Thema: Kommunikation in Brasilien  (Gelesen 1633 mal)

pad

« am: 09. Januar 2016, 03:44 »
Liebe Brasilien-Experten
Ich hab noch gute sechs Wochen Brasilien vor mir und hab mir vorgenommen, etwas Portugiesisch zu lernen. Ich spreche bereits ziemlich gut Spanisch und natürlich auch Englisch.

Dank Spanisch und etwas Phantasie sowie bereits ein paar Stunden Portugiesisch-Lernen kann ich hier eigentlich das meiste lesen, zumindest wenn es irgendeinen Kontext gibt. Schriftlich sind sich die Sprachen ja recht ähnlich, aber bei der Aussprache wird es dann plötzlich ganz verschieden.

Nach über acht Monaten in SA, wo ich mich immer problemlos auf Spanisch unterhalten konnte, bin ich nun in einem Umfeld, wo ich die Leute beim Sprechen nicht mehr so wirklich verstehe. Das fühlt sich echt seltsam an. In Asien war es immer normal, Englisch zu sprechen (mal abgesehen von hallo, Danke, tschüss ...), und als Ausländer wird man im Tourismus-Kontext ja auch praktisch immer direkt auf Englisch angesprochen. Ganz anders hier. Es wird praktisch davon ausgegangen, dass man Portugiesisch kann. Das stört mich zwar nicht, ich fühl mich aber etwas doof.

Ich frage mich jetzt, was in Brasilien denn die beste Kommunikationsstrategie ist. Ich kann zwar im Hotel auf Portugiesisch einchecken oder mein Bier in der Bar bestellen, aber wenn es dann Rückfragen gibt, verstehe ich plötzlich nur noch Bahnhof (z.B. neulich im Supermarkt: Hast du schon unsere Kundenkarte, willst du dein Joghurt vielleicht in 12 Raten bezahlen  ;D). Andererseits finde ich es unhöflich, einfach auf Spanisch oder Englisch loszuquatschen. Wenn ich auf Portugiesisch starte, dauert's dafür manchmal ziemlich lange, bis mein Gesprächspartner merkt, dass ich ab der zweiten Frage den Faden verloren habe, und ich fühl mich wieder doof (hört mir der Typ eigentlich zu?).

Wie geht ihr das an? Erst auf Portugiesisch probieren, dann auf Portugiesisch sagen, dass man nicht's versteht und ob vielleicht Spanisch oder Englisch gesprochen wird? Oder direkt nach den Fremdsprachenkenntnissen fragen? Was sind eure Erfahrungen? Ich komme zwar zurecht, frag mich aber, wie man es am besten anstellt.

Ich habe schon gehört und gelesen, dass man es in Brasilien manchmal nicht besonders mag, wenn jemand auf Spanisch fragt oder antwortet. Andererseits ist klar, das Spanisch dennoch deutlich besser verstanden /gesprochen wird als Englisch.

Zum Portugiesisch-Lernen:
Ich kenne viele Lerntipps, Tools und Strategien, nutze Babbel und andere Online-Ressourcen. Verwirrt bin ich vor allem bezüglich der Aussprache, wo es wohl sehr grosse (regionale) Unterschiede gibt. Was sollte man denn nun lernen, damit man möglichst universal aufgestellt ist? Wenn man mehrere Lern-Ressourcen nutzt, kommt das Problem hinzu, dass ein Wort in Quelle A anders ausgesprochen wird als in Quelle B.

Kennt jemand ein gutes offline Wörterbuch (App) mit integrierter Aussprache? Habe für Spanisch und Englisch die PONS-App (mit Aussprache und Verbtabelle), bei Portugiesisch ist da leider kein Audiomaterial dabei.

Hat jemand vielleicht besondere Tipps zum Portugiesisch-Lernen für Leute mit Spanisch-Vorkenntnissen? Grösster Knackpunkt scheint mir die Aussprache und das Hörverständnis. Grammatik, Wortschatz und Lesen ist kein grosses Ding. Wie kommt man am schnellsten zu brauchbaren Resultaten? A1-A2 würden mir schon reichen.

