Thema: Ziellosigkeit, Unzufriedenheit, Sinnlosigkeit  (Gelesen 3734 mal)

WcPc

« am: 19. September 2015, 12:24 »
Hi
Ich weiss nicht was es ist oder woher es kommt, aber ich bin unzufrieden. Wenn ich irgendwas besichtige oder mache denke ich „Meh“ oder „Ich brauch mal ne Pause“. Schiebe ich einen Ruhetag oder gar eine ganze Woche ein wird mir schnell langweilig und ich will irgendwas machen. Egal wohin ich gehe, sobald ich in einem Ort ankomme will ich weg von da. Gleichzeitig will ich aber mal irgendwo „wo es schön ist“ eine Weile bleiben, ein paar Wochen vielleicht oder mehr. Nicht dass ich wüsste was ich dann in diesen Wochen machen würde…

Ich habe kein Heimweh. Ich bin nicht einsam, ich geniesse das Alleinsein häufig. Ich reise auch nicht zu schnell, denke ich. Ich glaube mein Problem liegt woanders:
Vor etwa vier Jahren (als ich das erste Mal richtig mit der Arbeitswelt in Kontakt kam) hab ich gemerkt dass das Leben aus viel, viel Arbeit besteht. „Aber wofür arbeite ich überhaupt?“, fragte ich mich und wusste keine Antwort. Mir ging es richtig scheisse in der Zeit. Irgendwann kam dann die befreiende Erkenntnis, dass ich reisen will. „Hey ich will reisen gehen, das ist DAS Ziel in meinem Leben, ich will das, unbedingt, egal was es kostet.“

Fortan war mein ganzes Handeln darauf ausgerichtet diesen Traum zu erfüllen.

Und jetzt bin ich hier und habe dieses Ziel erfüllt und so schön es auch ist, stehe ich jetzt ohne Ziel da. Es ist ja nicht so dass mir das Reisen nicht gefällt, ganz im Gegenteil. Ich glaube vielmehr mein Problem liegt darin dass ich nun kein Ziel mehr habe im Leben und so alles sinnlos erscheint. Keinen Sinn des Lebens.

Ich erwarte von euch nicht dass ihr mir den Sinn des Lebens aufzeigt (bitte nicht…). Mich nimmt es nur wunder ob sonst schon jemand in dieser Situation war (besonders beim Reisen) und was er / sie in der Situation getan hat…

Das Gefühl geht echt brutal auf den Sack und besteht eigentlich schon seit ich mit dem Reisen angefangen habe (ca. 2 Monate her). Anfangs dachte ich "Oh das ist jetzt nur am Anfang, Kulturschock und so, das geht schon weg". Und viele von den Scheiss-Gefühlen (wovon es eine ganze Menge gab) gingen mit der Zeit weg. Dieses nicht.

Hilfe? Danke.
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gracy

« Antwort #1 am: 19. September 2015, 14:02 »
Hallo WcPc,

das ist natürlich schade, dass du deine Reisezeit im Moment nicht genießen kannst. Du bist ja noch ziemlich jung und hast bestimmt auch Ziele für die Zeit nach der Reise, oder? Mit der Rückkehr endet das Leben ja nicht  ;)
Hast du denn schon nette Leute kennengelernt? Vielleicht hilft es sich anderen anzuschließen um nicht so viel nachzudenken?
Das hab ich auch schon bei der Rollerfrage überlegt. Versuch doch jemanden (mit Führerschein) zu finden, mit dem du den Roller teilen kannst.

Sinn und Ziel wenn man auf Reisen ist sind glaube ich einzig und allein, dass man eine gute Zeit hat, viel erlebt, neue Menschen und Kulturen kennenlernt und natürlich, dass man gesund wieder zu Hause ankommt. Und dann warten bestimmt neue Pläne auf dich...

Ich wünsche dir, dass es dir bald wieder beser geht!

