich nicht so weit zu entfernen. Es ist die einzige Wasserstelle weit und breit und es könnte die Gefahr bestehen, dass man plötzlich verschwindet. Mir ist nicht klar, wie ich diese Warnung einschätzen soll und bin lieber etwas vorsichtiger.




Reifenflicken ala l'Afrique :) Polizei und TÜV in Deutschland hätten ihre Freude. Man nehme Nadel und Strick anstatt Gummiflicken und Vulkanisierflüssigkeit  8)




Die kleine Oase ist wie ein Paradies. Nach der würzigen Pasta legen wir uns in den Schatten und dösen etwas vor uns hin. Wir haben Zeit und befinden uns nicht auf der Flucht. ;)




WSAlexander

« Antwort #20 am: 06. April 2017, 21:47 »
Gegen Sonnenuntergang kommen wir in Dirkou an. Militär aus Agadez trifft Militär aus Dirkou. Ich werde aufgefordert meinen Tagelmust nun so anzulegen, dass man mich nicht mehr erkennen kann. Mein Begleiter meint, wir sollten vermeiden, dass "unnötige" Fragen gestellt werden. Wir sitzen etwa 30 Minuten im Toyota, bis unser Militärkonvoi zur Weiterfahrt nach Bilma ansetzt.



Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen. Ich werde jetzt häufiger gefragt, was mein GPS bezüglich der Entfernung nach Bilma anzeigt. Als wir in Bilma eintreffen sind die Randsteine schon hochgeklappt. Unser Ziel ein Lehrer, bei dem wir etwas Essen und übernachten werden. Um 4:00 Uhr soll ich zur Karawane stoßen.

Der Schlafsack ist schnell zusammengepackt und noch vollkommen schlaftrunken steigen wir in den Toyota. Wir werden erst eine Stunde durch Bilma irren, bevor wir jemanden sehen, der im Dunkeln mit einer Taschenlampe Lichtzeichen gibt. Die Karawane!

Wir laden meinen Rucksack und bottled water aus. 42 Flaschen Wasser und mein Gepäck werden von zwei jungen Tuareg auf verschiedene Kamele verteilt. Ich werde Sidi vorgestellt, der Karawanenführer oder Madougou, wie die Touareg ihn nennen. Er genießt großes Ansehen und man zollt ihm Respekt, denn er ist der Mann, der diese Karawane mit fast 300 Kamelen und 17 Begleitern sicher nach Timia führen muss.

Sidi ist zwei Jahre jünger wie ich, sieht aber älter aus. Ich werde von ihm aufs herzlichste begrüßt. Schnell werde ich von den Unterführern der Karawane umringt. Wir begrüßen uns. Nur: ich verstehe sie nicht und sie verstehen mich nicht. Es spricht kaum einer ein paar Worte französisch. Karawanensprache ist Tamasheq. :) Nun, da mich mein Begleiter auf dieser Karawane nicht begleiten wird, sehe ich mit Spannung den nächsten knapp zwei Wochen entgegen.

Auch von den anderen Tuareg werde ich herzlich begrüßt. Da ich in arabischen Ländern häufig Probleme mit meinem Namen habe, halte ich es kurz und gebe meinen Namen mit "Alex" an. Ah, Akelex. Nein, Alex. Ah, Akelex. Nun gut, dann gehe ich eben als Akelex der Deutsche in die Annalen der Karawanengeschichte ein.  :)

Die Karawane besteht aus mehreren kleinen Karawanen, die sich in Bilma zu einer großen Karawane für die Ténéré Durchquerung treffen. Der Zeitpunkt des Abmarschs hängt u.a. vom Mond ab. Da der Madougou sich teilweise nach den Sternen orientiert wird vermieden, bei Vollmond zu marschieren, da dieser die schwachen Sterne überstrahlen würde. Das wichtigest Sternbild, das Sidi zur Orientierung dient, sind die Plejaden, die Cat Ahad oder Töchter der Nacht. Vor der Abreise werden traditionell die Geister befragt und wenn sie nichts dagegen haben, dann kann sich die Karawane in Bewegung setzen.



Zum Sonnenaufgang beginnt das große Abenteuer. Ich bekomme ein Kamel zugewiesen, dessen Höhe einschließlich Gepäck etwas 2,20 beträgt. Man war offensichtlich der Meinung, dass meine Körpergröße direkt proportional mit der Höhe des Kamels sein muß.   ::)  Irgendwann werde ich auf dem Tier auch Reiten müssen. Wie komme ich dort hoch? Die Karawane wird nicht anhalten. Wir werden den ganzen Tag und einen Teil der Nacht laufen bzw. reiten. Noch sehe ich mich mit diesem Problem nicht konfrontiert und verdränge es, bis es akkut wird.

