Thema: fiktive frage bin auf diskussion gespannt  (Gelesen 2305 mal)

Nocktem

« am: 09. Februar 2022, 16:02 »
also vorweg, das hier geschriebene ist fiktiv! aber ab und an danke ich eben auch mal an sowas :) hoffe auf eine anregende diskussion.
und sollte das thema in ne andere kategorie gehöhren, bitte verschieben.

also stellt man sich vor man wird kurzfristig obdachlos, hat kaum bis kein geld, was würdet ihr machen, schauen das ihr im sozialsystem bleibt oder das ihr irgendwie ins warme kommt? dazu sei dann aber gesagt das man dort keine solziale absicherung hätte und quasi als begpacker verschrien wäre, auch wenn man das nicht (?) ist.
beides bescheidene optionen aber welche würdet ihr warum wählen?
ich muss gestehen ich wäre hin und her gerissen, beides wäre eine wahl vor der ich nicht stehen möchte, aber ich mache mir schon länger gedanken darüber, rein weil es mich selber interessieren würde wie ich mich entscheiden würde, komme aber bisher auf keine antwort.

in meinen augen fast eine phillosophische frage.
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hosep

« Antwort #1 am: 09. Februar 2022, 20:29 »
Ich hab mal einem Obdachlosen, den ich öfter schon gesehen hatte, einen Döner ausgegeben. Sind daraufhin ins Gespräch gekommen und naja, am Ende hab ich ihn mit nach Hause genommen auf ne heiße Wanne und noch ne Mahlzeit (war Februar). Was der allein für Zeit/Energie aufwenden muss um allein seine Grundbedürfnisse zu stillen (betteln für Essen, Toiletten/Schlafplatzsuche, Waschen je nach Jahreszeit usw). Dazu kommt, dass er nie wirklich fest durchschläft, weil immer im Standbymodus, falls jemand kommt oder was passiert
Ich würde definitv erstmal das Sozialsystem wählen. Eine Wohnung, Krankenkasse und etwas Geld zum leben (Hartz4) ist doch in der Situation wie ein Jackpot. Dann kann man in Ruhe von vorne anfangen. Zumindest hat man dann viel mehr Kraft und Zeit dafür.

Der Weg ins Warme ist auf den ersten Blick die romantischere Option. Aber letztendlich steht man hier vor den selben Herausforderungen (Nahrungsbeschaffung, Hygiene, usw). Nur dass es halt wärmer ist und man zumindest weniger wahrscheinlich erfriert.
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Nocktem

« Antwort #2 am: 09. Februar 2022, 22:06 »
zu dem genannten tendiere ich zwar auch aber was man nicht vergessen darf ist das gewalt gegen obdachlose leider signifikant zunimmt, das habe ich bei der frage auch im hinterkopf gehabt, weil das sollte man so leid es einem tut auch beachten.

und danke für die antwort, bin auf weitere gespannt, was denkt ihr?
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Sebi

« Antwort #3 am: 09. Februar 2022, 22:24 »
Da du ja wahrscheinlich nicht nur von ein paar Tagen / Wochen Urlaub im "Warmen" sprichst stellen sich mir spontan Fragen wie:

- Du brauchst ein Visum / Aufenthaltsgenehmigung über Touristenvisum hinaus?
- Was machst du bei medizinischen Problemen ohne Abdeckung durch eine Versicherung?
- Überhaupt: was wird denn besser durch die Flucht ins Warme? Wieder Anschluss, Beschäftigung, Wohnung zu finden dürfte doch in der Heimat viel leichter sein (Muttersprache, dein Netzwerk, Hartz, Arbeitsamt, Jobvermittlung, etc)? Niedrige Lebenshaltungskosten im Warmen bringen dir ja gar nichts wenn du kein Geld mitbringst sondern lokal auf Arbeit oder gar Betteln angewiesen bist
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Nocktem

« Antwort #4 am: 15. Februar 2022, 18:51 »
ich hab mir mal gedanken gemacht wie ich deine antworten entgegnen kann (und nein du hast recht, nicht das du denkst ich stimme dir nicht zu!!) und da es ja eine disskussion sein soll werde ich mal versuchen die kommentare zu entkräften.

