Weltreise-Forum

Weltreisen und Langzeitreisen => Gefühlswelt => Thema gestartet von: Vombatus am 28. August 2011, 18:57

Titel: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Vombatus am 28. August 2011, 18:57
Würde gerne von euch erfahren wie ihr mit dem Thema Armut auf euren Reisen umgeht.

Je nach Land trifft man auf mehr oder weniger Armut. In einigen Touristenzentren begegnet man
besonders viele Kinder, Alte und Behinderte die betteln oder Dinge, Früchte, Kleinkram verkaufen.

Im zunehmenden Maße empfinde ich die sichtbare Armut als belastend. Besonders die Kinder gehen MIR
besonders ans Herz ... Ich hatte schon eine Reihe an schlimmen Momenten.
Jetzt kann man ja nicht allen helfen und eigentlich sollte man betteln auch nicht unterstützen. Immer nein zu sagen ist aber auch hart.

Beschäftigt ihr euch schon vor der Reise mit dem Thema?
Spielt es vielleicht bei eurer Routenwahl eine Rolle? 

Welche Erfahrungen habt/hattet ihr während eurer Reise?
Wie geht ihr damit um, wie setzt ihr euch damit auseinander?
Die Mehrzahl wird ja nicht freiwilligenarbeit leisten.
(wie) Versucht ihr zu helfen?

Inwieweit beschäftigt euch das Thema noch nach der Reise?
Habt ihr Patenschaften oder spendet ihr Geld ... etc.?
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Jens am 28. August 2011, 20:01
Ja das ist schon ein hartes Thema! Ich war oft in Afrika unterwegs und hab da viele hungernde Menschen gesehen und vor allem fand ich es auch sehr hart was zu essen, wenn um dich 40 Leute mit Kohldampf neben dir stehen. Klar ist, dass du nicht allen helfen kannst, auch nicht allen Kindern. Ich habe versucht die Kleinen immer mal was zu geben und dabei musste ich noch aufpassen, dass es die Alten den Kleinen nicht weggenommen haben. Ja es ist hart, aber ich/du/wir Traveler konnen nicht jedem helfen und leider ist das so. In Malawi bin ich mal durf ein Dorf gelaufen (8 Personen, 6 Hühner und eun Hund) und die Oma lag da und war schwer krank, ich würde sagen die nächsten Tage hat sie nicht mehr überlebt. Da sprach mich ein Bewohner an um ihm Geld für Medizin zu geben! Im Umkreis von 100 km gab es da keine Stadt/Aphotheke - was soll ich sagen ich habe ihm nichts gegeben - es wäre eh nicht bei der Oma ngekommen, sondern im Schnapsladen an der Ecke. In Johannesburg habe ich Bettler an Autokreuzungen gesehen, die haben dann mal 5 Rand bekommen und waren glücklich. Bei Kindern bin ich sehr, sehr zögerlich, lieber gebe ich ihnen mein Essen, den Geld macht kein Sinn.
Ich denke, dass der Reisende sich vorher schon mit dem Thema beschäftigen sollte, da er sonst schnell eine große Krise bekommen kann. Und wie schon gesagt, allen kann ein Einzelner nicht helfen.
Was kann ein Reisender machen? Ich versuche immer bei Einheimischen was zu kaufen und die damit zu unterstützen, das ist dann auch für ihr Selbstwertgefühl besser und gleichzeitig lernt er, dass es sich lohnt was zu machen als nur zu betteln!
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: AmyVega am 28. August 2011, 20:55
@Jens
Also so wie Du das machst, mache ich das auch meistens.
Ich gebe gerne Geld an Schulen, Kinderheimen oder auch schon mal in einem Altenheim (Soweto). Da denke ich das es sinnvoll eingesetzt wird.
Bei den Kindern bin ich auch immer vorsichtig, weil die es meistens nicht behalten dürfen und irgentwo schon ein Erwachsener darauf wartet. Also auch lieber etwas zum Essen geben. Obwohl ich schon einmal erlebt habe das die kein Essen annehmen, die wollen Knete aber bei mir nicht!