Viele Grüße
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Pax

« Antwort #2 am: 19. September 2015, 14:21 »
Hi,
das Gefühl kann ich nachempfinden, auch wenn ich es genau so noch nie erlebt habe. Daher möchte ich dir nur ein paar Tipps geben, die einem eigentlich auch leicht einfallen, wenn man nicht gerade in so einer Situation ist  :)  - Vielleicht kannst du ja mit dem einen oder anderen was anfangen. Here we go:
-Frage dich, was genau dich zufrieden machen würde. Unzufriedenheit kann ein guter Indikator sein, mit dem dir deine Psyche sagt "Mach mal was anders", man kann aber auch regelrecht davon in die Verzweiflung getrieben werden. Also: mach dir mal Gedanken, was du dir eigentlich wünschst. Ganz konkret und realistisch, aber auch emotional und "abstrakt".
-Manchmal fallen einem solche Dinge, besonders wenn man eigentlich nicht weiß, wieso man unzufrieden ist, nicht gleich ein. Setz dich nicht unter Druck, sondern bedenke, dass die meisten Menschen ihr ganzes Leben immer wieder feststellen, dass da noch mehr ist. Auch wenn es sicher nicht immer so intensiv ist wie bei dir.
-Konzentriere dich nicht zu sehr auf deine Gefühle, sondern schau dir bewusst andere Leute an und versuch dir vorzustellen, was in denen vorgeht. Dadurch löst sich auf Dauer diese Fokussierung auf das eigene Erleben etwas auf.
-Hab keine Angst, ein "geregeltes Arbeitsleben" aufzunehmen: Die Befürchtungen, die man davor hat, lösen sich in Luft auf, wenn man damit anfängt. Und dass das viele Arbeiten eigentlich sinnlos ist, ist halt so. Trotzdem ist es natürlich wichtig, wegen Ernährung usw. Daher ist es nur dann sinnlos, wenn man es übertreibt oder sich vollständig darüber definiert. Damit hast du den meisten Worcaholics eine wichtige Erkenntnis voraus.
-Achte darauf, dass du in einem gesunden Rahmen weitermachst, nicht zu viel grübelst etc. Damit erlebst du noch genug, um irgendwann auf neue Gedanken zu kommen.

Ok, genug Psychotipps. Ich wünsche dir, dass du wieder "ins innere Gleichgewicht kommst"  ;)
Machs gut
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WcPc

« Antwort #3 am: 19. September 2015, 15:10 »
Hi

Danke für die Antworten!

Du bist ja noch ziemlich jung und hast bestimmt auch Ziele für die Zeit nach der Reise, oder? Mit der Rückkehr endet das Leben ja nicht  ;)
Hast du denn schon nette Leute kennengelernt? Vielleicht hilft es sich anderen anzuschließen um nicht so viel nachzudenken?
Das hab ich auch schon bei der Rollerfrage überlegt. Versuch doch jemanden (mit Führerschein) zu finden, mit dem du den Roller teilen kannst.

Es gibt zwei Leidenschaften in meinem Leben: Reisen und Programmieren. Ist die Reise vorbei gehts mit Programmieren weiter bis das wieder von Reisen abgelöst wird. Weitere Pläne habe ich eigentlich nicht... Irgendwann will ich mich noch selbstständig machen aber das ist noch ein langer Weg bis dahin...
Nette Leute treffe ich hie und da, war jetzt eigentlich drei Mal der Fall, je für ca. eine Woche bis sich die Wege dann halt trennten... Kommt stark auf das Hostel und auf die Umgebung (Stadt, Dorf, Insel, Durchgangsstation, ...) drauf an hab ich gemerkt...
Roller teilen: Ja klar, das mache ich schon wenn sich die Gelegenheit ergibt, aber es ist halt nicht dasselbe und du musst halt auch immer jemanden finden der gerade dieselben Pläne hat wie du am selben Tag. Unabhängigkeit.

-Frage dich, was genau dich zufrieden machen würde.
Mehr dazu dann in einem neuen Thema (bald).

-Hab keine Angst, ein "geregeltes Arbeitsleben" aufzunehmen: Die Befürchtungen, die man davor hat, lösen sich in Luft auf, wenn man damit anfängt. Und dass das viele Arbeiten eigentlich sinnlos ist, ist halt so. Trotzdem ist es natürlich wichtig, wegen Ernährung usw. Daher ist es nur dann sinnlos, wenn man es übertreibt oder sich vollständig darüber definiert. Damit hast du den meisten Worcaholics eine wichtige Erkenntnis voraus.
Ich habe eigentlich kein Problem mit einem geregelten Arbeitsleben, solange ich einen Sinn darin sehe, sei es schlicht Spass oder Geld verdienen um dann z.B. damit Reisen zu gehen. Ich habe evtl. ein winziges Problem mit dem angestellt-sein, (siehe "Selbstständigkeit" weiter oben) aber das ist ein anderes Thema (ich bin ja momentan nicht angestellt).