Während die Karawane sich nun in Bewegung setzt ruft Sidi ein lautes "Allahu akbar" und betet eine Sure des Korans. Göttlicher Beistand ist notwendig bei einer Reise durch die Wüste. Nach dem Gebet läd mich Sidi ein neben ihm zu laufen. Es dauert etwas, bis ein Gepräch in Gang kommt. Selbst mit meinem rudimentären Französisch komme ich nicht weiter, denn dass einzige, was ich dem Tuareg entlocken kann ist ein "C'est bon". Also versuchen wir es mit den Händen, danach setzen wir noch die Füße mit ein und wenn es gar nicht mehr weiterging fingen wir an, Bilder in den Sand zu malen. Es begann uns beiden richtig Spass zu machen.   ;)



Ich hatte mir vorgenommen soviel wie möglich zu laufen. Das Tagespensum bestand aus 50 Kilometern, die an einem Tag auf 60 Kilometer anstiegen. Die Strecke legten wir in 16 - 18 Stunden zurück. Gegessen und gekocht wird während dem Laufen. Es gibt keine Pause. Die Karawane hält nicht an. Würde die Karawane eine Pause einlegen, müsste Gepäck und Ladung den Kamelen abgenommen werden und sie würden sich anschließend weigern weiterzulaufen. Die Karawane würde viel Zeit verlieren, was zusätzliches Wasser und Lebensmittel erfordern würde, das auf zusätzliche Kamele geladen werden müsste. Alles in allem also ein Rattenschwanz, der immer länger werden würde, je länger die Pause wäre. Mensch und Tier werden maximal gefordert.



Ach ja, ich vergaß. Es gibt Pausen. Etwa zwei Minuten für die Gebete der gläubigen Moslems.


WSAlexander

« Antwort #21 am: 06. April 2017, 21:49 »
Während ich meine ersten Karawanenerfahrungen und Eindrücke mache, rennen plötzlich einige junge Tuaregs, bewaffnet mit Äxten und Körben nach rechts weg und entfernen sich von der Karawane. Ich schaue Sidi verdutzt an. Er grinst und meint, ich soll den Jungs folgen.



Wir passieren eine Gegend, in der Salzschollen verdeckt vom Sand aus dem Boden ragen. Teilweise hängen schöne Kristalle an den Schollen. Die Jungs hacken sie mit den Äxten aus dem Boden. Damit werden sie sich später auf den Märkten ein zusätzliches Taschengeld verdienen.




Die Karawane ist mittlerweile schon weitergezogen und wir müssen sie wieder einholen. Noch ist es früh am Morgen und ich bin noch fit. ;-) Daher holen wir die Karawane schnell wieder ein.




Die Kamele sind schwer beladen. Zuerst werden zwei Ledersäcke mit Datteln, die mit Stricken verbunden sind links und rechts vom Höcker abgelegt. Darauf oder seitlich werden mit Seilen Salzkegel oder -pfannen festgebunden. Zusätzlich tragen die Kamele ihre eigene Verpflegung: Bündel von Alemos Gras.




Die Speerspitze der Karawane :-) Links, Sidi, der Madougou und seine beiden Begleiter Sabrilla und Kadir. Beide haben sich sehr rührend um mich gekümmert. Sabrilla hat mir beigebracht, wie ich während dem Laufen auf ein Kamel steige, ohne mir dabei die Knochen zu brechen und Kadir hat dafür gesorgt, dass ich nicht verhungere ;-)

Es ist wohl schon gegen 10:00 Uhr. Es gibt das zweite Frühstück. Heute gibt es Hirse, die bereits am Abend gestampf und am Morgen zubereitet wurde. Der Hirse werden Datteln beigemischt. Es schmeckt ziemlich farblos, aber es ist eine der Kalorienbomben, die uns die Energie für den Tag liefert. Eigentlich hatte ich mein eigenes Kraftfutter mitgebracht. Peronin, Proteinrigel und Proteingels. Aber ich habe gar keine Chance Nein zu sagen.  :)  Jeder bekommt einen Holzlöffel in die Hand gedrückt und dann macht der Hirsetopf die Runde.



Ich hoffe nur, dass sich meine kulinarische Experiminetierfreudigkeit nicht auf den Magen schläft. Zum Abschluss einer jeder Malzeit wird Tee gekocht. Dazu wird Holzkohle mit etwas trockenem Alemos Gras in einem kleinen Drahtkorb angezündet und eine kleine Kanne mit Tee darauf gestellt.


WSAlexander

« Antwort #22 am: 06. April 2017, 21:51 »
Die ersten Zeilen aus Werner Gartungs Buch: Durchgekommen

Zitat
Scheitern der ersten Karawane
Sandsturm. Vorgestern letzte, steinharte Brotreste hinuntergewürgt. Die Augen entzündet, Hals und Gaumen wie ein Reibeisen, der Magen ein großes Loch. Leer auch der Kopf, aufgegeben die Hoffnung. Nur noch stummes Erleiden.
Das Wasser geht zur Neige. Jetzt am vierten Tag wird unsere Situation bedrohlich, aber wir merken es nicht - und dadurch steigt die Gefahr noch mehr...

