Corona ist doof... Nach so vielen Planänderungen und Streichungen dieses Jahr, habe ich mich für eine kleine Runde entschieden.
Ziel ist
Böhmen.
So kurz vor der Haustüre (ich = Ex-Erzgebirgler), habe ich diesen Landstrich bisher sträflich vernachlässigt. Anfang der 90er gab es ein paar Touren, an die ich aber keine größeren Erinnerungen habe. Ansonsten war Tschechien immer nur Transitland wenns mal Richtung Balkan, Türkei oder Orient ging. Ein Fehler, wie die kleine Corona-Tour im Juli gezeigt hat.
Die erste Woche spare ich mal aus... Kuchen in Mutterns Garten interessiert die Allgemeinheit ja wahrscheinlich eher weniger... Dann doch lieber ein paar hübsche Bilder.
Woche zwei begann dann mit steilem Abstieg an der Südkante des Erzgebirges - ein Pultschollengebirge, wie wir zu Grundschulzeiten so schön gelernt haben. Im Norden recht sanft ansteigend, im Süden eine steile Kante. Kurzer Abstecher zur überdachten Brücke von Radošov, Beetlejuice-Feeling tanken und dann gleich zum ersten Stop nach Loket - zu Deutsch "Elbogen". Da das Sudetenland schon vor diversen Rechtschreibreformen verloren ging, schreibt es sich immer noch mit nur einem L. Hier ist es hübsch. Das hat auch schon Goethe gesagt. Über ein Dutzend Mal war er hier unterwegs und hat schließlich auch seinen 74. Geburtstag zusammen mit seiner letzten großen Liebelei Ulrike von Levetzow hier gefeiert. Die gute Dame war über ein halbes Jahrhundert jünger als der Dichter
Goethe hat Recht - hier ist's hübschWeiter gehts nach Plzeň. Ich bin kein Biertrinker, deswegen bleib ich beim Fassadengucken. Und beim Treppensteigen. Nach dem Burgturm von Loket, war die St.-Bartholomäus-Kathedrale nun schon Turm Nummer 2 der Reise. Ich mags, mir so einen Überblick zu verschaffen. Sehr schön ist auch das Rathaus. Ich habe diese Reise so viele bemalte Fassaden gesehen, wie schon lange nicht mehr - oder besser gesagt, so viele
Sgraffiti. Die Böhmen haben da eine wahre Leidenschaft für entwickelt.
Und sehr erstaunt war ich auch darüber, dass in Pilsen die drittgrößte Synagoge der Welt steht.
Die erste Tagesetappe endet in Český Krumlov. Herrliche Altstadt mit tollem Schloss hoch über der Moldau. Zu Nicht-Corona-Zeiten sicher wahnsinnig überlaufen, heute war es erträglich. Grundsätzlich waren aber erstaunlich viele Touristen unterwegs, vor allem, wenns zur Besichtigung irgendwo rein ging. Zu 90% waren es aber die Tschechen selbst. Ausländer habe ich kaum gesehen.
So, Krumlov - wie gesagt, wunderschön. Beeindruckend ist die Mantelbrücke. Eine mehrgeschossige, teils überbaute Brücke, die das Schloss mit dem Schlosspark verbindet. Die Anlage ist nach der Prager Burg die zweitgrößte historische Anlage in Tschechien. Ich hab mich auf die Turmbesteigung beschränkt. Hier residierten die Fürsten von Schwarzenberg - Hochadel, Uradel und ganz wichtige Leute im ehemaligen Reich und KUK. Funfact: Auf Schloss Krumlov existierte bis 1948 die letzte Grenadiers-Schlosswache Kontinentaleuropas. Mittlerweile soll die Garde wohl wieder existieren.
