So, hab hier auch noch etwas Senf herumliegen.
Eine interessante Perspektive ist die des Erwartungsdrucks. Von allen Seiten hört man immer wieder "Ach, toll, dass ihr das macht" oder "Alles richtig gemacht, ich bin total neidisch" etc. Ja natürlich ist es schon ein großer Schritt "nur" davon zu träumen oder zu sprechen und es dann tatsächlich in die Tat umzusetzen mit allen Konsequenzen, die es mit sich bringt. Und dazu gehört eben auch evtl Heimweh. Der Mensch ist ein Gewöhnungstier, bequem in seinem sozialen Umfeld und seiner Umgebung.
Mit 21 bin ich ohne Sprachkenntnisse für 6 Monate nach Mexiko, in die große Stadt. Damals noch um mir selbst zu beweisen, dass ich es kann. Danach kam die Erkenntnis, dass es doch verdammt viel Spaß macht im Ausland Erfahrungen zu sammeln und dass es nicht darum geht irgendwas irgendwem beweisen zu müssen, sondern einfach die Erfahrungen zu machen. Ein paar Jahre später als es für 7 Monate nach Südafrika ging, war ich total entspannt, keine Aufregung oder Anspannung, sondern einfach die Überzeugung "Das wird geil.". Und das war die beste Zeit meines Lebens. Nun heißt es aber 12 Monate aus dem Rucksack leben, nie so wirklich irgendwo ankommen und sich ein neues soziales Umfeld aufzubauen, wie es eben in Mexiko oder in RSA der Fall war. Ich habe beschlossen, mich einfach darauf einzulassen, nicht zu viel zu planen (was ich im aktuellen Job den ganzen Tag tue) und einfach zu schauen, was passiert und dem Reiseführer nicht allzu hörig zu sein. Buchstaben sind geduldig. Wissen ist Vorurteil. Erfahrung ist unschätzbar!
Dann sinkt auch der Erwartungsdruck. Der Erwartungsdruck an einen selber und was man erhofft zu finden, obwohl man oft nicht genau was man eigentlich sucht. Erleuchtung? Ruhe? Konzentration? Rückbesinnung? Werte? Schlußendlich geht es nicht darum, anderen zu zeigen, dass man eine tolle Zeit hat, sondern selbst zu genießen und zu erleben was man hat. Und dazu gehören in gewisser Art und Weise auch die negativen Seiten, wie Krankheit oder Probleme ganz gleicher Art. Das sind im Nachhinein oft die besten Geschichten.
Geburststag "feiern" in einem versifften Hotelzimmer in Bangkok und dabei vor sich her siechen, weil man sich den Tag zuvor eine fiese Magen-Darm-Grippe eingefangen hat. Mittags in einem laotischen Krankenhaus bei Stromausfall zu sitzen, weil einen Magenkrämpfe schütteln. Oder von einem Kräuterdoktor in Chiapas mit "magischen" Pflanzengewächsen geheilt zu werden. Nichstdestotrotz soll natürlich das Abenteuer nie über das leibliche Wohl und Wehe gestellt werden.
Psychohygiene heißt für mich auch, sich zu akklimatisieren, sich irgendwo es etwas heimisch zu machen. Ein Photo der Familie an die Wand zu hängen, Skype nutzen, um mit der Heimat zu sprechen. Mehrmals hintereinander zum gleichen Bäcker gehen, sich die heimischen Supermarktkassiererinnen (unschlagbar die Unfreundlichkeit oft erlebt v.a. in München) vorstellen. Vielleicht mal in einem ehrenamtlichen Projekt mitarbeiten, um sich auf das zu besinnen, was man eigentlich hat und wer man eigentlich ist. Oder einfach mal ein paar Tränen zulassen, um sich das Heimweh herauszuschwemmen.
Matzepeng