-Achte darauf, dass du in einem gesunden Rahmen weitermachst, nicht zu viel grübelst etc. Damit erlebst du noch genug, um irgendwann auf neue Gedanken zu kommen.
Hmm, grundsätzlich ein guter Tip, ich weiss aber nicht wie weise es ist die Gefühle einfach zu verdrängen. Klar, kurzfristig ist das eine Lösung. Wie gesagt ich hab auch schon Leute auf der Reise getroffen und da war das Problem praktisch inexistent, aber man trifft nicht immer Leute und sobald mal nicht so viel los ist, ist die Unzufriedenheit wieder da.

Schlussendlich kann es aber auch gut sein dass ich unzufrieden bin weil ich ständig darüber nachdenke dass ich unzufrieden bin...

Naja morgen geh ich mal schnorcheln, ich freu mich :)
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Delfin15

« Antwort #4 am: 21. September 2015, 15:47 »
Guten Morgen,
ich kann diese Gefuehl nur allzu gut nachvollziehen, nur leider kann ich dir auch keine Loesung geben, weil ich zurzeit selber noch daran arbeite.
Jetzt wird es ein bisschen persoenlich, aber irgendwie gehoert das ja beim Thema Gefuehlswelt dazu...
Ich bin auch noch recht jung und dieses Jahr direkt nach dem Abitur losgezogen und habe erstmal eine Weile auf einer islaendischen Farm gearbeitet. Das lief eigentlich alles recht gut, ausser das es manchmal etwas langweilig wurde, aber im grossen und ganzen super. Ich hatte dementsprechend auch viel Zeit fuer mich selber, aber tatsaechlich so manche Dinge erledigt, die schon immer mal anstanden und gelesen. Aber irgendwie hat man schon recht viel Zeit mit sich selber.
Und dann kam sie, die grosse Sinnkrise, mit der ich nie im Leben gerechnet habe und die, wie ich finde, von vielen Aussenstehenden immer wieder belaechelt wird. (Ja, bevor ich sie selber durchmachte, gehoerte ich zu den Laechelnden)

Ich war dann bevor ich Island verliess einige Zeit in verschiedenen Hostels und habe auch nette Leute kennengelernt und es gab zu meiner Ueberraschung auch noch ein grosses Festival. Und trotzdem kam immer wieder die Frage hoch: Warum? Warum bewege ich mich von land zu Land, sehe alle moeglichen Dinge, mache Fotos, rede mit wildfremden Menschen und und und.. Mir fehlte das Ziel, und fuer mich laesst es sich ohne irgendein Ziel irgendwie schwierig reisen, ich moechte wenigstens wissen, warum ich wieder nach Deutschland kommen sollte.

So fies es klingt, aber zu dem Zeitpunkt war mein Eindruck, die Reise hatte sich ueberhaupt nicht gelohnt. Und diese Feststellung tut mir ehrlich leid fuer diejenigen Menschen, die ich getroffen habe, mit denen ich lange Zeit auf der Farm gelebt habe und die irgendwie Teil meines Lebens waren.

Zur zeit geht es mir ziemlich gut, ich habe festgestellt, das sightseeing nicht so das richtige ist fuer mich, um das beispielsweise eine Woche durchzuziehen, sondern, dass ich viel lieber mit Menschen in Kontakt komme, die Lebenskultur des Landes kennenlerne.

Auch bei mir war (und ist) es kein Heimweh (Ich weiss, wie das ist, auch wenn ich das erst einmal im Leben hatte), es ist tatsaechlich die Sinnsuche, was diese Reise soll, was das Arbeitsleben danach soll und solche Fragen halt.

Meine Erfahrung ist auf jeden Fall: Menschen von zuhause verstehen diesen Zustand unter keinen Umstaenden und viele Reisende auch nicht, anscheinend faellt nicht jeder in solch eine Sinnkrise.
Mir hilft jetzt, dass ich immer ein (wenn auch kleines) Ziel vor Augen habe, so freue ich mich jetzt zum Beispiel ungleublich eit in Texas. Das heisst nicht, dass ich meine Zeit gerade nicht geniesse, ganz im Gegenteil, es hilft mir einfach, ein bisschen in der Spur zu bleiben..

So, ich glaube, das versteht jetzt kein Mensch mehr, was ich hier geschrieben habe, aber da du in einer aehnlichen Situation bist, hilft es ja ganz  vielleicht.

Hier noch ein Link, von einer aehnlichen Situation:
http://weltreise-info.de/forum/index.php?topic=10675.msg70258#msg70258

Viele Gruesse!!

P.S.: Du bekommst noch eine PM von mir
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