Vielen Dank für eure Inputs.
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Vombatus

« Antwort #1 am: 09. Januar 2016, 05:41 »
Erstmal denke ich, dass sich niemand doof vorkommen muss, wenn er eine andere Sprache nicht versteht. Pad, ich glaube du sprichst halt einfach zu gut Spanisch und Englisch, hast dich an den "Luxus" und Vorteil gewöhnt und nun ist es für dich wieder wie am Anfang, bzw. wie für viele andere, die zum Beispiel gerade mal mit den Basics auskommen (müssen).

Schätze, mein Spanisch ist so wie dein Portugiesisch, nur sah oder sieht man mir vielleicht schneller an, dass ich ein Tourist bin. Unterm Strich wird es doch immer gut gefunden, wenn man versucht die Sprache zu sprechen. Irgendwie, mit Händen und Füßen geht es halt trotzdem.

Jemand, der daran gewöhnt ist zu kommunizieren, weiß gar nicht mehr welche Herausforderung es ist mit diesen Sprachbarrieren zu Reisen. Für mich gehört es mit zum Abenteuer. Eine andere Kultur, ein anderes Klima und eben eine andere Kommunikation. Aber natürlich ist es unbestritten ein Vorteil … ein Glück und Segen, eine andere Sprache zu können. Das ermöglicht ganz andere Möglichkeiten und Zugänge.

Du hast den Vorteil, dass du ins Spanische wechseln kannst. Ansonsten versuchst du es erst so gut wie möglich in "Brasilianisch" und viel Humor. Und wenn du gleich beim Anfang ein paar Fehler machst merken die auch, dass du Ausländer und noch nicht so fit mit der Sprache bist. Ich denke die Brasilianer finden einen Schweizer, der a bissl ihre Sprache spricht, zudem gutes Spanisch sehr cool.

Meine allererste Backpackerreise überhaupt war damals Brasilien. Bei den Vorbereitungen besuchte ich einen Portugiesischkurs und verstand nur Bahnhof, vor allem weil es sehr "verschult" war und es viel um Grammatik ging und zweitens weil die Lehrerin, eine alte Nonne ohne Zähne nur komische Laute von sich gab. Den Kurs schmiss ich ganz schnell. Dann kaufte ich mir damals (2005) eine Lern-CD. Brasilianisch in dem einen vorgesprochen wurde und ich nachsprechen konnte. Diese Zischlaute, ich brach beim nachsprechen vor Lachen zusammen. Da ging gar nichts. So bin ich nach Brasilien, Null Sprachkenntnis und mit einem kauderwelsch Buch, damit hab ich mich 6 Wochen lang durchgeschlagen. Mein erster Satz den ich konnte war "ich spreche kein Portugiesisch". Und wir wissen alle, das ist quasi die Aufforderung an jeden Gegenüber erstrecht darauf los zu quatschen.  ;D

Schon bald lernt man die Basics, mit denen man den Alltag bewältigen kann. So wie du sie jetzt schon längst kannst. Mehr ging nicht. Ich war zufrieden und Stolz auf mich, weil mir die Einheimisch sogar Komplimente für meine Aussprache machten und ich hatte keine Probleme eine Speisekarte zu lesen. Tiefere Gespräche waren natürlich nicht möglich, die war ich aber auch nicht gewöhnt. Ansonsten ging es halt mit Englisch weiter. Du hast zusätzlich die Wahl Spanisch zu sprechen.

Im Süden sehen die Brasilianer unter anderen ja auch noch recht europäisch aus, ich bin damals relativ schnell (hatte ja nicht viel Zeit) Richtung Norden. Dann wurde ich schnell als Gringo erkannt.

