Thema: Gefühle nach der Rückkehr...  (Gelesen 6212 mal)

LilyEarth

« Antwort #15 am: 15. Dezember 2014, 22:12 »
Hallo T-Travel und knappe,

vielen lieben Dank, für eure Einblicke und Erfahrungen!

Ich finde es sehr mutig von dir und ganz wunderbar, T-travel, dass du deinem Herzen mit aller Konsequenz folgst. Du scheinst ganz genau zu spüren, was dir gerade guttut. Verrätst du, wohin die Reise dieses Mal geht und wie lange ihr reisen wollt? :)

Das Thema Gesellschaft und Individuum ist kein einfaches. Ich glaube, darüber könnte man viele verschiedene Sichtweisen anbringen. Ich persönlich finde, dass eine Gesellschaft natürlich nur funktionieren kann, wenn ein jeder sich in ihr einbringt bzw. bereit ist, sich auch als solche zu definieren. Die Frage hierzu lautet vielleicht: In was für einer Gesellschaft möchte ich leben? Welche Gesellschaft erlaubt es mir, mich, ebenso wie ich mich in ihr einbringe, auch persönlich zu entwickeln? Ich glaube, dass viele Menschen spüren, dass in unser Gesellschaft ein Ungleichgewicht bzgl. dem was man soll, und dem was man selbst möchte existiert. Ich glaube auch, dass Balance eine unglaublich wichtige Rolle spielt. Es ist wie mit allem: Der Mensch spürt ein innerliches Ungleichgewicht sehr gut und reagiert vielfältig - mit Frust, mit Aggression oder mit Trotz.

Nichtsdestotrotz finde ich, dass wir im Vergleich zu vielen anderen Ländern in der Welt, eine gute Basis haben um uns (annähernd) zu verwirklichen. Vielen Menschen wird diese Möglichkeit gar nicht geboten. Funktioniert deshalb eine Gesellschaft besser? Das ist die Frage, und wenn man einen Blick auf Gesellschaften wirft, die letzteres an Dynamiken aufzeigt, kann man dies durchaus in Frage stellen. Somit kommt man meiner Ansicht nach wieder zurück zum Balancebegriff.


Kommt jetzt erstmal zuhause an-lasst euch Zeit, alles andere wird sich von alleine ergeben.


Danke dir! :) Die Zeit vergeht und Wunden werden dadurch ja bekanntlich geheilt. :) Uns geht es wieder etwas besser, da wir sehr viel analysiert und sehr viel miteinander gesprochen haben (eure Kommentare haben uns auch sehr gut getan und dabei geholfen). Vieles ist noch unklar, unser weiterer Weg zeigt sich momentan noch nicht ganz deutlich. Gerade für mich als Frau in den 30ern, ohne Kinder und mitten in einem Studium befindend, stellen sich gerade natürlich sehr viele Fragen. Aber all das gehört zum Leben dazu. Es ist nicht nur Beständigkeit, sondern oft auch ziemlich unbeständig. Doch so entstehen neue Wege. Das ist schön!

Und was mir ebenso geholfen hat mich hier wieder einzufinden, war der Rat meines
Freundes, der mir empfahl, dieses Depressionsgefühl zuzulassen und es anzunehmen, als ein momentaner Teil von mir. Das habe ich getan. Diese quälenden Gedanken nahmen dadurch etwas ab.

Farmerjohn, folgendes finde ich interessant:


da beginnt der Zustand vor der Reise 'Geschichte' und der Zustand des Reisens, bzw. der neue Aufenthaltsort zur Basis-Wirklichkeit  zu werden - und zwar dergestalt, dass man einige Grundlagen sowie auch aktuelle Normen und Werte aus der jeweils aktuellen Umgebung uebernimmt


So in etwa habe ich es empfunden. Durch den anfänglichen "Kulturschock" verspürte ich anfangs oft Heimweh (ich könnte mir vorstellen, dass das auch ein bißchen am ersten Land lag, in dem ich es verspürte), doch nach einiger Zeit des Kennenlernens von Land und Leuten und somit ihrer Verhaltensweisen und Gepflogenheiten, stieg mein Vetrauen und gleichzeitig ein Wohlfühlen. Irgendwann wurde das Heimweh immer weniger und ich konnte mich ganz auf die neue Umgebung einlassen.