AmyVega
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Jens am 28. August 2011, 20:58
Bin ja noch nicht ein Jahr am Stück weg gewesen, aber bei so 6 Wochen Urlaub habe ich auch immer Werbekulis mitgenommen und die an die Kids verteilt, da waren die auch immer super scharf drauf! Weil sie einfach kein Geld haben um Stifte zu kaufen. Papier würden sie auch gerne nehmen, aber das passt bei mir nicht in dern Rucksack  :-\
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Bella am 28. August 2011, 22:22
Ich finde, dass die von Vombatus schon erwähnten Patenschaften ein guter Weg sind. Klar, sie sind ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man das Gesamtbild sieht, aber dafür kann man damit definitiv einem Menschen helfen. Klar, es ist "nur" einer, aber es ist ein ganzes Leben, das dahinter steht, was sich meist auch noch auf die Familienangehörigen und späteren Kinder auswirkt und bevor ich versuche, allen ein mini-kleines bisschen zu helfen, z.B. ihm eine von 100.000 Mahlzeiten in seinem Leben schenke, finde ich es sinnvoller EINER Person wirklich eine große Änderung zu ermöglichen.

Natürlich heißt das nicht, dass man kein Essen geben soll oder so, das finde ich auch besser als Geld zu geben, was irgendwo versackt. Aber das Gefühl, wenigstens ein klitzekleines bisschen tun zu können, habe ich halt eher bei einer Patenschaft.

Ob ich Leuten Geld gebe, hängt immer ein bisschen von der Situation ab. Eigentlich denke ich wie gesagt, man spendet besser z.B. an Organisationen, die das Geld dann hoffentlich etwas nachhaltiger einsetzen, aber manchmal halte ich es auch einfach nicht aus und gebe einfach was. Immerhin müssen die Leute manchmal einfach den nächsten Tag überstehen und können nicht darauf warten, dass irgendeine Organisation daher kommt und ihnen hilft.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: dirtsA am 29. August 2011, 09:24
Ein sehr schwieriges Thema.... Am schlimmsten war für mich Inwa (Myanmar), wo wir von bettelnden Kindern verfolgt wurden, die einen umzingelten und nicht mehr los ließen. :( Trotzdem würde ich Kindern nie etwas geben, nicht mal Kugelschreiber @ Jens. Ich habe schön gehört, dass auch diese abgegeben werden müssen und/oder weiterverkauft werden.

Am besten ist wohl wirklich ich gebe einem Kind direkt was zu essen, sehe auch, wie es neben mir gegessen wird und kann so kontrollieren, dass es wirklich dem Kind zu Gute kommt.

Dass man keine Süßigkeiten verschenken sollte, weiß ja inzwischen hoffentlich jeder...  ::)

Ich finde es gut, für die Kinder eine Kleinigkeit zum Spielen mit zu haben, z.B. ein paar Luftballons, die man dann gemeinsam aufbläst und mit Edding Stiften bemalt... Da zaubert man für kurze Zeit ein Lächeln ins Kindergesicht. :)

Ansonsten sind Spenden an Organisationen / Patenschaften wohl immer am besten. Oder man lernt eine Familie zufällig besser kennen und weiß genau, was benötigt wird, und kann an einer ganz bestimmten Stelle aushelfen. Aber so beim "Vorbeigehen" würde ich immer nur alten/kranken Leuten etwas geben - die haben oft niemanden mehr und sind auf die Einkünfte vom Betteln angewiesen.

Ich finde es aber grundsätzlich sehr schwierig, "nein" zu sagen und mit so einer Situation umzugehen.  :-\
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Jens am 29. August 2011, 09:52
nicht mal Kugelschreiber @ Jens. Ich habe schön gehört, dass auch diese abgegeben werden müssen und/oder weiterverkauft werden.