Schon die ersten Sätze des Buches fesselten mich und ich war noch mehr davon überzeugt, dass meine Entscheidung, an der Karawane teilzunehmen die richtige ist. Ich hatte allerdings nicht vor so zu enden, wie dieses Kabinenteil eines Lkws. Ich wußte allerdings, dass es hart werden wird, sehr hart...




Ich bewundere die Kamele. Ich bekomme Hochachtung vor diesen genügsamen Tieren. Sie laufen 16, 18 Stunden ohne Pause, ohne zu trinken mit ihrem Gewicht auf dem Rücken. Manchmal müssen sie noch das Gewicht ihres "Herrn" tragen. Sie gehen immer den gleichen Schritt, immer die gleiche Bewegung, wie in Trance. Bei jeder Karawane erreichen ein oder zwei Kamele nicht ihr Ziel...

Wie verlockend es für die Kamele sein muss, wenn vor ihnen ein anderes Tier mit Alemos Gras läuft. Auch wenn das Gras hart und trocken ist. Kamele sind sehr genügsam und essen fast alles, was sich wiederkauen läßt.

Natürlich naschen sie gerne beim Vordertier. Aber das würde die Nahrungsversorgung der Tuareg allerdings durcheinander bringe.



Um das Kamel am Naschen zu hindern, stecken sie einfach ein paar Grashalme zwischen die Oberlippen der Naschkatze. Die Tiere können die Grashalme nicht entfernen. Und wenn sie versuchen, sich am Grasbündel des vor ihm laufenden Tieres zu bedienen, stechen die Grashalme zwischen den Oberlippen.



In vieleicht 1,5 - 2 Kilometern Entfernen spiegelt sich etwas. Es sieht aus, als würden sich die Sonnenstrahlen in den Scheiben oder dem Chrom eines Fahrzeugs spiegeln. Ich wende mich an Sidi: Voiture? Der Madougou schaut skeptisch. Als wir dem Licht näher kommen erkennen wir, dass es sich nur um ein Stück Alufolie handelt, das der Wind durch die Ténéré jagt. So kann die Wüste täuschen.




Ich fotografiere, was das Zeug hält :-) Da ich nicht weiß, wie die Tuareg reagieren, wenn man sie fotografiert, zeige ich ihnen immer das Bild, das ich gerade geschossen habe. Jedes mal, wenn ich ein Bild zeige bricht Begeisterung aus. Wenn ich einem das Foto zeige, wollen es auch die anderen sehen. Sie verwenden dabei immer ein Wort, dass wie "kel" oder "gel" klingt. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll es etwa "gut" heißen.

Ich wusste nicht, auf was ich mich einlasse, als ich damit anfing, die Fotos zu zeigen. Nun mußte ich fotografieren, ob ich wollte oder nicht.  8) War ein Tuareg der Meinung, dass er jetzt fotografiert werden möchte oder fand einer ein gutes Motiv, dann wurde ich aufgefordert: Akelex, Foto...   :D  Mir war es nur recht, denn dadurch kam ich an einige schöne Aufnahmen.



Eigentlich sind wir nicht mit Kamelen unterwegs, sondern mit Dromedaren (einhöckrig). Das Wort Kamel oder Chameau hat sich aber schon lange eingebürgert. Von dem her bleiben wir bei dem Kamel. ;)


WSAlexander

« Antwort #23 am: 06. April 2017, 21:54 »
Über den Erfahrungsaustausch mit Sidi verflog die Zeit. Mittlerweile hat die Sonne fast den Zenit erreicht. Die Temperaturen steigen weit über 50 Grad. Ich habe in den letzten sieben Stunden etwas 25 Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Meine Beine sind noch fit. Aber ich fühle eine tiefe Müdigkeit, wozu die Hitze noch beiträgt.

Karim, der vor allem für die Verpflegung zuständig ist, bereitet unsere tägliche -  ich nenne sie Nußsuppe - zu. In einer Schüssel gibt er gemalene Nüsse. Dazu kommt etwas, was wie Kakao schmeckt. Das ganze wird mit herrlich kühlem Wasser aus der Gerba aufgerührt. Eine weitere Kalorienbombe. Die Suppe schmeckt eigentlich kaum nach etwas. Aber ich esse sie schon alleine wegen dem kühlen Wasser.

Nach dem Nußgericht verteilt Sidi an uns immer noch einen Keks. Er besteht ebenfalls aus ganzen und gemahlenen Nüssen, zerhackten Datteln und Sand ;-) Und der Keks ist steinhart.   ::)  Man muss Wasser dazu trinken, um ihn aufzuweichen. Gelegentlich gibt es auch ein Stück Käse dazu, dessen Geruch ich nicht zu meinen bevorzugten Gerüchen zähle. Auch der Käse ist hart. Nicht ganz so hart wie der Nußkeks. Ich esse ihn schon alleine aus Respekt für meine Gastgeber.