Ich glaube, wenn man über längere Zeit hinweg in einer anderen Kultur "lebt", findet irgendwann (sofern man sich halbwegs mit ihr identifizieren kann) ein "Internalisierungsprozess" statt. Nicht nur, dass man im Vergleich zu seinem normalen Alltag zu Hause über kurze Zeit sehr viele verschiedene Dinge erlebt und ungewöhnliche Erfahrungen macht, man gewöhnt sich an seine neue Umgebung und lernt sie schätzen. Zurück im eigenen Zuhause, kommt man von einer Welt in eine andere. Dies zu verarbeiten dauert, denn irgendwie wurde die bereiste Welt tatsächlich ein Stück weit zur eigenen. Man fügte sich völlig in ihr ein. Diese Welt mit einem Mal nicht mehr um sich zu haben schmerzt und ein erneuter Integrationsprozess findet statt. Nur dieses Mal im eigenen Zuhause. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier und gewöhnt sich erneut an seine neue, alte Umgebung. Doch beschleicht mich das Gefühl, dass solch eine längere Reise in einem für immer etwas verändert. Das muss durchaus nichts großes sein, doch Erfahrungen bleiben. Und vielleicht stellt man ja fest, dass das alte Zuhause ja doch nicht mehr das alte Zuhause ist...

Es ist beruhigend zu wissen, knappe, dass auch du dir dieselben Fragen gestellt hast wir wir, obwohl ihr wie geplant eure Reise beendet habt. Ja, vielleicht wären bei uns auch dennoch ähnliche Fragen aufgekommen, wenn wir NICHT vorzeitig wiedergekommen wären, wer weiß.


Was ich persönlich wichtig finde (weil ich es eben anders erlebt habe) ist, dass ihr beide diese Gefühle und Fragen habt.
Gebt euch gegenseitig den Halt und das Verständnis, das euch von außen keiner geben kann.


Du kannst dir gar nicht vorstellen (wahrscheinlich doch!), wie unglaublich froh ich darüber bin, dass ich jemanden habe, der MIT mir diese Reise erlebt hat. Es gibt somit einen Menschen, der genau versteht was man meint, wenn man von Sehnsucht spricht weil er genauso empfindet wie man selbst, der nachempfinden kann, was es bedeutet, sich wieder einzufinden ("die Suche nach dem Platz im Leben" - sehr schön formuliert!) und mit dem man all die gemachten Erfahrungen teilt und somit in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen kann. Das ist schön, denn man kann sich gegenseitig stärken.


Hattet ihr nichts das Gefühl, dass das schwierigste an der Organisation eurer Reise die Entscheidung dafür war? Dass sich anschließend alles irgendwie gefunden hat?
Bei uns war das so. Und das gibt mir Hoffnung: wenn ich wieder los will, muss ich nur die Entscheidung treffen dafür. Und alles andere wird sich wieder finden.


Du hast vollkommen recht! :)


In diesem Sinne wünsche ich dir und euch ein gutes weiteres Wieder-Einfinden!


Danke dir! Mittlerweile hat uns der Alltag schon recht gut wieder und uns geht es, wie gesagt, schon wieder etwas besser. Obwohl immer noch hin und wieder traurige Gefühle und Sehnsüchte nach dieser wundervollen Reise aufkommen (der Winter trägt wohl eine nicht geringe Mitschuld daran), können wir uns hier wieder ganz gut integrieren. Wir konnten uns recht gut wieder in unsere alten Hobbys einfinden und einige neue Ideen sind entstanden. :) Gerade bin ich voller Tatendrang und freue mich auf vieles neues! Insofern, liebe Yoss, verbuche ich die Zeit des "Früherzurückkommens" unter "viele neue Ideen konnten entstehen" und nutze diese Zeit sinnvoll zur Vorbereitung, bevor es wieder ans studieren geht. Wer weiß wie's gekommen wäre, wären wir länger geblieben.

Dennoch empfinde ich diese Reise als Einschnitt in meinem Leben und bemerke, dass ich eine neue Sichtweise über einige Dinge bekommen habe. Das fängt an beim Infragestellen der Wichtigkeit von materiellen Dingen (gerade miste ich, ganz ohne Trauer, meinen halben Kleiderschrank aus  ;D und möchte auch sonst nicht mehr im Überfluss leben) und geht hin zu Gedanken über die Art und Weise wie man sein weiteres Leben gestalten will. Viele Dinge erscheinen mir mit einem Mal nicht mehr so wichtig und andere Dinge rücken in den Vordergrund. Über all dies machte ich mir durchaus auch schon vor der Reise Gedanken. Doch jetzt, nach der Reise, hat man noch einmal ein völlig anderes Gefühl zu diesen Dingen bekommen. Noch ist mein weiterer Lebensweg unklar, aber ich bin zuversichtlich, dass ich da hinkomme wo ich sein möchte! Und natürlich freue ich mich auf meine nächste Reise! :)









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