Da hast du nicht unrecht, das habe ich einmal erlebt wie jemand dem Kind das wegnehmen wollte, aber da hab ich dem was gesagt. Ich habe auch schon mal erlebt wie ein Erwachsener dem Kind das Brot wegnehmen wollte, der hat dann auch was zu hören bekommen.

Die Kulis habe ich auch meistens heimlich den Kindern zugesteckt, oder vor einer Schule verteilt ;) , aber daran kann jeder sehen wie sich Armut auswirkt, wenn die Kinder schon so behandelt werden. >:( :-\ :'(
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: little_earthquake am 29. August 2011, 12:54
mir hat mal jemand gesagt dass kugelschreiber schon eine zweitwährung ist in afrika. je bunter umso begehrter.

ich weiß auch nicht so recht mit armut umzugehen und ich weiß auch nicht wie ich mich da auf reisen dann verhalten soll. man wird wohl unweigerlich irgendwann damit konfrontiert.

ich weiß man sollte kinderbettelei nicht unterstützen aber ich weiß auch nicht ob man kindern was gutes wenn man ihnen nichts gibt. meist werden sie dann verprügelt oder anders bestraft weil sie nichts ergattert haben. ich glaube das ist noch schlimmer, da dann oft das selbstwertgefühl des kindes noch mehr drunter leidet. die kleinen sind ja nicht doof. kein erfolg bedeutet kein lob/ essen von den eltern/ anderen Erwachsenen. ich glaube nämlich nicht dass diese den schluss drauß ziehen dass kinder bettelei nix bringt, wenn die kleinen mit leeren händen heim kommen, sondern die reden sich ein dass kind gibt sich nicht genug mühe, weil sonst hat es ja auch geklappt.
und naja wer nix erbettelt fängt früher oder später mit taschendiebstahl an..
und das mit dem essen ausgeben ist auch prinzipiell gut aber viele kinder bekommen auch ein schlechtes gewissen, wenn sie etwas essen dürfen, aber ihre familie hungert. sie wollen von sich aus gern was abgeben und laufen lieber mit dem brot davon.

schweres thema, bei dem es kein richtig oder falsch gibt.

ich denke halt auch man sollte die wirtschaft dort etwas unterstützen. wenn irgendwas handgearbeitetes angeboten wird dann dort kaufen statt in einem souvenirshop. hin und wieder etwas kleingeld verschenken, auch wenn es nur ein bisschen ist. es wird helfen, so oder so.

ich denke da kommt auf einige von uns noch viel grübelei und schlechtes gewissen drauf zu, aber man kann nicht allen helfen. leider  :-\
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: dirtsA am 29. August 2011, 13:42
@ little_earthquake: du weißt aber schon, dass Kinder oft gezwungen werden, die Schule zu schwänzen, damit sie betteln gehen können!? Bzw. die älteren das selbst so entscheiden, weil sie halt nur kurzfristig denken und Betteln schneller Erfolg bringt, als Lernen.

Also NEIN, Kindern sollte man meiner Meinung nach auf gar keinen Fall etwas geben, das sie nicht sofort nur selbst nützen! Da bringt Unterstützung von Schulen und anderen gemeinnützigen Einrichtungen eindeutig mehr!!

Ich werde auch schauen, dass ich hier und da mal Englisch unterrichten kann, oder direkt bei einer Schule vorbeifahren und ein paar Hefte/Kugelschreiber etc. abgeben.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Maggus am 29. August 2011, 14:13
Hallo zusammen,

sehr unterschiedliche Erfahrungen habe ich in Bezug auf Armut während meiner Touren gemacht. Zu Trennen sind einmal offensichtliche Armut und Notsituationen sowie organisierte Bettelei und TouristenNepp.
Darüber hinaus konnte ich ein bisschen hinter die Kulissen einer "Wolhtätigkeits-NGO" gucken... au weia!