Um den etwas ungewöhnlichen Geschmack des Käses herunterzuspühlen gibt es die übliche Runde Chai, also den traditionellen Tee.

Jetzt bemerke ich, dass Sidi und ich die letzten sind, die ihren Weg noch zu Fuß fortsetzen. Die anderen sitzen schon alle auf ihrem Kamel und schaukeln synchron mit dem Schritt ihrer Reittiere.

Sidi fragt zum wiederholten Male, ob ich mich nicht auch auf mein Kamel setzen möchte. Er kann meine Kondition noch nicht einschätzen und fragt immer wieder nach, ob es mir gut gehe. Da mir jetzt aber die Müdigkeit auch in den Knochen steckt, werde ich mich jetzt auch ein Stück durch die Wüste tragen lassen.

Wie besteige ich nun mein Kamel? Sabrilla hilft mir dabei. Er löst das Seil des Kamels vom Vordertier und zieht den Strick leicht nach unten links, damit das Kamel die Geschwindigkeit reduziert und seinen Hals senkt. Ich muss nun mit einem Schwung meinen linken Fuß so über den Hals des Kamels werfen, sodass der Fuß sich auf der rechten Seite einhakt und das Knie sich aber noch auf der linken Seite befindet. Ich versuche mit den Händen am Gepäck Halt zu bekommen und ziehe mein zweites Bein nach. Mit diesem steige ich dann auch auf den Hals und ziehe mich auf das Kamel. Dabei muss ich mich umdrehen, damit ich dann auch in Sitzposition einnehmen kann. Die Kletterei auf dem Kamel ist nicht ganz einfach, wenn man weite Tuaregkleidung trägt. Schnell tritt man auf den Stoff und man muss aufpassen, dass man nicht wieder herunterfällt.

Etwas umständlich lande ich auf dem Kamel. Eigentlich nicht schlecht für das erste Mal. Die Tuaregs haben das Geschehen gespannt verfolgt und jubeln mir zu, als ich endlich oben sitze. ;) Durch meine Gestig gebe ich zum Ausdruck, dass der Aufstieg ganz schön schwierig war, worauf die Tuareg in ein schallendes Gelächter ausbrechen. Den Humor der Tuareg lernte ich sehr schnell kennen. Sie lachen gerne über andere, aber sie sehen es auch gerne, wenn man in der Lage ist, über sich selbst zu lachen. Damit schlägt man sehr schnell eine solide Brücke zur Kultur der Gastgeber.

Wenn ich schon meine Begleiter fotografiere, dann muss auch ich mich fotografieren lassen ;) Die Kamera wird natürlich herumgereicht, denn jeder will das Bild sehen, was wieder in lautem Lachen und Diskussionen resultiert.   :)



Wer nun meint, dass es bequem ist, auf einem Kamel zu reiten, der täuscht sich gewaltig. Dieses Kamel hat keinen Sattel. Ich sitze unbequem auf dem Gepäck. Man kann sich nicht anlehnen und man hat kaum Halt. Den einzigen Halt bieten die Stricke, mit denen die Ladung befestigt ist.

Nach zwei Stunden Schaukeln auf dem Kamel steige ich wieder ab. Ok, runter komme ich schon irgendwie. Dafür sorgt schon die Schwerkraft.   ;D  Aber wie schaffe ich es von meinem 2,20 Meter hohem Sitzplatz so auf dem Boden aufzukommen, dass ich mir nicht die Knochen breche? Sabrilla macht es mir vor. Er wendet sich nach rechts und stützt sich mit dem linken Arm am Hals ab und mit dem rechten Arm, hmmmm... Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Ich versuche es einfach. Also mit dem linken Arm auf dem Hals des Kamels und mit der rechten Hand stütze ich mich irgendwie ab und lasse mich langsam herab. Allerdings rutsche ich plötzlich ab und ich falle, ich falle und falle und man möchte nicht meinen, wie hoch 2,20 Meter sind.  :roll:  Ich komme hart auf dem Sand mit meinem Hintern auf. Als die Tuareg merken, dass mir nichts passiert ist, liegen sie fast im Sand vor lachen. Auch ich stimme in das Gelächter ein. ;)

Meine Beine, nein mein ganzer Körper ist noch total verspannt von der Reiterei und ich muss erst ein paar Schritte machen, bis sich mein Bewegungsapparat wieder synchronisiert hat.

It is Tea Time. Ich freue mich auf etwas Flüssiges mit Geschmack. Das Wasser in meiner Flasche ist mittlerweile so warm, dass man fast den Tee damit aufbrühen könnte.