Vielleicht hilft dir das Buch "Kauderwelsch Brasilianisch". Keine Ahnung ob es das auch für dein Elektronikzeug gibt? https://www.reise-know-how.de/produkte/kauderwelsch-buch/brasilianisch-wort-fuer-wort-download-epub-43800
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n_rtw

« Antwort #2 am: 09. Januar 2016, 09:49 »
Mir ging es damals wie dir - sehr gutes spanisch und nach 9 Monaten immer einfach losquatschen ploetzlich nicht mehr richtig den Mund aufkriegen und kommunizieren koennen - und wie Vombatus schon schreibt, ist das echt ein Luxusproblem. Ich hab in meinen aber nur 4 Wochen dann den Fokus auf andere Backpacker kennenlernen gelegt - und in den Hostels in Brasilien waren auch immer viele Brasilianer, einige davon sprachen auch englisch. Nichtdestotrotz konnte ich nach ca 2 Wochen recht gut gesprochenes brasilianisch verstehen, nur sprechen ging halt nicht gut. Habe trotzdem immer aus Hoeflichkeit auf portugiesisch gefragt und wenn die Antwort zuviel portugiesisch war mich recht schnell bemerkbar gemacht und entschuldigt dass ich nix verstehe, sie bitte langsam oder englisch, deutsch, spanisch mit mir reden koennen. Lustig war, in Curitiba ist es mir gleich zwei Mal passiert dass die befragte Person dann deutsch mit mir redete - Nachfahren der deutschen Einwanderer. Waere ich laenger geblieben haett ich vielleicht nen paar Tage irgendwo nen Intensivkurs gemacht. Mir hilft das am besten um in eine Sprache reinzukommen - da kann man direkt nachfragen zu Aussprache etc.
Mit A1-A2 hast du dir ja schon ein recht anstaendiges Ziel gesetzt, das ist viel mehr als andere in einem ganzen Jahr Reisen im spanischsprachigen Suedamerika hinkriegen... Und du willst das fuer 2 Monate Brasilien? Statt viel zu Lernen wuerd ich einfach rausgehen, auf andere zugehen und erleben. Jeden Tag an dem du was nicht verstehst lernst du dazu, einfach so und hast auch noch ne gute Zeit.
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pad

« Antwort #3 am: 09. Januar 2016, 12:16 »
Vielen Dank für eure Antworten! Klar, es ist absolut ein Luxusproblem. Ich komme gut zurecht, stell mir eben einfach die Frage, wie ich es besser machen könnte. Es fuchst mich hier viel mehr als z.B. in China oder Japan, wo von vornherein klar ist, dass man in einer mehrwöchigen Reise nicht ernsthaft in die Sprache einsteigen kann.

Wahrscheinlich brauche ich jetzt einfach ein wenig Zeit, mich damit abzufinden, dass die Kommunikationsmöglichkeiten nun etwas eingeschränkt sind. Nichtsdestotrotz will ich meine Sprachkenntnisse hier ausbauen - das Lernen direkt im Reisekontext macht mir Spass und erscheint deutlich sinnvoller als zu Hause ohne reale Anwendungsmöglichkeit.

Da ich später beruflich ggf. die Möglichkeit hätte, für meinen Arbeitgeber eine gewisse Zeit in Brasilien (Joinville) zu arbeiten, sehe ich das Ganze auch noch in diesem Zusammenhang. Ich hab noch keine Ahnung, ob ich darauf wirklich Lust habe, möchte es aber noch ein wenig besser ausloten. Sollte es mir überhaupt nicht zusagen, hätte ich auch so mit den Kollegen in Brasilien immer mal wieder Kontakt. Die können zwar alle Englisch, dennoch wäre es natürlich toll, etwas besser Portugiesisch zu sprechen.

Zudem reizt es mich, seitdem ich mich mit Spanisch einigermassen sattelfest fühle, deutlich mehr, auch Sprachen wie Italienisch, Portugiesisch und sogar das aus der Schulzeit eher ungeliebte Französisch wieder in Angriff zu nehmen. Ich merke, dass dies nun deutlich einfacher klappen würde und habe auch das Selbstvertrauen und die Gewissheit, ohne Lehrer und starres Klassensetting auf eigene Faust Fortschritte zu erzielen.

Falls es noch mehr Meinungen und Tipps gibt, nur her damit!
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arivei

« Antwort #4 am: 09. Januar 2016, 12:42 »
Ich finde portugiesisch ist eine wunderschöne Sprache! In Südamerika war Brasilien unser erstes Reiseziel. Ich kann sehr gut Spanisch und hatte an der Uni auch 1 Semester portugiesisch (allerdings bei einer Portugiesin) - und trotzdem war auch für mich die ersten 2 Wochen das Verstehen echt schwer.