- Du brauchst ein Visum / Aufenthaltsgenehmigung über Touristenvisum hinaus?

naja in thailand um mal ein bsp zu nennen wird geschätzt das ca 10.000 westler illegal und ohne visa im lande sind... es wird theoretisch nicht tolleriert aber ohne geld ist es angeblich nicht möglich sie zurück zu schicken (warum auch immer)

- Was machst du bei medizinischen Problemen ohne Abdeckung durch eine Versicherung?

ist definitiv nicht von der hand zu weisen

- Überhaupt: was wird denn besser durch die Flucht ins Warme? Wieder Anschluss, Beschäftigung, Wohnung zu finden dürfte doch in der Heimat viel leichter sein (Muttersprache, dein Netzwerk, Hartz, Arbeitsamt, Jobvermittlung, etc)? Niedrige Lebenshaltungskosten im Warmen bringen dir ja gar nichts wenn du kein Geld mitbringst sondern lokal auf Arbeit oder gar Betteln angewiesen bist

also dazu lässt sich sagen, weniger gewalt an obdachlosen, man erfriert nicht, schwarzarbeit und betteln wäre leider auch in deutschland bei obdachlosigkeit angesagt trotz harz 4 etc. logo hat man ne arbeitsvermittlung etc, aber das gestaltet sich sicher recht schwer wenn man keine unterkunft hat, zumal viele arbeitgeber eine adresse incl telefonnummer (handy oder festnetz) verlangen welche nicht gerade eine notunterkunft ist....
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Sebi

« Antwort #5 am: 16. Februar 2022, 10:42 »
OK Gewalt an Obdachlosen ist ein ernstes Problem, keine Frage. Aber es ist (meines Wissens) auch nicht so, dass du nun permanent in akuter Bedrohung von Leib und Leben bist.

Und ist das hier überhaupt relevant? Ich meine. landest du überhaupt wirklich auf der Straße? Hättest du hier (im Gegensatz zu Thailand) nicht irgendwo Familie, Freunde, Bekannte wo du wenn du *wirklich* in Not bist zumindest vorübergehend unterkommen könntest?

Die halbe Welt beneidet uns um unsere sozialen Absicherungssysteme, und dann freiwillig darauf verzichten und in ein Land wo du nichts hast und dich ggf. sogar illegal aufhälst?

Also ich bleibe dabei, aus meiner Sicht macht das absolut Null komma Null Sinn.
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M.L2911

« Antwort #6 am: 16. Februar 2022, 13:14 »
OK Gewalt an Obdachlosen ist ein ernstes Problem, keine Frage. Aber es ist (meines Wissens) auch nicht so, dass du nun permanent in akuter Bedrohung von Leib und Leben bist.

Und ist das hier überhaupt relevant? Ich meine. landest du überhaupt wirklich auf der Straße? Hättest du hier (im Gegensatz zu Thailand) nicht irgendwo Familie, Freunde, Bekannte wo du wenn du *wirklich* in Not bist zumindest vorübergehend unterkommen könntest?

Die halbe Welt beneidet uns um unsere sozialen Absicherungssysteme, und dann freiwillig darauf verzichten und in ein Land wo du nichts hast und dich ggf. sogar illegal aufhälst?

Also ich bleibe dabei, aus meiner Sicht macht das absolut Null komma Null Sinn.

Als jemand der schon seit geraumer Zeit unterwegs ist, kann ich dem absolut zustimmen.

Heute wieder zig “westerner” am Strand gesehen die irgendwas z.b. Kuchen am Strand verkaufen. - Nein danke!

Grüße aus Goa!

P.S vllt ein bisschen zu Hippie für mich! Aber im Vergleich zu 2015 hat sich wenig bis garnichts verändert.
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Surfy

« Antwort #7 am: 18. Februar 2022, 10:42 »
Die Frage ist wirklich theoretisch. Ich denke bei einem Obdachlosen scheitert es schon oft an einem gültigen Ausweisdokument. Wurde geklaut, ist abgelaufen etc  - da stellt sich die luxusfrage wie "ins warme" schon mal nicht.

Wie will man denn da hinkommen? Ein Flug geht nicht ohne Dokumente und Ticket.. Die noch romantischere "Bahn" - diese kann man vielleicht mit stark ausländischem Touch als Asylant versuchen zu nutzen, als Europäer wird man da von der Bahnpolzei schnell entfernt.

Flixbus passt vielleicht noch ins Budget, aber eine Grenze darf man ohne Papiere auch nicht überqueren. Auch Hitchhiking ist als Obdachloser mit dem entsprechendem Aussehen - kein erfolgsversprechender Weg.

Ins warme kommen bedeutet in diesem fiktiven Fall also laufen oder radfahren - und sich über die Grenzen schleichen. Letzteres klappt innerhalb von Europa gut, ausserhalb sind Landesgrenzen oftmals wirklich überwacht - und die Abschiebung in die Heimat - gut, die würde immerhin zwangsweise zu neuen gültigen Dokumenten führen.