Ich laufe wieder einige Stunden. Als die Sonne sich dem Horizont nähert, steige ich wieder auf das Kamel auf. Ich bin total erschöpft. Es ist 17:30 Uhr und wir haben noch etwa dreieinhalb Stunden vor uns. Die letzten Stunden bis zum Lager sind eine Qual. Es ist ein Kampf zwischen der Hoffnung, bald das Lager zu erreichen und nicht auf dem Kamel einzuschlafen.

Gegen 21:00 Uhr kommen wir am Lager an. Ich lasse mich einfach vom Kamel herunterfallen. Im Dunkeln erkennt man eh nicht, wie weit und wohin man fällt. Hauptsache, man kommt unten unbeschädigt an.



Die Kamele werden abgeladen. Mein Gepäck liegt irgendwo verteilt zwischen den Kamelen. Sidi führt mich zu einem Teil und deutet mir an, dass ich hier warten soll. Ich setzt mich auf den Boden und habe damit zu tun, gegen das Zufallen meiner Augen anzukämpfen. Sidi, Sabrilla, Kamir und ich richten uns einen gemeinsamen Übernachtungsplatz ein. Während ich meine Matratze ausrichte und meinen Schlafsackausbreite, bereitet Kamir das Abendessen zu. Es gibt Nudeln mit angerösteten Zwiebeln. Omar hatte mir auch noch Nudeln, Zwiebeln und Kartoffeln zurück gelassen, die ich unserer Küche beisteuere.

Eigentlich war ich schon damit beschäftigt einzuschlafen, als ich einen Teller mit Penne gereicht bekam. Danach gab es wieder Tee. Ich sehnte den Moment herbei und ich mich endlich in meinen Schlafsack kuscheln konnte. Als ich versuchte, mich am Sternenhimmel zurechtzufinden war ich schon eingeschlafen.

WSAlexander

« Antwort #24 am: 06. April 2017, 21:57 »
Atachi, Atachi, Atachi!!! schallt es durch unser im Tiefschlaf befindliche Nachtlager. Atachi, Atachi, Atachi wiederholt Sidi seinen Weckruf. Ich weiß nicht, was los ist, was mit mir geschieht. Ich versuche mich am Himmel zu orientieren. Wenn ich normalerweise zu dieser Jahreszeit in der Wüste aufwache, steht das Sternbild des Orion über mir. Die Sternenkonstellation steht aber noch weit im Osten. Ich schaue auf meine Uhr. Es ist 2:00 Uhr  :o  Ich hatte gerade mal 3,5 Stunden geschlafen. 3,5 Stunden nach diesem anstrengenden Tag. Das war eindeutig zu wenig.

Aber kaum hatte Sidi seinen Weckruf ausgestoßen wurde es lebendig im Lager. Schnell wurden die Feuer entfacht, auf dem das Essen für den Tag, die Hirse für das Frühstück und anschließend der Tee gekocht werden. Aus allen Ecken dröhnt das dumpfe Stampfen der Holzmörser, in denen die Hirse gestampft wird. Die Feuer sind klein, denn man sieht das Licht weit und Holz ist kostbar in der Wüste.

Mit lauten Juhuuuu und Jahuuuuu Rufen vertreiben die Tuareg den Schlaf aus ihren Knochen. Ich packe meinen Schlafsack und mein Gepäck zusammen und staple alles auf einen Haufen. Ich fülle meine Wasserflasche und setzte mich zu den anderen ans wärmende Feuer. Die Nacht war nicht kühl, aber mich fröstelt es trotzdem. Kadir reicht mir einen Holzlöffel und schon macht der Topf mit der warmen Hirse seine Runde. Danach gibt es Tee. Ich lerne diesen Tee auf dieser Reise schätzen. Er wärmt am Morgen und vertreibt den üblen Geschmack im Mund.

Nach dem Frühstück werden die Kamele zusammengetrieben. Jeder Kamelführer ist für seine kleine Herde verantwortlich. Sidi deutet mir an, mich bei meinem Gepäckhaufen hinzusetzen. Vieleicht will er vermeiden, dass ich verloren gehe. ;) Mir ist es recht, so kann ich noch etwas vor mich hindösen. Bevor es weiter durch die Ténéré geht.

Die Kamele werden im Dunkeln beladen. Jeder Handgriff sitzt. Es gibt kein Suchen. Jeder weiß, wo was liegt und auf welches Kamel es geladen werden muss. Ich bewundere diese Karawanies. Nun ist mein Haufen dran, um auf den Rücken einiger Kamele verteilt zu werden. Sidi nicht mich an der Hand und führt mich zu seinem Leitkamel. Es ist das erste Kamel der Karawane. Alle anderen Tiere werden mit einem Strick an das Vordertier gebunden. Sidi drückt mir lächelnd das Seil seines Kamels in die Hand.

Ich weiß nicht, ob ich jetzt stolz darauf sein soll, die ganze Karawane in der Hand zu halten  8)  Ich vermute, dass Sidi vermeiden wollte, dass ich im Weg stehe oder in der Dunkelheit verloren gehe. Also warte ich ab, bis die restlichen Kamel beladen werden.