Weil es den Schwarzenbergern etwas altmodisch in Krumlov wurde, haben sie sich dann in Hluboká nad Vltavou (Frauenberg an der Moldau) eine neue Residenz eingerichtet. Die Schwarzenbergs haben dann alles 1947 verloren (Lex Schwarzenberg) und nun können sich schnöde Touristen hier die Füße platt treten. Es ist wirklich hübsch und ein besuch lohnt. Und es ist auch irgendwie amüsant, wenn man in der Schlossbibliothek eine ganze Regalreihe mit Werken von Agatha Christie entdeckt - macht den Hochadel irgendwie menschlicher
Nach dem Krieg um halb sechs im Kelch! Türklinke im Schloss Hluboka - Der Kopf mit Vogel ist im Wappen der SchwarzenbergsBudweisWeiter gehts über ein paar hübsche Städtchen in der Gegend. Třeboň, Jindřichův Hradec, ... Ich muss sagen, seit den spärlichen Erinnerungen aus den frühen 90er Jahren hat sich hier viel getan. Die Marktplätze sind wirklich tiptop hergerichtet - nur manchmal darf man nicht 3-4 Straßenzüge weiter schauen
Eine kurze Rast gab es am Mittelpunkt Tschechiens und dann gleich weiter nach Kutná Hora. Hier wollte ich schon ewig mal wieder hin... 1993 als kleiner kaamos nur mal abends kurz vorbei geschaut und sich geärgert, dass wir die tolle Kirche nicht besichtigt haben - heute habe ichs nachgeholt
Der Dom der heiligen Barbara ist aber auch ein außerordentliches Gebäude. Er hat keinen Turm, dafür aber ein dreizipfliges Dach. Reich geworden ist die Stadt durch den Silberbergbau und die Prägung des Prager Groschens. Hier leitet der Name in die Irre. In Prag hat man nur Gold geprägt, das Silber kommt aus Kuttenberg... Kutná Hora. Die Münzen waren so bedeutend, dass sie in weiten Teilen Europas zirkulierten. Bemerkenswert ist aber auch Sedlec, heute ein Vorort Kutná Horas. Im hiesigen Ossuarium werden 40000 Knochen aufbewahrt und teils kunstvoll ausgestellt. Gruselig.
TřeboňWillkommen im böhmischen Afghanistan... Zentralböhmen ist voller MohnfelderDie Reiseeule im Mittelpunkt TschechiensSedlec-OssuariumKuttenbergNext stop: Zelená Hora, der grüne Berg. Hier findet man die mehr als bemerkenswerte Wallfahrtskirche des heiligen Johannes von Nepomuk. Bemerkenswert deshalb, weil sie architektonisch einzigartig ist. Erklärungstafeln sprachen vom gotischen Barock - ich wusste bis dahin nicht, dass es den gibt. Die geometrische Anlage lässt sich am besten auf Luftbildern würdigen, aber auch von unten lohnt sich ein kurzer Besuch.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wallfahrtskirche_Zelená_HoraIn Litomyšl gab es dann wieder tolle Sgraffiti zu bestaunen und auch mal wieder Türme zu besteigen. Und weil einmal Turm am Tag nicht reicht, gibts den zweiten dann gleich ein paar Stunden später in Bouzov. Die dortige Burg scheint geradezu einem tschechischen Märchenfilm entsprungen zu sein. Naja, sie scheint es nicht nur, sondern wird tatsächlich häufig als Kulisse genutzt. Früher wurde sie mal als Sommerresidenz des Großmeisters des Deutschen Ordens hergerichtet. Auf jeden Fall hat der Großmeister sich eine landschaftlich sehr schöne Ecke rausgesucht!
Litomyšl Burg BouzovBurg PotštejnNach so viel Architektur brauchts jetzt auch mal ein bisschen Natur. Die finde ich im Glatzer Schneegebirge, dem Dach Europas. Wer jetzt denkt, es geht hoch hinaus, den muss ich enttäuschen. Bei 1425 m ist Schluss. Der Name rührt daher, dass hier eine Hauptwasserscheide Europas liegt. An der einen Seite fließt das Wasser Richtung schwarzes Meer, auf der anderen Seite zur Nordsee.
Im Winter muss man hier wohl gut Wintersport betreiben können - nichts für mich. Da fahre ich doch mit dem Sessellift lieber im Sommer auf den Gipfel und besteige den Skywalk. Tolles Bauwerk, tolle Aussicht. Und wer will, nimmt die Rutsche nach unten.
Das solls aber noch nicht an Natur gewesen sein. Goethe hatte schon am Anfang der Reise Recht und auch hier kommt er wieder zum Zug. 1790 wanderte er durch die Adersbach-Weckelsdorfer Felsenstadt (Adršpašsko-Teplické skály). Die Felsen erinnern mich ein bisschen ans Elbsandsteingebirge. Man muss schon gut zu Fuß sein, denn auch hier gibt es teils wieder lange steile Treppen zu steigen. Aber es lohnt sich. Vor allem beim richtigen Licht sind die tief eingeschnittenen Felsen schon eine Schau. Da sind dann so nette Formationen dabei, wie Rübezahls Zahn, das Liebespaar oder Bürgermeister und Bürgermeisterin. Interessant sind auch die vielen alten Kritzeleien von Touristen aus dem 18./19. Jh., die teils noch recht gut erhalten und zu einem Großteil auf deutsch sind.