Nahrung und auch Medikamente aus meiner Reiseapotheke habe ich gerne verschenkt. Unmittelbare Hilfe ist selbstverständlich. Ein brasilianischer Junge dem ich am Busbahnhof kein Geld gab, freute sich umso mehr über ein spendiertes Abendessen, die Tochter einer Nachbarin in Bissau wurde durch die Elektrolyt-Lösung und meine Tabletten wieder gesund.

Mit den Märkten ist es etwas anderes: Fisch direkt vom Boot oder Gemüse vom Markt - kein Problem und immer gerne, das braucht man täglich. In den Touristengegenden haben jedoch Souvenirläden ihr standartisiertes Sortiment auf den Geschmack des 2Wochen Urlaubers ausgerichtet. KrimsKrams jener Art wird dann in die Kategorie Ballast fallen. Wie vermittelt man nun den geschäftstüchtigen VerkäuferInnen (Hello my friend...), dass man nichts kaufen will?? Kurz gucken, Lächeln und sagen, dass ich keine Verwendung für diese Waren habe - obwohl sie natürlich seeehrr schön sind - also werden sie sicher an einen anderen verkauft werden...und weitergehen.

Und noch krasser sind die Möchtgern-Guides, die ihre Dienste anbieten möchten. In Dakar gleicht ein Spaziergang in der Nähe der Hotels einem Spießrutenlauf. Volle Deckung! Sie verfolgen einen aber auch gerne kilometerweit durch die Stadt. Erst auf die nette Tour...wenn man sich darauf einläßt geht die große Diskussion los. Einmal hat einer doch tatsächlich einen ganzen Nachmittag gegenüber dem Hotel auf dem Bürgersteig gewartet um mich abzupassen. Bin zum Lieferanteneingang hinaus. Nix wie weg von diesen Typen! Dazu braucht es eine Portion Souveränität im Auftreten und ein bisschen Improvisationsvermögen. Schlagfertigkeit empfiehlt sich nur verbal - die Freaks haben unbegrenzt Zeit und irgendwann sind die in der Überzahl...

Die NGOs, die in vielen Ländern der Welt grundlegende soziale Funktionen (Krankenversorgung, Bildung, Infrastruktur usw.) übernehmen ist zunächst nicht genug zu danken, da die lokalen Machthaber ein anderes Verständnis von verantwortungsvollem Umgang mit Bürgern haben. Diese finanzieren sich durch Spenden aus privater und öffentlicher Hand (Fundraising). Schätzungen zu Folge werden ca. 60% der Mittel für Verwaltung Logistik und Organisation global ausgegeben, nur ca. 40% landen in den Projekten lokal.

Deswegen: Lieber gebe ich direkt Arbeit als Almosen: Vor allen Dingen an Handwerker - Aus diesem Grund bin ich jeden Tag morgens in Afrika zum Schuhputzer gegangen, meine Klamotten bei der lokalen Nähstube und meine Schuhe beim Schuster reparieren lassen. Lebensmittel kaufe ich beim "Tante Emma Laden" und übernachte lieber in der familiär geführten Pension als im Hotel. Bin oft mit lokalen Guides los, jeweils mehrtägig Programme ausgemacht. Alles zu verhandelbaren Preisen (vorher Leute des Vertrauens fragen) aber 20% Fremdenaufschlag war sicher noch dabei. Aber ok, so lange keine Mondpreise bezahlt werden.

Soweit,
Beste Grüße,
Maggus
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Stecki am 29. August 2011, 16:06
Genau die Tatsache dass ich nicht jedem helfen kann und der Strom der Bettler nicht abreissen würde bewegt mich dazu auf der Strasse eher nichts zu geben. Wenn mir jemand etwas zeigt oder eitwas darbietet lasse ich mich manchmal dazu hinreissen. Dafür gebe ich ab und zu etwas in einen Charity Fund (wie vor 2 Tagen im Hostel) oder an die als Clowns verkleidete Gruppe die die in Costa Rica Kinderspitäler besuchten. Auch haben wir schon Lebensmittel persönlich ins Waisenhaus gebracht (Kambodscha). Ich finde das hilft mehr.