So in der Dunkelheit zu warten ist natürlich langweilig. Ich warte darauf, dass es losgeht. Ich tripple so vor mich hin und mache einige Schritte vorwärts. Das Leitkamel interpretiert das wohl als den Startschuß und fängt auch zu laufen an. Die folgenden Kamele tun es ihm nach. Die Karawane setzt sich in Bewegung.   :o :o :o
Etwas unsicher bleibe ich wieder stehen und auch die Karawane zieht die Bremse. Das ging noch mal gut.   :-[



Immer wieder ertönen die Juhuuuu und Jahuuuuu Rufe. Die Tuaregs sind heute besonders gut drauf. ;) Langsam bricht der Tag an und es wird heller. Sidi sieht mit seinem typischen Lächeln, dass ich immer noch dort stehe, wo er mich abgestellt hatte. Gut, einige Schritte weiter :) Ich übergebe ihm erleichtert den Strick seines Kamels und wir setzen unseren Marsch durch Stille und Einsamkeit fort.



Sidi beginnt den Tag wieder mit seinem Morgengebet und sein "Allahu akbar" schallt durch die Wüste. Er singt wieder eine Sure aus dem Koran. Danach läßt er seine Gebetskette durch die Finger gleiten und murmelt dazu Gebete. Als er fertig ist, wendet er sich mir wieder lächelnd zu.



Es ist angenehm am Morgen zu laufen. Die Luft ist noch frisch und kühl und die Sonne hat ihr Licht noch heruntergedimmt. Das wichtigeste Sternbild für die Tuareg sind die Plejaden. Sie haben eine mystische Bedeutung und sie dienen dem Madougou zur Navigation. Also versuche ich das Gespräch auf diese Konstellation zu legen, zeige auf den Himmel und zeichne die Plejaden in den Sand. Sidi versteht sofort und er erklärt mir mit seiner Zeichensprache die Bedeutung der Sterne.

Zu tief möchte ich Sidi nicht in Gespräche verwickeln, sofern das mit unseren beschränkten Mitteln überhaupt möglich ist. Der Karawanenführer ist ein ruhiger und in sich gekehrter Mann und genießt es immer noch durch die Wüste zu wandern.



Heute gibt es keine Hirse sondern die gleichen Nudeln, die wir schon gestern Abend gegessen hatten. Jeder bekommt wieder seinen Holzlöffel und die Schüssel wird herumgereicht.



Ich nutze jede Gelgenheit auf den Dünen zu laufen, an denen wir vorbeikommen. Bevor ich losmarschiere frage ich aber immer Sidi. Er ist der Chef der Karawane und ist für Mensch, Tier und Ware verantwortlich. Aber jedes mal nickt er mir lächelnd zu und ich kann mich von der Karawane entfernen.



Nach dem gestrigen, anstrengenden Tag steige ich heute schon früher auf mein Kamel. Je länger der Tag wird, um so mehr hoffe ich an diesem Tag, dass wir das Lager bald erreichen werden.



WSAlexander

« Antwort #25 am: 06. April 2017, 22:05 »
Sekundenschlaf

Atachi, Atachi, ruft Sidi in den Morgen hinaus. Und zündet das Feuer für den Tee an, ergänzt er dieses mal auf Tamasheq. Es ist wieder 2:00 Uhr morgens. Mir fallen die Augen wieder zu. Sidi weckt mich vorsichtig und versucht mich mit einem Glas Tee zu überzeugen, meinen Schlaf zu unterbrechen.

Mit dem Laufen kommt auch der Kreislauf schnell wieder in Schwung. Heute am dritten Tag waren die Juhuuuu und Jahoooo Rufe der Tuareg schon etwas verhaltener. Auch an ihnen gehen die Strapazen nicht vorbei.



Nach unserem Mittagessen und dem Tee setzen wir uns auf unsere Kamele. Sabrilla hilft mir wieder beim Aufstieg. Es dauert immer eine Zeit, bis ich die richtige Sitzposition eingenommen habe. Zumindest für ein paar Minuten. Ich habe kein Sitzfleisch und ich bewege mich immer wieder hin und her, um zu verhindern, dass mir das Gesäss oder andere Körperteile einschlafen.



Je heißer es wird, um so stärker macht sich die Müdigkeit bemerkbar. Man nickt für ein oder zwei Sekunden weg und schreckt danach wieder hoch und verkrampft sich in die Stricke, mit denen die Ladung auf dem Kamel gesichert ist. Die Müdigkeit überwältigt mich. Ich versuche meinen Schlaf immer mehr zu verlängern. Nur ein paar Sekunden. Bis ich wieder hochschrecke. Ich versuche die Stricke so um meine Hände zu wickeln, dass ich doch für den Fall der Fälle nicht vom Kamel fallen werde. Sabrilla, meinem Fordermann scheint es ähnlich zu gehen. Ich bemerke, wie sein Körper sich immer mehr nach rechts neigt und dann wieder hochschreckt.