Bürgermeister und BürgermeisterinNichts für dicke - das MauselochWeiter geht es nach Pardubice. Wieder ein Schloss, wieder ein schöner Markt - diesmal leider kein Turm zum Besteigen. Den gibts dann dafür in Hradec Králové. Wer in Geschichte aufgepasst hat, der kennt bestimmt den deutschen Namen: Königgrätz. 1866 haben die Preußen hier den Österreichern eine vernichtende Niederlage beigebracht, die schließlich zur Bildung des Deutschen Reiches
ohne Österreich führen sollte. Großartige Denkmäler dazu gab es vor Ort nicht. Irgendwie auch nachvollziehbar, schließlich blieb Königgrätz ja auch habsburgisch.
Ach ja - und es gab eine Kirche mit einem wirklich interessanten Altar. Wahrscheinlich an sich nix sooo besonderes, aber der Altar war eigentlich nur auf die platte Wand gemalt - so täuschend echt, da habe ich schon gestaunt.
PardubiceHradec KrálovéDie Elbe kurz nach ihrer Quelle in der Nähe von SpindlermühleWo ist der Eingang zur Hölle? In Böhmen! Aber damit die ganzen Kreaturen der Unterwelt nicht auf die Erde kommen, hat man auf ihm die Burg Houska errichtet. Die Burgkapelle soll direkt auf einem "bodenlosen" Spalt errichtet worden sein, in dem man zahlreiche mythische Wesen vermutete. Einige zieren jetzt die Wände der Kapelle, unter anderem eine bogenschießende Zentaurin. Das bemerkenswerte an ihr: sie schießt mit links. Laut Führer ist es die weltweit einzige Darstellung einer linkshändigen Schützin.
Passenderweise ist im Kutscherhaus der Burg ein mechanischer Berg aufgebaut, der Dantes Hölle darstellt. Sehr gut gemacht! Ich habe mich köstlich amüsiert.
Die Hölle auf Erden war dann der Tagesabschluss. Ich habe einen kleinen Abstecher nach Theresienstadt gemacht, dem "guten Ghetto", dem Vorzeigeghetto. Viel gesehen habe ich nicht, da war ich zu spät dran und alles hatte schon zu. Wenn ich nicht um die Geschichte wüsste, würde ich sagen, eine triste etwas heruntergekommene Kleinstadt in den Mauern einer Garnisonsstadt des 18. Jh.
Dantes göttliche Komödie auf Burg HouskaTerezín - Ghetto TheresienstadtDie Übernachtung war dann mal was ganz feines: In Litomerice lag die M/S Florentina vor Anker. Eigentlich unternimmt sie Kreuzfahrten auf Elbe und Moldau, doch aktuell fungierte sie als Hotelschiff vor Ort. Ich weiß nicht, ob das Corona geschuldet war oder öfters vorkommt. Auf jeden Fall wars mal eine etwas andere Übernachtung.
LitomericeEndspurt... Die letzte Etappe führt ins Isergebirge. Hier liegt das Städtchen Friedland mit seinem imposanten Schloss. Von seinen zahlreichen Bewohnern stich zumindest namentlich eine Persönlichkeit heraus: Albrecht von Wallenstein. Als bedeutender Feldherr des Kaisers im Dreißigjährigen Krieg erwarb er 1620 Friedland und errichtete hier einen Musterstaat, ein
terra felix, das er als Herzog zur Blüte führte. Wenn da nicht das dumme Ding mit dem Attentat gewesen wäre. Schon 1634 wurde das Herzogtum Friedland nach Wallensteins Ermordung wieder zerschlagen. Sehenswert ist das übrig gebliebene Schloss aber allemal. Und auch hier wieder - Sgraffiti, die einem das Herz übergehen lassen
Tja, und das wars auch schon... noch ein kurzer Stop am Dreiländereck CZ/PL/D und schon sind wieder 2.500 Bilder geschossen