Das man die Dienste des lokalen Gewerbes beanspruchen sollte versteht sich eigentlich von selbts. Natürlich gibt es immer Ausnahmen.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Flynn am 29. August 2011, 18:02
Also wir haben in Indien auf die harte Tour gelernt mit dem Thema umzugehen. Wir geben grundsätzlich kein Geld an irgendwelche Leute - das schließt auch und ganz besonders Kinder ein. In Indien sind wir darauf umgestiegen Orangen an Kids zu verteilen und waren stolz wie Lumpi als die Kids diese dann auch vor unseren Augen im Bahnhof verspeisten. Vitamine sind so viel wertvoller für diese armen Schlucker als jeder Rupien-Schein.

Ich emfand Indien von der "gefühlten Armut" her als Alptraum, aber auch in Südost-Asien gabs eine Menge Bettelei. Der Unterschied war, dass es in Thailand, Kambodscha (komischerweise hatten wir keine Bettler in Laos) und Vietnam eher die gesunden Kids waren die uns angehauen haben. Die hatten zu Essen, gute Kleidung und da ging es nur um die Aufbesserungs des Taschengeldes. Wer wills ihnen verdenken? Schließlich bin ich als 10 jähriger auch nur Messdiener geworden weils Geld dafür gab :D

Kugelschreiber, Papier & Co würde ich persönlich auch nur an Schulen ausgeben. Wir haben die klassische Situation dieser "Ersatzwährung" auch schon hinter uns: "Hast du nen Kulli?" "Nein, tut mir Leid." "...möchtest du einen kaufen?" :(

Am Besten ist den Menschen gedient wenn Hilfe zur Selbsthilfe stattfindet. Es bringt genauso wenig ein Haus durch die Bundeswehr graben zu lassen wie direkt als Tourist Geld zu verteilen. Wer helfen will muss lokal investieren (Wäsche waschen beim Geschäft nebenan, lokal Übernachten, einheimisch Essen, etc.). Das sind die Leute die letztendlich Menschen von der Straße holen und Wohlstand schaffen. Es ist nicht der Tourist der Geld für die Allgemeinheit sinnvoll verteilt (es sind die Menschen in der Gesellschaft selbst) - im Gegenteil wir schaffen dadurch eine Abhängigkeit die extrem gefährlich für eine Gesellschaft und Wirtschaft wird. Zu beobachten ist das auch in Afrika wo wir Europäer den Markt gutgläubig mit unseren Tiefkühlhänchen überschwemmen um den Hunger zu stillen - dabei bleiben jedoch die lokalen Farmer auf der Strecke und letztendlich macht sowas die Hungersnöte noch weitaus größer :(

Mit NGOs kann man gezielter helfen und politischer Druck (in welcher Form auch immer) ist Gold wert. Hand aufs Herz, hätten die meisten Menschen auf diesem Planeten ein wirkliches Interesse am Auslöschen von Hunger auf der Welt wäre es durchaus machbar. Derzeit schauen wir uns doch alle lieber die tagesschau mit den Bildern aus Somalia an und wenn wir gut drauf sind spenden wir noch etwas für den guten Zweck um unser Gewissen zu beruhigen. Aber wer arbeitet denn schon ehrenamtlich oder schreibt mal einen Brief oder organisiert gar eine öffentliche Diskussion im Rathaus? Wir brauchen bloss an die europäischen Enklaven in Afrika zu denken - sowas existiert nur deshalb weil wir alle nicht dagegen aufbegehren und uns vor unangenehmen Fragen lieber wegducken. Aktionen, Arbeit und Fragen sind die Dinge die mehr bringen als Geld - denn Geld kann nur mit dem Willen zusammen wirklich sinnvoll investiert werden.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: little_earthquake am 29. August 2011, 18:49
Zitat
@ little_earthquake: du weißt aber schon, dass Kinder oft gezwungen werden, die Schule zu schwänzen, damit sie betteln gehen können!? Bzw. die älteren das selbst so entscheiden, weil sie halt nur kurzfristig denken und Betteln schneller Erfolg bringt, als Lernen.