Wer auf einem Kamel reitet wird unweigerlich zum "Ja - Sager". Die Bewegung des Kamels veranlasst den Reiter zweimal pro Sekunde zu nicken. Selbst die Ohren des Kamels machen diese Bewegung mit. Es sieht zum Schreien aus.  :D  Der restliche Körper wippt natürlich mit. Besonders um die Hüftgegend, was auf die Dauer schmerzhafte Folgen auf den Rücken und den Lendenbereich hat. Ständig versucht man den Schaukelbewegungen entgegen zu wirken.

Plötzlich ist es geschehen. Aus dem Sekunden- wird ein Minutenschlaf. Ich höre nur noch die lauten Rufe bis ich bemerke, dass ich mit samt der Ladung nach rechts wegrutsche. Ich befinde mich im freien Fall.  :o  Während der ersten Hälfte des Fallens wird mit bewußt, was mit mir geschieht. Die zweite Hälfte nutze ich, um mir vorzustellen, was ich mir alles brechen könnte. Ich dachte an meine Hüfte, Beine... Ich wollte erst mal unten ankommen. Es ist schon erstaunlich, wie lange so ein Fall aus 2,20 Metern dauern kann und was einem dabei alles durch den Kopf schießt. Ich schlage auf...



Ich schlage, wie befürchtet mit der Hüfte auf und auf mich fällt die gesamte Ladung. Langsam bewege ich mich. Ich teste die Beine, rolle mich etwas zur Seite. Es sieht gut aus. Meine Rippen schmerzen...

Schnell kommen mir einige Tuareg zu Hilfe geeilt. Sie befreien mich von der Ladung und ich erkenne an ihrem besorgten Blick, welche Gedanken ihnen durch den Kopf gehen. Ich versuche langsam aufzustehen. Ich bin noch an einem Stück. Ausser den geprellten Rippen ist mir nichts passiert. Die besorgten Gesichter erhellen sich wieder. Man läßt sich zu einem Lächeln hinreißen und sie klopfen mir erleichtert auf die Schulter. ;)

Wäre etwas Schlimmeres passiert, die Karawane hätte nicht anhalten können. Es hätte weitergehen müssen. Es gibt keinen Rettungshubschrauber oder einen Toyota für den Ernstfall.



Die Karawane unterbricht ihren Trott nicht. Während sie weiter läuft, beladen wir wieder mein Kamel. Ich bin jetzt hell wach. Ich laufe wieder ein Stück.



Als die Dunkelheit beginnt den Tag zu verdrängen sitzen wieder alle auf ihren Kamelen. Nur Sidi läuft weiter, als wären seine Reserven unerschöpflich.

Bei vollkommener Dunkelheit hört man kein Wort, keinen Laut. Nur das Treten der Kamelfüße im Sand. Es ist ein eigenartiger, gleichmässiger und monotoner Rythmus. Der Rücken schmerzt und ich sehne den Moment herbei, wo ich von meinem Kamel absteigen kann. Es gibt keine Ablenkung mehr, keine Dünen, welche die Müdigkeit vertreiben oder zumindest hinauszögern würden. Man starrt nur hinaus in die Dunkelheit. Es ist 21:00 Uhr, also die Zeit, wo wir normalerweise unser Lager erreichen. Die Karawane hält an. Aber nach einigen Minuten geht es weiter. Nach 10 Minuten wieder ein Stop. Doch kurze Zeit später geht es wieder weiter. Wie lange noch? Auch einige Tuareg merkt man ihre Ungedult an. Gegen 22:30 Uhr bleibt die Karawane wieder stehen. Dieses mal endgültig...




Heute Abend brauche ich kein Abendessen mehr, keinen Tee. Ich bemerke nicht einmal mehr den beeindruckenden Sternenhimmel. Ich schlafe ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden ein.


WSAlexander

« Antwort #26 am: 06. April 2017, 22:09 »
Wie der Name schon sagt, transportiert die Karawane vor allem Salz. Entweder in Form dieser Salzlaibe (Beza)...



...oder diese Salzkegel (Kantu).



Das Salz wird auf den Märkten der Städte z.B. Timia oder Agadez eingetauscht oder verkauft. Das Salz wird für das Vieh als Lecksalz benötigt. Außer dem Salz werden vor allem Datteln und Hirse verkauft. Auf dem Rückweg nimmt die Karawane dann alles mit, was die Menschen in den Weilern, kleinen Siedlungen wo vor allem Großfamilien wohnen, benötigen.



Die Menschen leben dort in großer Armut und haben nur das Nötigste zum Leben. Sie haben keine Möglichkeit, in die Städte zu fahren, um sich mit dem zu versorgen, was sie benötigen.