Die wichtigsten Ausspracheregeln, die man mit guten Spanischkenntnissen m.M. für das Verständnis braucht sind die für s, x und z - die alle je nach Stellung im Wort wie eine Art 'sch' (stimmhaft oder stimmlos - aber das ist erstmal nicht so wichtig) oder wir s oder ss ausgesprochen werden. Wenn man das halbwegs durchschaut hat, klappt das Verstehen schon sehr viel besser. G und C laufen wie im Spanischen.
Dann muss man sich noch klarmachen, dass teilweise ganze Silben oder Vokale verschluckt werden - Fantasie hilft also :)

Da du ja schon ein bisschen vorgelernt hast, denke ich 3-4 Stunden Unterricht für die Aussprache werden dich schon sehr viel weiterbringen.

Ansonsten kann ich keine Strategie empfehlen - aber es auf Portugiesisch zu probieren kommt immer gut an.
 

n_rtw

« Antwort #5 am: 09. Januar 2016, 12:44 »
Mit dem Hintergrund Arbeit waer meine Motivation auch hoeher. Und ja, es ist auch ne interessante Sprache. Das mit Franzoesisch solltest du unbedingt machen. War nun mit meinem sehr guten Spanisch aber fast 17 Jahren raus aus der Schule und damit Franzoesisch nun im Sommer in Frankreich (rumreisen und einfach so sprechen mit Freunden) und ich war erstaunt wie gut es ging. Kann inzwischen auch erstmals Buecher in franzoesisch lesen und hab weniger Hemmungen einfach drauf loszusprechen. Verstehe und werde verstanden, und es ist gar nicht so falsch grammatikalisch. Also wenn du da die Basis aus der Schule hast, wuerde ich Franzoesisch auf jeden Fall "mitnehmen". Viel Spass noch beim portugiesisch lernen.
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Degna

« Antwort #6 am: 12. Januar 2016, 18:24 »
Hey pad,
meiner Meinung nach kann man eine Sprache immer noch am besten mit Buch und Cd lernen.
Sprachkurse sind nicht so mein Ding,da man da immer auf Leute mit verschiedenem Anfangswissen findet und für einen persönlich ist das tempo dann zu rasant,oder zu langweilig.

Ich habe vor über 30J in Portugal gelebt und eine Engländerin hat mir eine Kassette und ein Buch geschenkt. Damit konnte ich mich nach kurzer Zeit schon ganz gut verständigen. Zusätzlich hatte ich die Sprachmelodie den ganzen tag im Ohr.

Jetzt in Brasilien fand ich es schon schwierig,da ich den südportugiesichen Sound drauf habe und das brasilianisch mehr portugiesisch mit spanischer Aussprache ist.ich verstand zwar die anderen,aber die mich nicht so.
Wenn du gut spanisch kannst (was ich überhaupt nicht spreche) bist du mit Buch und Cd schnell drin.

Tja,und im Süden ist deutsch ja die 2. Sprache. habe in Blumenau und Pomerode viel deutsch gesprochen.

lg Claudia
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J-Meistro

« Antwort #7 am: 20. Januar 2016, 02:03 »
Also mir ging es anfangs genauso.

Es hängt sehr stark davon ab wo du bist. Im Süden wo alle deutsche und italienische Wurzeln haben, sprechen sie sehr deutlich.

Ich kann dir duolingo empfehlen da habe ich viel gelernt. Als Wörterbuch lade dir doch bei dict.cc die Portuguese Vokabeln herunter. Es gibt mehr als 50000!!

Sonst ist es nicht so einfach brasilianisches portugiesisch zu finden. Da die Aussprache und Grammatik unterschiedlich zu Portugal ist.

Wenn du erst portugiesisch startest und danach auf spanisch oder englisch wechselst nimmt dir das niemand krumm. Besonders spanisch können relativ viele verstehen, aber nur im Verhältnis wenige sprechen.

Noch mehr Lerntipps habe ich auf meinen Blog hier http://backpacker-blog.org/9-schritte-portugiesisch-lernen-fuer-brasilien/ geschrieben.

p.s. Ich hoffe das mit dem Link ist okay
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