ich meine eigentlich eher kinder die nicht zur schule gehn weil es sich die eltern nicht leisten können oder es keine schulen gibt.

ich sage auch nicht prinzipiell dass man ihnen was geben sollte aber es ist eben nicht schwarz und weiß, sondern man muss situationsabhängig entscheiden. wie gesagt es ist nix richtig oder falsch.

das mit den orangen find ich klasse.  :) gute idee.

nach afrika werd ich zum beispiel ein paar ausrangierte kleidungsstücke mitnehmen und sie verschenken, da die spenden in der altkleidersammlung da unten sowieso nie ankommen. und ich nehm noch einige kleine kuscheltiere mit zum verschenken. was eben reinpasst. ist ja meine erste station :)
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Stecki am 07. Oktober 2011, 17:05
Ich hatte gestern ein kurzes aber irgendwie bewegendes Erlebnis. Innert 1 Minute hatte ich gleich 2 Menschen ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.

Als ich morgens um 3:00 in Santiago den Hunger auf dem Heimweg verspürte machte ich in einen kurzen Zwischenhalt in einer Pommesbude. Da die Portionen riesig waren hatte der Typ neben mir die Hälfte stehen lassen. Nach einer Weile setzte sich ein ziemlich heruntergekommener Strassenverkäufer neben mich und tat so als wären es seine Pommes. Ich lachte ihn an und drückte ihm meine Ketchuptüten in die Hand. Und schon war einer glücklich. Ich war auch satt und da ich auch noch rund die Hälfte hatte drückte ich die einem Obdachlosen in die Hand. Dieser stand auf schüttelte mir die Hand und bedankte sich überglücklich.

Ich wollte damit eigentlich darauf hinweisen dass man nicht immer nur Geld geben oder was kaufen muss, oft machen die Dinge die man eigentlich wegschmeissen würde jemand anderen glücklich (oder zumindest satt). Also, denkt doch einfach daran bevor Ihr das nächste Mal euer halbes Sandwich oder die Kekse die halt doch nicht so lecker waren in die Tonne schmeisst.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: White Fox am 08. Oktober 2011, 02:07
nicht mal Kugelschreiber @ Jens. Ich habe schön gehört, dass auch diese abgegeben werden müssen und/oder weiterverkauft werden.


Stimmt! Zur Info: In Indien ist es mittlerweile gängige Praxis das Kinder um Stifte bettlen und diese dann weiter verkaufen. Die haben halt auch mitgekommen, dass in jedem Reiseführer drinsteht, dass man den Kindern wenn dann nur Stifte/Bücher geben soll. Es ist da eine ganze "Industrie" entstanden, wo Kinder um Stifte betteln, der Tourist diese in einen Laden kauft, den Stift an das Kind gibt und das Kind gibt den Stift an den Laden zurück, der erbettelte "Gewinn" wird geteilt. So kann ein Stift zig mal verkauft werden.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: dommel24 am 08. Oktober 2011, 06:13
Also ich finde, die bereits angesprochenen Patenschaften am besten. Ist zwar auch nur ein tropfen auf den heißen Stein, aber dafür wesentlich nachhaltiger als alles was man einem Bettler geben kann. Das schlechte Gefühl bleibt zwar, wenn jemand bettelt, aber hier sehe ich auch die einzelnen Gesellschaften in der Pflicht.