Vor einigen Jahrzehnten fing man an, diese Karawanen durch Lkws zu ersetzen. Die Lkws wurden auch noch subventioniert, was die Lkw-Transporte gegenüber den Karawanen konkurrenzlos machte. Allerdings merkte man schnell, dass durch die Modernisierung der Karawanenwege viele Menschen arbeitslos wurden, Traditionen verloren gingen und Unzufriedenheit aufkam. Darum hat man den Lkw-Verkehr wieder eingeschränkt.

Ein Beispiel ist die Siedlung Kodri. Sie liegt ziemlich genau zwischen Agadez und Timia. Es gibt dort eine Schule für die umliegenden Siedlungen. Das Problem: es gibt dort kein Wasser und es muß mit Menschenkraft oder auf Eseln, wenn vorhanden, aus 25 Kilometern Entfernung hertransportiert werden.

Wir wollen dem Abhilfe schaffen und bauen dort einen Brunnen.



WSAlexander

« Antwort #27 am: 06. April 2017, 22:10 »
Die Beza wiegen ca. 2 kg und die Kantu 25 Kilo. Nicht jedes Kamel trägt diese Kegel, da auch noch anderes transportiert wird z.B. trägt jedes Kamel zwei Dattelsäcke aus Leder, die auch ganz schön schwer sind. Ich schätze, dass die Säcke zusammen ca. 30 - 35 kg wiegen. Dazu kann ein Kamel ohne Weiteres zwei dieser Salzkegel und noch zwei Salzlaibe tragen.

Ich habe keine Ahnung, welchen Wert so ein Kegel besitzt. Es gab aber Zeiten, da wurde das Salz mit Gold aufgewogen. Diese Zeiten sind allerdings lange vorbei.

Neben Naturalien bekommen die Männer auch etwas Geld, was durch den Handel eingenommen wird. Vor allem die Datteln und Hirse werden verkauft. Die Preise können aber je nach Jahreszeit und Ausfall der Regenzeit sehr volatil ausfallen. Besonders wenn eine andere Karawane bereits seine Ware auf die Märkte gebracht hat, dann fallen die Preise. Auch hier gilt der Grundsatz von Angebot und Nachfrage.

Die Menschen in den Siedlungen benötigen vor allem Mehl und Speißesalz, um Brot zu backen,




Nudeln, Stoffe. Für ihre Kinder u.U. Schulmaterial, wenn es überhaupt vorhanden ist und die finanziellen Verhältnisse es zulassen.

WSAlexander

« Antwort #28 am: 06. April 2017, 22:13 »
Als es dämmert wache ich auf. Was war passiert? Kein Weckruf? Hatte der Madougou verschlafen? Ich lag in Mitten von Kamelen, Gerbas und verpackten Salzblöcken. Es war ruhig. Keine lauten Rufe, keine Hektik. Wir waren in der Nacht in der Oase Fachi angekommen.



Die Gerbas waren an Holzpfählen aufgehängt, damit die nachtaktiven Nagetiere die Wasserbeutel nicht anknabbern.






Ein Grund für die Rast in Fachi. Hier hatte die Karawane bereits Alemos Grasbüschel deponiert.



Einige Kamele machen sich in den nahen Büschen bereits auf die Suche nach frischerem Futter.



Ein Kamel steht noch etwas hilflos in der Gegend herum und ist sich unschlüssig, was es machen soll  :) .



Ich mache mich auf den Weg und folge den Menschen- und Kamelspuren und treffe auf die Karawanies. Kameltränke ist angesagt. Dazu wird eine stabile Plastikfolie ausgebreitet, in die das Wasser, dass es hier nahe an der Oberfläche gibt geschöpft wird.



WSAlexander

« Antwort #29 am: 06. April 2017, 22:15 »
Fachi ist ein kleines Paradies. Vieleicht wird das Gefühl durch die Anstrengungen der letzten Tage noch verstärkt. Es tut gut, am Morgen etwas länger liegen bleiben zu können und seinen Gedanken nachzuhängen. Die Wüste ist ruhig und friedlich, die Wellen im Sand stehen still.



Obwohl ich mich eigentlich ausruhen sollte streife ich durch die Gegend und begeistere mich für die abwechslungsreichen Farben. Das grün der Palminseln, das braun der Palmstämme und die Okkerfarben der Wüste. Der blaue Himmel macht den Anblick noch perfekt.





Plötzlich steigt mir ein stechender Geruch in die Nase. Dieser Geruch passt nicht zu dieser paradiesischen Wüste. Ich folge dem strengen Geruch.



Neben einem Kamel steigt weißer Rauch auf. Es stinkt nach verbranntem Horn. Einige Tuareg brennen mit einem glühenden Eisen, das sie im Feuer erhitzt haben ihre Kamele.



Von dem Kamel hört man nur ein mürrisches Knurren. Seine Beine sind nicht einmal festgebunden. Das Tier erträgt die Brandmarkung geduldig, obwohl ich den Eindruck habe, dass das heiße Eisen tief in die Haut eindringt.




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