DH, ins Warme bedeutet Spanien, Südfrankreich, Italien, Kroatien. Dort kann man sich dann als deutscher abgerissener Obdachloser mit den engagierteren arbeitenden Asylsuchenden konkurrenzieren, dank der Sprachkenntnisse könnte man vielleicht in einem Hostel oder Campingplatz helfen. Ein Auswanderer der es gut mit Dir meint - kann Dir keine Schwarzarbeit anbieten und sich strafbar machen, dem Obdachlosen bleiben dann eher lokale Halsbschneider die den armen "ins Warme" reisenden bisschen ausbeuten werden.

So warm sind die genannten Länder im Winter auch wieder nicht, ausserhalb der touristischen Zeit im Sommer sind die Jobs mau - und man konkurrenziert sich  wieder mit den ausgebeuteten Asylsuchenden um die raren (und illegalen) Jobs in der Landwirtschaft.

Obdachlosigkeit ist ja oftmals ein Indiz - dass man sich nicht mit letzter Konsequenz im das Erwerbsleben bemühen konnte, da wird man unter harter Konkurrenz nicht gerade aufblühen..  Egal was man sich so aufbauen könnte, es ist illegal und auf Sand gebaut, kann jeden Moment zerfallen.

Wir haben doch hier einige "um die Welt radler" oder "mit dem Einkaufswagen nach Moskau" Wanderer - die können hier schnell Lichts ins dunkle bringen, ob der Frequenz von "Fahrzeug" und Dokumente-Kontrollen.

Im fiktiven Fall hört es sich danach an, dass der Protagonist hier noch wählen kann.

Natürlich - als jemand der hier noch wählen kann - dh doch noch Dokumente und ein paar Mäuse hat - stehen ein paar mehr Türen offen. 6 Monate konzentriert jobben / sparen und ohne viel Budget auf Weltreise zu gehen - klingt spannender als alles andere. Zelt, Gaskocher, saubere halbwegs herzeigbares Outfit - nach Asien/Südamerika/Afrika fliegen und ein "open end" Abenteuer starten, ab und an bisschen jobben für eine Dusche, gewaschen Kleidung - von Teigwaren ohne Sosse leben - ich bin auf mehrere solche Lebenskünstler getroffen, auf meinen (off-) Roadtrips.

Wenige die wirklich autark waren, aber es gab es. Viele die vielmehr liebevoll von den betuchteren Backpackern bisserl unterstützt wurden (durften mal mitessen, mal wurde für eine Nacht Hostels spendiert, oftmals als Gras-Kleindealer für Touristen unterwegs).

DH, gezielt ein Auslandsjahr machen - in einem Hostel als Barkeeper jobbern, ein Praktikum irgendwo, da kann man eine tolle Zeit und Erfahrungen fürs Leben ansammeln. Da kann man mehr draus machen, als nur "gammeln".

Wie auch immer: Die Opportunitätskosten des Reise oder Vagabunden-Lebens sind nicht ohne, wenn man anschliessend ein Leben mit Famillie, Kindern, Herzensprojekt, Karriere und annehmbarer Rente nicht ausschliessen oder schlechter aufstellen möchte. Das ist zumindest meine These und Beobachtung, die selber leider noch nie aufgegriffen und tiefer diskutiert wurde. In Zeiten von einem zumindest andiskutiertem "Grundeinkommen für alle", alternative Lebenskonzepte - ist dies vielleicht zu klassisch gesehen. Oftmals sind solche Protagonisten diejenigen, die absehbar nicht eine Rente erzielen werden, von denen man später autark leben könnte. Dies wird jedoch z.t. ausgeglichen durch eigene soziale Netze, Subkultur(en) - die auffangen, beschäftigung anbieten wie die Unterstützung beim Selbstanbau, Tauschökonomie etc.
Aber: irgendwann kommt bei jedem der letzte Lebensabschnitt, Pflege, OP`s, Reha und wieder Entlassung - dort landen dann viele in den sozialen Netzen in dem diese selber nie nennenswert eingezahlt haben - und sich irgendwie doch darauf verlassen haben dass sie worst case, auf Kosten der Gesellschaft leben können. Damit ist dieses Clientel dann doch etwas assozial, recht konträr zu dem meist sehr ausgeprägtem Selbstbild..

Surfy

Nocktem

« Antwort #8 am: 18. Februar 2022, 15:50 »
geiler text!
und ok dem ist nichts mehr entgegen zu setzen, gut durchdacht, danke!
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