Hier zwei Adressen zu Organisationen, die nicht konfessionell gebunden sind und Patenschaften anbieten. Kostet knapp 30 EUR im Monat, was vielleicht auf den ersten Blick viel erscheint, aber weniger als ein Reise-Tagesbudget oder ein Kneipenabend darstellt.


http://www.plan-deutschland.de

http://www.sos-kinderdoerfer.de/patenschaft
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Bobsch am 12. Oktober 2011, 00:50
@stecki: Top! Das ist doch noch die beste Art Menschen glücklich zu machen :-)

Wir sind ab November 3 Monate in SOA unterwegs (zeitweise zu dritt) und haben uns überlegt evtl. anstatt kullis Malkreide mitzunehmen. Dafür haben die Kinder wohl mehr Malflächen und als zweitwährung wohl eher nicht zu gebrauchen.

Was meint ihr?
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: tunfaire am 31. Oktober 2011, 08:41
Ich muss leider sagen, dass ich das gruendlich anders empfinde.

Nun bin ich seit 3 Wochen in Nepal und Indien und kann nur sagen, dass ich es absolut unpassend finde, hier zu sein.

Ich versteh auch nicht mehr so recht, wie sich hier so viele Touris wohl fuehlen koennen und den Dreck, die Armut und die Perspektivlosigkeit, in der die Menschen hier leben, als unvermeidliches Nebenelement akzeptieren koennen.

Fuer mich ueberlagern diese Dinge alles andere gruendlich und was ich von hier mitnehme, ist  Demut und Dankbarkeit fuer das Leben, was ich in Deutschland habe.

Spenden und Helfen ist eine gute Sache und einzelne Menschen werden sicherlich davon profitieren. Es hat aber ein bisschen den bitteren Beigeschmack eines Pfaustpfandes - sich durch Geld und gute Taten bemaechtigt zu fuehlen, hier trotz der Armut und des Leides Spass haben zu duerfen.

Was das "Richtige" ist, weiss ich nicht. Fuer mich fuehlt es sich nur einfach sehr falsch an, hier zu sein und den Menschen meinen Reichtum unter die Nase zu reiben.

Ohne Tourismus waere Indien sicher noch aermer, ja. Aber vielleicht wuerden die Inder sich dafuer dann auch einen Rest Stolz bewahren koennen und sich langsam entwickeln, anstatt auf erbaermliche Art dem bisschen Kohle hinterherzuhecheln, die ihnen reiche Auslander zuwerfen.




Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: dommel24 am 31. Oktober 2011, 09:09
In Indien ist die Armut wesentlich krasser und offensichtlicher als in den meisten anderen asiatischen Ländern. Falls du allerdings nicht als Tourist da wärst, würde die Armut trotzdem weiter bestehen. Von daher muss man als Tourist in Indien die Armut wohl akzeptieren.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Nausikaa am 31. Oktober 2011, 15:01
Ich wollte damit eigentlich darauf hinweisen dass man nicht immer nur Geld geben oder was kaufen muss, oft machen die Dinge die man eigentlich wegschmeissen würde jemand anderen glücklich (oder zumindest satt). Also, denkt doch einfach daran bevor Ihr das nächste Mal euer halbes Sandwich oder die Kekse die halt doch nicht so lecker waren in die Tonne schmeisst.

Find ich super und mach ich auch immer so, sofern es geht. Allerdings ist es mir auch schon passiert, dass gutes Essen schlicht abgelehnt wurde, weil die Leute nur Geld haben wollten. Sowas hat ja weiter oben auch schon mal jemand berichtet. Ich bin während der letzten Reise deswegen dazu übergegangen, übrig gebliebenes Essen wenn möglich an unauffälligen Ecken (will ja nicht rumsauen) auf den Boden zu legen - es gibt IMMER ein hungriges Tier, dass sich über den Rest meiner Kartoffelbällchen oder das knorpelige Fleisch freut.

Ich möchte an dieser Stelle mal auf einen Zusammenschluss von Tuktuk-Fahrern in Siem Reap, Kambodscha, hinweisen, die einen Teil ihres Lohns in den Bau und Unterhalt von lokalen Schulen rund um Siem Reap investieren: http://www.tuktukforpeace.blogspot.com/

Diese Organisation ist von Sim Sao ins Leben gerufen worden, einem unheimlich netten und lustigen Kerl, der selbst auf eine bewegte Vergangenheit als Kindersoldat unter den Roten Khmer und anschließendem Rückzug ins Kloster für zehn Jahre zurückblickt. Ich bin zwei Mal mit ihm in Angkor gewesen und habe 15 Dollar pro Tag bezahlt, von denen zwei ins Schulprojekt fließen. Es gibt auch die Möglichkeit, die Projekte durch konkrete Sachspenden wie Schulblöcke usw. zu unterstützen. Ein paar Freunde von mir haben das gemacht und das Zeugs auch selbst mit ihm hingebracht. Dabei haben sie auch seine große Familie kennengelernt - er hat nämlich selbst drei Waisenkinder aufgenommen, um ihnen eine Schulbildung zu ermöglichen.

Ich hoffe, in Zukunft noch oft auf vergleichbare Projekte zu stoßen, für die ich gerne ein paar Dollar mehr bezahle. Ich lass mich nicht gerne über den Tisch ziehen, aber bewusst etwas mehr geben muss für mich manchmal drin sein. Wie meine Reisepartnerin im Juni 2011 im touristenleeren Ägypten zu einem Verkäufer sagte: "So viel ist das nicht wert, aber ich zahle es trotzdem - für die Revolution." Fand ich gut.
Titel: Re: Armut - Wie geht ihr auf Reisen damit um?
Beitrag von: Sebastian81 am 01. November 2011, 11:54
Bin jetzt seit mehr als einer Woche in Myanmar unterwegs und hier wird man auch an allen Ecken und Enden mit Armut konfrontiert und neben den zahlreichen bettelnden Menschen gehen auch viele der Souvenierverkaeufer, wenn man bei ihnen nichts kauft, dazu ueber zu betteln.
Ich gebe bettelnden Menschen nie etwas, ich bin da sehr (zu?) rational und glaube, dass Menschen die einmal so sehr am Boden sind, schwerlich wieder hoch kommen und halte es fuer sinnvoller die zu unterstuetzen, die noch selbst kaempfen koennen oder andere dabei unterstuetzen. Sprich, wenn ich Menschen sehe die Gutes tuen und engagiert sind, gebe ich gerne und reichlich.
Sei es beim Besuch einer Schule, in einem kleinen Restaurant in Bagan, wo zwei Geschwister und ihre Mama fuer koestliches Essen sorgen und einfach unglaublich freundlich sind (Bibo's -> wenn ihr mal in Bagan seid auf jeden Fall hingehen) oder gerade eben, alls ich eine Wanderung gemacht habe, mich ein wenig verlaufen habe und drohte von einem Gewitter ueberrascht zu werden (bei nur noch 2 verbleibenden Stunden Tageslicht) und mich ploetzlich ein Junge mit seinem uralten Moped eingesammelt hat, den ich zuvor nach dem Weg gefragt hatte (er war unglaublich schuechtern und konnte kei Wort Englisch).
Und wenn ich zurueck komme, nehme ich auch meine SOS-Kinderdorf Patenschaft wieder auf.
Klar frage ich mich manchmal, ob das richtig ist und ich nicht sichtlich armen Menschen doch mal zu einem Abendessen verhelfen sollte, aber so traurig es auch ist, wenn man in solchen Laendern unterwegs ist, muss man sich einfach darueber im Klaren sein, dass man leider nur einen kleinen Tropfen auf den heissen Stein geben kann.